Mozarts Vorstoss ins Reich der Komödie

Michael Kunkel, Tages-Anzeiger (11.09.2006)

La finta semplice, 08.09.2006, Winterthur

Gastspiel: Die Zürcher Oper zeigt Mozarts lustige «Finta semplice» im Theater Winterthur.

Eine Kinderoper zur Saisoneröffnung: Geht das? Im Alter von 12 Jahren komponierte Wolfgang Amadeus Mozart die Oper «La finta semplice», die sonst nicht allzu häufig auf den Spielplänen auftaucht. Im Jubiläumsjahr kann die «Zauberflöte» schon jeder von hinten nach vorne pfeifen, und so ist Abwechslung willkommen. Mozarts «Finta» ist natürlich alles andere als eine Kinderoper. Sie ist der erste Vorstoss Mozarts ins Reich der Opera buffa, der musiktheatralischen Komödie, die in seinem späteren Schaffen so wichtig wurde.

Schon in diesem Werk ist die Handlung eigentlich schnuppe. Es geht um Liebe und Macht und die aus deren Verstrickung resultierende Komik. Mozarts Musik ist ein agiles Mit- und Gegeneinander, deren Quirligkeit durch das Orchester Musikkollegium Winterthur unter der Leitung von Theodor Guschlbauer schön zur Geltung kommt. Regisseur Jens-Daniel Herzog sucht Mozarts «Finta» (zum Glück) nicht den Nimbus eines Hauptwerks zu verleihen oder irgendeine verblüffende Aktualität im Stoff zu entdecken. Lieber präsentiert er das Stück in nicht allzu hintergründiger Komik.

Die kauzigen, nur anfänglich etwas frauenscheuen Brüder Don Cassandro (Reinhard Mayr) und Don Polidore (Boguslaw Bidzinski) werden als weltfremde, in einer stattlichen Bibliothek hausende, intellektuelle Stubenhocker und Bücherwürmer gezeichnet; dieses Heim verwandeln die soldatesken, weibtollen und kuppelfreudigen Burschen Fracasso (Shawn Mathey) und Simone (Ruben Drole) in eine Stätte handfesterer Freuden. Dies ist die elementare und nachvollziehbare Polarität eines Opernabends mit viel Slapstick und einem leichten Hang zur Volkstheatralik. Frivolitäten fallen stets betont harmlos aus, auf dass das Opernpublikum sich nicht schon gleich zu Saisonbeginn zu stark erschrecke. Entsprechend dankbar und erfreut zeigte es sich bei der Premiere am Freitag.

Dass dieses Konzept trotz aller Biederkeit irgendwie aufgeht, liegt vor allem an der offensichtlichen Spielfreudigkeit und stimmlichen Flexibilität des Ensembles, deren Mitglieder herumwuseln, was das Zeug hält. Die auffällige Ähnlichkeit von Reinhard Mayr (alias Don Cassandro) mit Helge Schneider schadet hier nicht. Dynamisches Zentrum des Geschehens ist die putanesk gewandete Rosina (Ausstattung: Mathis Neidhardt), die durch Christiane Kohl verkörpert wird. Die Rosina-Arien sind die musikalisch anspruchsvollsten der «Finta»-Partitur und markierten dank der verblüffend leichten, unangestrengten Diktion Kohls die Höhepunkte des Abends.