Grüss dich Gott, du liebes Nesterl

Wiener Blut from Johann Strauss


DEUTSCH

GRÄFIN
Es hat den Grafen nichts genützt,
Das Warnen und das Bitten,
Die Neugier ist in mir erwacht,
Ich bin hieher geritten!
's steckt was dahinter, das ist klar,
Den Grund muss ich erspäh'n!
Ich finde alles, wie es war,
So lieb, so traut, so schön!

Grüss dich Gott, du liebes Nesterl,
Wie du warst, find' ich dich noch,
So wie einst ich dich verlassen,
Als mich drückt' das Ehejoch!
Oft, ach, schmollt 'ich da im Erker,
Weil der Graf mich just gefreit!
Ach, wie oft an diesem Schreibtisch
Klagte ich Mama mein Leid!
Wie hab' auf dir ich musiziert,
Armes Spinett, dich malträtiert!
Die Bibliothek! Mancher Roman,
Den man wohl liest,
Doch nicht erleben kann!
Homer, Wieland, Klopstock, euch hielt ich mir
Als Aufputz hier!
Was seh' ich da?
Da schau', ei, ei,
Casanova? Das ist mir neu! -
Mein Schlafgemach, es scheint wohl verlassen,
Alles ist so, wie's war
Hier löst' ich zaghaft mein Myrthenkränzchen
Bebend aus dem Haar!
Hier nahm als Braut ich zitternd den Schleier
Zögernd vom Gesicht - - -
Und aus den Augen flossen die Tränen
Na, heute heult' ich nicht!
Grüss dich Gott, du liebes Nesterl,
Wie du warst, find' ich dich noch,
So wie einst ich dich verlassen,
Als mich drückt' das Ehejoch!
Doch, wer weiss, es kann gelingen,
Dass du meine Neugier stillst,
Und ich doch was Neues finde,
Das du mir verbergen willst!