Ein Papagei für den Sohn

Roger Cahn, Blick (22.11.2005)

Harley, 20.11.2005, Zürich

«Harley» - Uraufführung im Opernhaus Zürich

«Harley» ist keine grosse Oper, aber abendfüllend. Edward Rushton und Dagny Gioulami haben mit einem originellen und unterhaltsamen Werk die Herzen des Zürcher Publikums erobert. Premiere war am Sonntag.

Sie sind ein Paar, auch im Leben: die junge Berner Librettistin Dagny Gioulami (35) und der englische Komponist Edward Rushton (33). Ihre erste abendfüllende Oper «Harley» ist ein Gemeinschaftswerk, bei dem sich Idee, Wort und Musik gegenseitig inspirieren und hochschaukeln. Kunst und Wirklichkeit im Wechselspiel.

Die Idee: Eine Ausstellung mit moderner Kunst, bei der die im zentralen Bild dargestellten Personen ein Eigenleben entwickeln. Der Museumswächter erfüllt deren geheime Wünsche: Dem Vater malt er eine Harley-Davidson (daher der Operntitel), der Mutter schenkt er Margeriten, dem kleinen Sohn einen Papagei, und die aufmüpfige Tochter entfernt er aus dem Bild. Es entsteht ein neues Familienbild.

Die Worte: Alle Figuren sprechen eine natürliche, leicht verständliche Sprache. Direkt und unverblümt tragen sie ihre Konflikte aus.

Die Musik: Assoziativ und intuitiv malen die Töne vor oder nach, was auf der Bühne geredet und gezeigt wird. Viele wiedererkennbare Motive bilden ein Patchwork aus Geräuschen, Wohlklängen und Dissonanzen mit traditionellen Arien, Duetten, Quartetten und orchestralen Zwischenspielen.

Was fehlt, sind grosse Bögen, schöne Melodien: die emotionalen Höhepunkte. Das haben jene, die das Opernhaus bereits zur Pause verliessen, wohl vermisst.

Grischa Asagaroff inszeniert nahe beim Text mit viel Liebe und guten Ideen. Hervorragend unterstützt durch ein wunderschönes Bühnenbild (Martin Kinzlmaier) und die dazu passenden Kostüme (Bettina Latscha). Nicholas Cleobury führt das Orchester, mit einem facettenreichen Perkussionsapparat angereichert, differenziert durch die Partitur. Die Solistinnen und Solisten - allen voran Irene Friedli als rebellische Tochter und Gabriel Bermudez als malender Museumswächter - interpretieren ihre Rollen stimmlich solid und darstellerisch mit spürbarem Spass.

Fazit: Oper für einmal jung und frisch. Es darf gelacht werden. Hat Spass gemacht.