Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen – Wilma Lipp, 1955

Die Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart




KÖNIGIN DER NACHT
Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen,
Tod und Verzweiflung flammet um mich her!
Fühlt nicht durch dich Sarastro Todesschmerzen,
So bist du meine Tochter nimmermehr.
Verstossen sei auf ewig, verlassen sei auf ewig,
Zertrümmert sei'n auf ewig alle Bande der Natur,
Wenn nicht durch dich Sarastro wird erblassen!
Hört! Rachegötter! Hört der Mutter Schwur!

Wilma Lipp

*1925
Sopran

Wilma Lipp (* 26. April 1925 in Wien) ist eine österreichische Sopranistin.

Wilma Lipp absolvierte ihr Gesangsstudium bei Friedl Sindl in Wien und bei Toti dal Monte in Milano sowie Anna Bahr-Mildenburg an der Akademie für Musik in Wien. Im Alter von 17 Jahren debütierte sie in Wien als Rosina in Der Barbier von Sevilla in einer Freilichtaufführung auf dem Heldenplatz. 1945 wurde sie von der Wiener Staatsoper engagiert, die in dieser Zeit die Ausweichquartiere Theater an der Wien und Volksoper Wien bespielte.

Zu Beginn war die junge Künstlerin in Rollen wie Esmeralda (Die verkaufte Braut),Sandmännchen und Taumännchen (Hänsel und Gretel),Barbarina (Die Hochzeit des Figaro), Contessa Ceprano (Rigoletto), Italienische Sängerin (Capriccio)und anderen kleinen Partien zu hören. Einen ersten Ausflug ins „große“ Fach stellte die Adele in der Fledermaus dar, eine Partie, die Wilma Lipp nahezu zwanzig Jahre gesungen hat und in der Meinung vieler nach unübertroffen ist. Sie war ideal für diese Rolle, da blutjung, bildhübsch, wienerisch – mit dem dazugehörigen Schmäh (Wilma Lipp wurde in Wien geboren und wuchs hier auch auf) und mit einer geläufigen Gurgel (um Mozart zu zitieren, der die Stimme Caterina Cavalieris, der ersten Konstanze in der Entführung so beschrieb) sowie viel Freude am Singen sowie dem später als so typisch für sie genannten „blonden Jubelton“ in den höchsten Lagen.

Die erste tragende Rolle, die ihr zuteil wurde, war die Königin der Nacht in Mozarts Zauberflöte. Diese Aufgabe katapultierte die junge Sängerin von der Zweitbesetzung Papagena zur Premierenbesetzung der Königin, weil Maria Stader absagte und der Dirigent der Aufführung, Josef Krips, einer von Wilma Lipps wichtigsten Mentoren ihr diese Chance gab. Josef Krips - so Wilma Lipp in einem Interview, "war wie ein Vater, er hat immer gesagt: Komm' ins Kinderwagerl, ich fahr dich". Mit dieser Partie gelang der Sängerin 1948 der Durchbruch. Ihre Verpflichtung für die Rolle der Papagena nahm sie einen Tag nach der Premiere jedoch dennoch wahr: Sie sang die zweite Vorstellung als Papagena, um fortan weltweit als Königin der Nacht in dieser Zeit "die" Königin zu werden, was auch dadurch untermauert wird, dass sie diese Partie vier Mal im Studio unter Karajan, Keilberth, Furtwängler und Böhm eingespielt hat und mehrere Live-Mitschnitte existieren.

Es folgten Einladungen an die wichtigsten Opernhäuser der Welt wie der Scala di Milano, die Pariser Oper, die Bayerische Staatsoper, die deutsche Oper in Berlin, Royal Opera House Covent Garden, die Salzburger Festspiele (als Konstanze, Königin der Nacht und Servilia), die Bayreuther Festspiele (als Waldvogel) sowie die Bregenzer Festspiele (als Annina in Eine Nacht in Venedig, Adele und Frau Fluth sowieMarie) und den Festspielen in Edinburgh (als Konstanze).

In dieser Zeit wurde sie auch zur ersten Konstanze der ersten Gesamtaufnahme im Plattenstudio unter der Leitung von Josef Krips mit Kollegen aus dem Wiener Mozartensemble. Diese Partie übernahm sie in dieser Zeit sozusagen im „Generationswechsel“ von Erna Berger bei den Salzburger Festspielen, als diese erkrankte. Vom wohlverdienten Urlaub in Velden am Wörtersee mit einem Telegramm vom Tennisplatz geholt, packte sie nach einer anstrengenden Spielzeit in Wien die Koffer und fuhr nach Salzburg, um diese Partie zu erobern.Es ist interessant, dass Wilma Lipp nie das Blondchen gesungen hat, wäre diese Partie doch einer Adele sehr nahe gekommen. Bald darauf war die junge Sopranistin auch noch "die" Konstanze und hatte sich somit den Ruf als "Mozart-Sängerin" gefestigt, der ihr ein Leben lang erhalten blieb. Kurz darauf war die Sängerin in sämtlichen Partien des Faches an vielen Opernhäusern zu hören, die damals als Koloraturfach galten: Gilda (Rigoletto), Violetta (La Traviata), Musetta (La Boheme), Manon (Manon), Zerbinetta (Ariadne auf Naxos), Sophie (Der Rosenkavalier), Oscar (Ein Maskenball), Servillia (La clemenza di Tito), Frau Fluth (Die lustigen Weiber von Windsor), Lady Harriet (Martha), Zerline (Fra Diavolo), Susanna (Die Hochzeit des Figaro), Waldvogel (Siegfried) sowie u.a. als Lucia (Lucia di Lammermoor)oder Adina (L’elisir d’amore) Außerdem war Wilma Lipp auch im Konzertsaal sowie im Bereich der geistlichen Musik sehr präsent, so sang sie regelmäßig am Musikverein in Wien und absolvierte Konzerttourneen u.a. durch Süd- und Nordamerika.

1951 wurde sie 26-jährig zur jüngsten Kammersängerin in der gesamten Geschichte der Wiener Staatsoper ernannt, was damals für enormes Aufsehen sorgte.

Ab der Wiedereröffnung 1955 der Wiener Staatsoper, bei der sie noch Konstanze, Königin der Nacht sowie u.a. Oscar und Musetta sang, begann sie, ihr Repertoire um viele lyrischere Partien zu erweitern. Hier seien der Wandel von der Susanna zur Contessa Almaviva (Le nozze di Figaro), Margarethe (Faust), Tochter (Cardillac), Regine (Mathis der Maler), Woglinde (Das Rheingold, Götterdämmerung), Mimi (La Boheme), von der Frascita zur Micaela (Carmen), von der Zerlina bis hin zur Donna Elvira (Don Giovanni), Ilia (Idomeneo), Alice Ford und Nanetta (Falstaff), Eva (Die Meistersinger von Nürnberg) und u.a. von der Adele zur Rosalinde (Die Fledermaus) genannt.

Bei der Wiedereröffnung des Theaters an der Wien 1962 war Wilma Lipp erstmals nicht mehr die Königin der Nacht sondern die Pamina in der Zauberflöte an der Seite von Nicolai Gedda als Tamino unter der Stabführung von Herbert von Karajan. So hatte Sie die Gelegenheit, in das Haus, in welchem ihre internationale Karriere begonnen hatte, zurückzukehren. Wilma Lipp betont heute noch, dass „die Zeit im Theater an der Wien die glücklichste in ihrem Leben war“. In den sechziger Jahren debütierte Wilma Lipp in den USA in San Francisco mit der Sophie, der Alice Ford und der Micaela, erweiterte das bereits enorme Gastierwesen um Brüssel, Paris, Buenos Aires und Zürich, wo sie auch wieder Operette sang (Lisa in Das Land des Lächelns, Anna Elisa in Paganini).

Anfang der siebziger Jahre begann Wilma Lipp, sich von der Bühne zurückzuziehen und als Pädagogin zu wirken. 18 Jahre lang unterrichtete sie am Mozarteum in Salzburg und brachte viele junge Nachwuchstalente für den Musiktheaterbetrieb hervor wie etwa Kathleen Casello, Birgid Steinberger, Ingrid Habermann, Eva Lind, Iride Martinez u.a.

Interessanterweise haben diese Sängerinnen vor allem in Partien reüssiert, die auch Wilma Lipp gesungen hat: So gewann beispielsweise Kathleen Casello mit der Königin der Nacht den Mozart-Wettbewerb, um fortan an Häusern wie der Metropolitan Opera in New York zu singen, hat Birgid Steinberger an der Volksoper Wien von der Adele über Laura bis hin zur Pamina und den Frauenrollen in "Die Ausflüge des Herrn Broucek" in den Rollen Lipps Erfolge verbuchen können und war Eva Lind eine perfekte Adele, Olympia, Königin auch an der Wiener Staatsoper, Ingrid Habermann eine ideale Interpretin der Konstanze im Studio und vor allem eine gesuchte Rosalinde. Zuletzt hat im Mozartjahr 2006 Iride Martinez die Konstanze in Stefan Herheims Produktion bei den Salzburger Festspielen verkörpert, die auch auf DVD erschienen ist. Diese Erfolge hat Wilma Lipp in ihren späteren Lebensjahren immer über ihre vergangene Karriere gestellt, was in zahlreichen Interviews zu bemerken ist.

In den letzten Jahren ihres Wirkens als Sängerin trat sie neben der Wiener Staatsoper auch wieder bei den Bregenzer Festspielen, am Opernhaus Zürich und den Salzburger Festspielen auf. Mit Marianne Leibmetzerin in Der Rosenkavalier gab sie ihren Bühnenabschied Anfang der achtziger Jahre.

1998 emeritierte sie und ist nun im Ruhestand. Bei der 50-Jahr-Feier zur Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper war sie zusammen mit Sängerkolleginnen wie Elisabeth Schwarzkopf und Sena Jurinac als Ehrengast geladen und wohnte dem Festkonzert bei, bei dessen Ursprung sie maßgeblich in Premieren (u. a. Faust, Orfeo ed Euridice, Cardillac, Mathis der Maler u. v. a) gleichermaßen wie im Repertoirebetrieb (Don Giovanni, Meistersinger u. v. a.) sozusagen an „ihrem Stammhaus, der Wiener Staatsoper“, weit über 1000 Abende gesungen hat. Die Zahl ihrer Auftritte an anderen Opernhäusern ist ebenfalls sehr hoch, wenngleich noch nicht erfasst. Die meisten Auftritte neben der Wiener Staatsoper dürften an der Staatsoper München, an der Volksoper Wien und der Hamburgischen Staatsoper stattgefunden haben. Die Gesamtzahl der Auftritte ist mit ca. 2500 wahrscheinlich in reellem Rahmen angesetzt.

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