Libretto: Adriana Lecouvreur

von Francesco Cilea


Personen:
MORITZ, Graf von Sachsen (Tenor)
Der FÜRST VON BOUILLON (Bass)
Der ABBÉ VON CHAZEUIL (Tenor)
MICHONNET, Regisseur vom Théâtre-Français (Bariton)
QUINAULT, Mitglied des Théâtre-Français (Bass)
POISSON, Mitglied des Théâtre-Français (Tenor)
ADRIENNE LECOUVREUR (Sopran)
Die FÜRSTIN VON BOUILLON (Mezzosopran)
Fräulein JOUVENOT, Mitglied des Théâtre-Français (Sopran)
Fräulein DAGEVILLE, Mitglied des Théâtre-Français (Mezzosopran)
ATHÉNAÏS, Herzogin von Aumont
Die MARQUISE
Die BARONIN
Eine KAMMERZOFE

CHOR
Damen, Herren, Statisten, Theaterdiener, Lakaien

Paris im Monat März 1730

Ballet:
PARIS, phrygischer Schäfer
MERKUR, Bote Jupiters
JUNO, Göttin der Hoheit
PALLAS, Göttin der Kraft und Weisheit
VENUS, Göttin der Schönheit

Götterboten, Amazonen, Choristinnen, Amoretten



ERSTER AUFZUG

ERSTER AUFTRITT

FRL. JOUVENOT
am Spiegeltisch
Schminke, Michonnet, Schminke!

POISSON
vom Spieltisch her
Auch mir fehlt rote Schminke!

MICHONNET
zu Frl. Jouvenot, auf die Konsolen hinweisend
Da oben rechts, mein Fräulein!
Im Schubfach! Dort das linke!

FRL. DANGEVILLE
vom Sofa
Bitte, Michonnet, den Fächer!

QUINAULT
vom Kamin her
Bitte, Michonnet, den Mantel!

MICHONNET
von einem zum andern laufend
Allsogleich, ihr Quäler!

DIE BEIDEN DAMEN
Beeile dich!

MICHONNET
demütig
Ach! zwei Hände nur hab ich!

QUINAULT
ihn verspottend
Doch wohl vier Beine!

FRL. DANGEVILLE
Und mir Pastillen!

FRL. JOUVENOT
Ein Fleckchen!

QUINAULT
Meinen Säbel!

POISSON
Den Gürtel her!

ALLE VIER
ungeduldig
Schnell doch, rühr dich, du Schlafmütz'!

MICHONNET
im Vordergrund, für sich, mit unterdrücktem Zorn
Michonnet hin, Michonnet her!
Ach nein, ich kann nicht mehr!
Auf mir allein ruht alle Last und Schererei!
Ein Regisseur hat's schlimmer fast fürwahr wie'n Lakai!
Die Kartenkön'ge soll ich gar hofieren,
Werd' den Kopf noch verlieren;
Geschwätz zu hören,
Neid zu beschwören,
Zorn zu beschwichtigen,
Ränke zu stören,
Und böser Zungen Klatsch zu berichtigen
Von früh bis spät, von spät bis früh!..
Nur Plag' und Müh'!
melancholisch
Ach, wär's der Wunsch nicht,
Die Stellung zu erlangen
Als Mitglied dieser Bühne;
Der Gedanke, der kühne,
Ohn' ihn
Schon längst wär ich gegangen!

POISSON
der dies bemerkt, zu Michonnet
Was murmelst du da?

MICHONNET
zusammenfahrend
Gar nichts!

FRL. DANGEVILLE
gähnend und Pastillen kauend
Vom Warten wird mir schlecht!

QUINAULT
Feigling, erzittre!
Verzeihung!

MICHONNET
mit einem Sprunge ausweichend
Nichts zu sagen!

POISSON
zu Michonnet, der wieder nach vorn kommt
Ist's so recht?

MICHONNET
ironisch
Verführend schön! Ein Narziss!

FRL. JOUVENOT
immer am Spiegel
Ein Pflästerchen noch fehlt mir!

FRL. DANGEVILLE
ihre Lektüre unterbrechend, boshaft
Wirklich eins nur?

FRL. JOUVENOT
dreht sich um, wie von einer Tarantel gestochen
Unverschämte!

FRL. DANGEVILLE
mit verächtlichem Achselzucken
Aufgeblähte!

FRL. JOUVENOT
sich mit einem Ruck erhebend
Ich bin's müde!

FRL. DANGEVILLE
ebenfalls aufstehend
Und mir ... ist's zuwider!

FRL. JOUVENOT
mit übertrieben tiefer Verbeugung
Die Frau Marquise linker Hand!

FRL. DANGEVILLE
ihr nachäffend
Die Pikettkarten-Königin!

POISSON
sie verspottend
Sprecht nur stets richtig und gewandt!

MICHONNET
entsetzt
Meine Damen, gleich fängt das Spiel an!

QUINAULT
Molière hört den Streit!


ZWEITER AUFTRITT
Der Fürst von Bouillon, der Abbé von Chazeuil, die
Vorigen.


MICHONNET
zeremoniell zu den Genannten
Ah Durchlaucht, Fürst von Bouillon
Und Herr Abbé von Chazeuil.
Welche Gnade!

Bewegung bei den Damen

QUINAULT
leise zu Poisson
Und jener ...

POISSON
beiseite
… ist als Mäcen bekannt
Der Duclos; in Liebe und in Chemie ein Dilettant!

QUINAULT
wie oben
Und der Abbé?

POISSON
leise
Ein Spielzeug nur seiner Gattin!

ABBÉ
die Nase rümpfend
Diese Düfte?

MICHONNET
mit übertriebener Verbeugung
Auf allen Bühnen duftet's so!

FÜRST
Unsre Divas hauchen Duft!

POISSON
sich vor dem Fürsten bis zur Erde neigend
Durchlaucht!

FÜRST
mit herablassender Gebärde
Nun, mein Lieber!

QUINAULT
zum Abbé auf türkische Weise grüssend
Abbé!

ABBÉ
vertraulich
Grossvezier!

FÜRST
galant zu Frl. Jouvenot
Mein schönes Fräulein!
Wie wird man Sie heut abend nennen!

FRL. JOUVENOT
kokett
»Zatime«!

ABBÉ
mit affektierter Anmut zu Frl. Dangeville
Und Sie?

FRL. DANGEVILLE
unhöflich
»Lisette«!

FÜRST
wie oben
Sie muss als Sultanin man immer anerkennen!

ABBÉ
wie oben
Und Sie ... Sie sind der Frühling!

FRL. JOUVENOT
ihm ihre Schulter zeigend
Fürst! sehn Sie dies Fleckchen!

FÜRST
sich bückend, als ob er es küssen will
Ein Pfeil Amor, dem Rächer!

ABBÉ
zwischen zwei Seufzern
Glut weckt mir Ihr Anblick!

FRL. DANGEVILLE
laut lachend
Abbé, nehmen Sie meinen Fächer!

FRL. DANGEVILLE
boshaft
Um noch himmlischer zu scheinen!

FÜRST
ungeduldig zu Michonnet
Doch wann fängt's endlich an?

MICHONNET
»Bajazet« in wenigen Augenblicken.
Dann folgt »Der Liebe Narrheit«.

ABBÉ
auf den Zuschauerraum zeigend
Der Saal voll zum Erdrücken!

MICHONNET
mit Nachdruck
Das glaub' ich wohl, man sieht heut'
Die Duclos und Adrienne beid'
In derselben Tragödie.

FÜRST
enthusiastisch
Die Duclos, unvergleichlich!

MICHONNET
beleidigt erwidernd
Die Lecouvreur ein Engel!

FRL. JOUVENOT
mit einer Grimasse
Sie kann nur noch nicht fliegen.

ABBÉ
unentschieden
Kann recht gut deklamieren.

FRL. DANGEVILLE
Nach Zufall.

MICHONNET
auf den Hintergrund weisend
Sie selbst! Das wird genügen!


DRITTER AUFTRITT
Adrienne und die Vorigen.

ADRIENNE
ihre Rolle durchgehend, langsam
Ich ergebe mich Murads, des Sultans Gewalt!
»Fort! entfernt euch!
Es verschliesst dem Kühnen dies Haus mein Wille!«
Sich unterbrechend
Nein, 's ist noch nicht richtig!
»Fort, entfernt euch!
Es verschliesst dem Kühnen dies Haus mein Wille!«
Und zurück ins Serail kehrt vornehme Stille!

FÜRST
in die Hände klatschend
Grossartig!

ABBÉ
ihn nachahmend
Ganz entzückend

FÜRST
ihr näher kommend
Muse!

ABBÉ
gleichfalls
Göttin!

FÜRST
ihr die Hand küssend
Berückend!

ADRIENNE
mit aufrichtiger Bescheidenheit
Zuviel, meine Herren, zuviel!
lächelnd
Sehn sie, ich bin ganz atemlos!
einfach
Ich bin nur die Magd, die schwache,
Des Genius, der da schafft;
Er leiht mir seine Sprache,
In Herzen streut sie meine Kraft.
Ich bin des Lieds Betonung,
Sein Schicksalswiderhall;
Sein Werkzeug, seine Wohnung,
Der starken Hand Vasall.
Bald mild, bald heiter, bald Unheil kündend,
Man nennt mich: »Treu dem Sinn«,
Mein Klang: ein Lüftchen, schwindend
Im Tagesgraun dahin!

FÜRST
Was suchen Sie denn noch?

ADRIENNE
Die Wahrheit.

ABBÉ
Ihr Lehrer ist wohl ein grosser Künstler?

ADRIENNE
achselzuckend
Nein, ich habe keinen!
Michonnet bemerkend
O, Undank!
Schlicht mir ein Herz ergeben,
Hochbegabt, doch bescheiden,
Mein Hal in Freud' und Leiden,
Mein einz'ger Freund im Leben,
Hier steht er: s'ist Michonnet!

MICHONNET
bis zu Tränen gerührt
Adrienne, du scherzest, meine Tochter
Sieh nur, ich ersticke.
Laut rufend
Sind die Herrschaften fertig?

FRL. JOUVENOT
protestierend
Nein, ich noch keinen Schimmer!

FRL. DANGEVILLE
Ich, desgleichen!

ADRIENNE
Ich, ich bin es!

FÜRST UND ABBÉ
zu Michonnet
Und die Duclos?

MICHONNET
Jetzt eben schreibt sie im Zimmer
Dort einen Brief in Eile.

FÜRST
lebhaft
An wen?

FRL. JOUVENOT
zum Fürsten, mit Betonung
Sie sind's nicht, das ist sicher!

FRL. DANGEVILLE
ebenfalls
Sie weiss, dass Sie hier stehn!

QUINAULT
am Schachtisch
Schach dem König!

POISSON
indem er ein Stückchen Brot kaut, triumphierend
Schach und matt jetzt!

QUINAULT
protestierend
Matt, das sind eben Sie!

POISSON
in Zorn geratend
Gilt mir das »Sie?«
Mir scheint, du steckst voll Hochmut!

QUINAULT
Nun, wie?

MICHONNET
von hinten
Meine Herrschaften, 's geht los!

FÜRST
zornschnaubend zum Abbé
Abbé, diesen Brief muss ich sehn!

ABBÉ
Von der Duclos?

FÜRST
Ich will es!

ABBÉ
unschlüssig
Wie ist das möglich?

FÜRST
gibt ihm eine Geldbörse
Es muss gehn!


VIERTER AUFTRITT
Michonnet, Adrienne.

MICHONNET
Endlich wir beide allein! für eine Minute!
Schon fünf Jahre lang lieb ich so heiss die Gute,
Und kanns nicht sagen,
Muss stumm die Qual ertragen!
zurückweichend
Was hilft's auch? Sie ist so jung und licht ...
Und mein Mai
Ist längst vorbei!
kommt wieder näher
Sag ich's oder sag ich's jetzt noch nicht?
Besser wohl morgen!
Aber morgen bin ich noch älter alsdann,
entschlossen
Törichte Angst und Sorgen!
Nun denn! ich sag's! wohlan!
Adrienne!

ADRIENNE
ohne den Kopf zu wenden
Was gibt's?

MICHONNET
nach Worten suchend
Etwas Neues!

ADRIENNE
wie oben
Gut oder böse?

MICHONNET
zaudernd
Das fragt sich ... mein Oheim aus Boulogne,
Der Apotheker ...

ADRIENNE
Nun, was denn?

MICHONNET
Ist tot.

ADRIENNE
Traurig!

MICHONNET
schnell
Und in seinem Testament
Vermacht er mir zehntausend Pfund.

ADRIENNE
Prächtig!

MICHONNET
mit Bedeutung
Doch was beginnen? Bin darum sehr verlegen ...

ADRIENNE
Um so schlimmer!

MICHONNET
Nicht ganz so ... dies will in mir erregen ...
Einen Gedanken ...

ADRIENNE
Einen Gedanken?

MICHONNET
eindringlich
Seltsam, possierlich ...

ADRIENNE
Welchen?

MICHONNET
entschlossen
An eine Heirat!

ADRIENNE
lachend
Um so besser!

MICHONNET
angenehm überrascht
Wie? es erscheint dir natürlich?

ADRIENNE
Ganz natürlich!
seufzend
Ach! käm auch ich dazu!

MICHONNET
mit klopfendem Herzen
Wirklich? Also auch du?

ADRIENNE
Ich denk daran.. zuweilen ...

MICHONNET
für sich, die Augen gegen die Decke erhoben
Allmächtiger Gott! Jetzt ist es Zeit, zu eilen!

ADRIENNE
melancholisch
Mein Talent ist nicht mehr dasselbe.

MICHONNET
ungestüm
Gewachsen, willst du sagen.

ADRIENNE
zögernd
Gestern abend ...

MICHONNET
wie oben
Spieltest du die Phädra, als wär's Melpomene selber.

ADRIENNE
vertraulich
Man hörte, eine Schlacht sei geschlagen.
Und keine Kunde ...
Die Angst ... »Er hat vielleicht eine Wunde!«

MICHONNET
zurückweichend, wie erschreckt
Wer?

ADRIENNE
sich ihm vertrauend
Wer anders als mein Retter?

MICHONNET
schaudernd
Sie sagt: mein Retter ...

ADRIENNE
freudig
Doch heute ...

MICHONNET
wie ein Echo
Heute ...

ADRIENNE
Er kam zurück!

MICHONNET
am ganzen Körper zitternd
Du liebst ihn?

ADRIENNE
glühend
Ob ich ihn liebe! ...

MICHONNET
für sich, die Arme hängen lassend
Das trifft mich schwer!

ADRIENNE
kann nicht mehr an sich halten
Vor Ihnen hab ich kein Geheimnis!

MICHONNET
lässt sich in einen Lehnstuhl fallen
Jetzt sag ich ihr nichts mehr!

ADRIENNE
's ist ein einfacher Fähnrich
Beim polnischen Königssohne,
Dem Grafen von Sachsen, dem Helden,
Der sich erkämpft eine Krone.
Er zog in den Krieg, weit, weit fort nach Kurland hin,
Und ich wusst nicht, was mit ihm geschehen,
Gestern sah ich ihn wieder!

MICHONNET
aufspringend, verwirrt
Ihn?

ADRIENNE
ohne auf ihn zu hören
Und heut wird er Roxane sehen.

MICHONNET
verzweifelt, bei sich
Michonnet, du bist fertig!

ADRIENNE
steht ebenfalls auf
Wie jauchzt mein Herz im Glücke!

MICHONNET
den Kopf schüttelnd
Mein gutes Mädchen! Bedenke!
Das Glück ist oft voll Tücke!
Horch! das Signal!


FÜNFTER AUFTRITT
Adrienne und Moritz.

MORITZ
Adrienne!

ADRIENNE
sich umdrehend, wie vor Freude berauscht
Ach, mein Moritz!

MORITZ
sie schwärmerisch anblickend
Du Herzenskönigin!

ADRIENNE
wieder zu sich kommend
Sie hier?

MORITZ
Ach! musste lange warten! Ich seh hier eine Treppe.
Man will mich hindern ... frage nach Ihnen ...

ADRIENNE
halb beleidigt, halb geschmeichelt
Unbesonnener!

MORITZ
Warum? Die rechte Liebe
Kennt in heissem Triebe
Kein Verbot,
Wird nicht rot!
mit wachsender Leidenschaft
Meiner teuren Mutter Bild, so lieblich lächelnd,
Seh ich in dir mich wieder freundlich grüssen.
An deiner Brust umwehn mich
der Heimat Lüfte so fächelnd,
Die mit holdem Zauber mir das Herz erschliessen.
Schön bist du, Liebchen!
Schön wie mein Banner winkend,
Dort, wo das Kampfgewühl wogt, flammet so heiss,
Du bist so reizend, wie der Traum, der blinkend
Mir den Ruhm zeigt, der einst des Sieges Preis.

ADRIENNE
bewegt lächelnd
Gott, wie so herrlich spricht er!

MORITZ
ebenfalls lächelnd
Die Lieb macht mich zum Dichter!

ADRIENNE
um den Gegenstand des Gesprächs zu wechseln
Wie steht's mit der Beförderung?

MORITZ
protestierend
Wir wollen uns unterhalten!

ADRIENNE
auf ihrer Frage beharrend
Und der Minister und der tapfre Graf von Sachsen?

MORITZ
lustig, mit etwas Ironie
Er versprach's mir; doch scheint er's nicht zu halten.

ADRIENNE
Ich lernte gern ihn kennen.

MORITZ
wie oben
Warum?

ADRIENNE
Ich möchte mich besinnen,
Wie's möglich wär, für Sie ihn zu gewinnen.

MORITZ
Furcht heuchelnd
Danke! man soll ihn gefährlich nennen.

ADRIENNE
Ich weiss es; alle Frauen lieben ihn.

MORITZ
wie oben
Bin eifersüchtig.

ADRIENNE
mit dem Fächer nach ihm schlagend
Wie töricht!

MORITZ
mit erheuchelter Resignation
Nun wohl, so sprechen Sie mit ihm!

ADRIENNE
sich wehrend
Was tun Sie?
Sieht sich nach rückwärts um
Ich darf nicht länger bleiben.
erhebt sich eilig

MORITZ
trostlos
Wie grausam, wie grausam, mich zu vertreiben.

ADRIENNE
seine Hand fassend
Für Sie nur allein sprech' ich am Abend heute!
Mit deiner Augen Strahl wird deine Seele mich grüssen.
Hörst du meine Stimme, wird deine Träne fliessen.
Was gelten Beifall mir heute,
Geschenke, Kränze der Leute?
Wiegen denn alle Schätze aus unserm ganzen Land
Eine Träne von dir nur auf, der Liebe Diamant?

MORITZ
wie berauscht
Ich lausche dir, Adrienne, wie am heiligen Orte,
Der Beter lauscht dem göttlichen Worte.

ADRIENNE
sich seiner Umarmung entziehend
Wo ist dein Platz heut' Abend?

MORITZ
Die Loge drei zur rechten.
versucht ihr Antlitz zu küssen

ADRIENNE
ihn sanft abwehrend
Lass mich!

MORITZ
schwer atmend
Und nachher?

ADRIENNE
Nicht hier! Erwarte mich am Ausgang!
Ein Pfand!

MORITZ
es küssend
Dank!

ADRIENNE
Geh!


SECHSTER AUFTRITT
Der Fürst, der Abbé, dann Frl. Jouvenot und Dangeville.

FÜRST
ängstlich
Wie steht's, Abbé?

DER ABBÉ
zeigt ihm triumphierend einen Brief
Das Corpus delicti!

DER FÜRST
misstrauisch
Wie denn?

DER ABBÉ
mit den Fingern schnalzend
Penelope!

FÜRST
War es die Zofe?

ABBÉ
mit gedämpfter Stimme
Hundert Dukaten!

FÜRST
nimmt den Brief
Teuer! ... Das Wachs ist noch weich!

ABBÉ
Um so besser!
Der Fürst entsiegelt den Brief
Die Handschrift der ihren gleich?

FÜRST
sich die Augen reibend
Doch sehr verstellt.

ABBÉ
Das ist recht schlimm.

FÜRST
ihm das Billet zurückgebend
Lies nur! mir trübt die Augen der Grimm.

ABBÉ
vorlesend
Heut' abend, Punkt elf Uhr ...
Drunten in dem bekannten Häuschen, dicht an der Seine

FÜRST
zornschnaubend
Das meine.

ABBÉ
fortfahrend
In einer hochpolitischen Sache.
losplatzend
O! die kann reizend sein!

FÜRST
kummervoll
Reizend wie keine.

ABBÉ
die Lektüre wieder aufnehmend
Gebrauchen Sie Vorsicht! ...
»Treu und verschwiegen,« Punktum!

FÜRST
Und die Unterschrift?

ABBÉ
Constanze.

FÜRST
wütend
Treulose!

ABBÉ
mit Mühe das Lachen unterdrückend
Ihr Pseudonym ist das?

FÜRST
Für mich das Zeichen!

ABBÉ
um ihm beizustehen
O Falschheit ohnegleichen!

FÜRST
tobend
Die Undankbare!

ABBÉ
wie vorher
Ein Spott auf ihren Namen!

FÜRST
wie vorher
So sind die Bühnendamen!
nach einer Pause
Und die Adresse?

ABBÉ
besieht die Aufschrift
»Dritte Loge rechts«
sich vor die Stirn schlagend
Teufel! welch ein Verdacht!

FÜRST
angstvoll
Kennst du den andern?

ABBÉ
Möglich ... Moritz.

FÜRST
verdutzt
Der Graf?

ABBÉ
Ich sah ihn eintreten ... da!

FÜRST
wütend
Und er ist's also?

ABBÉ
Er ist's, den ich sah.

FÜRST
die Arme verschränkend
Was tun?

ABBÉ
ihm nachahmend
Was tun?

FÜRST
sich den Kopf zerbrechend
Dort drüben?

ABBÉ
kratzt sich die Stirn
In dem Häuschen?

FÜRST
ihm kommt plötzlich eine Idee
Ein Fest und ein Stückchen ...

ABBÉ
greift den Gedanken sofort auf
Den Künstlern zur Schau

FÜRST
Gefällt dir mein Plänchen?

ABBÉ
Verwegen und fröhlich

FÜRST
Die Kriegslist befehl' ich,

ABBÉ
Ja, Liebe macht schlau.

FÜRST
Wir fangen die Täubchen ein!

ABBÉ
Jetzt müssen ihr Lieben

FÜRST
Sie beide verschieben;

ABBÉ
Noch täuscht sie ihr Wahn!

FÜRST
Von Mars und von Venus

ABBÉ
Die alten Geschichten!

FÜRST
Das Netz wird schon richten

ABBÉ
Voll Rache Vulkan!

FÜRST
Bald weiss ganz Paris schon

ABBÉ
Was auf unserm Feste

FÜRST
Erlebten die Gäste,

ABBÉ
Wenn früh es erwacht;

FÜRST
Jetzt lachen wohl sorglos

ABBÉ
Gott Amor und Hymen

FÜRST
Doch kann sich nur rühmen,

ABBÉ
Wer lacht ganz zuletzt!

FÜRST
zu dem Theaterdiener auf die erste Tür rechts zeigend
Hier nach Nummer drei zur Rechten!
Schweig und nimm!
übergibt ihm das Billet und ein Goldstück, der Diener verschwindet durch die bezeichnete Türe

FÜRST
kommt zum Abbé zurück, erleichtert aufseufzend
Nicht den Göttern allein ...

ABBÉ
das Zitat beendigend
Löscht die Rache den Grimm ...


SIEBENTER AUFTRITT
Frl. Jouvenot, Frl. Dangeville, Quinault, Poisson,
später Michonnet.


FRL. JOUVENOT
Das ist ein prächtiger Scherz!

FRL. DANGEVILLE
Hoch auf mir hüpft mein Herz!

QUINAULT
Was soll das Lachen?

POISSON
Was sind's für Sachen?

FRL. JOUVENOT
Durchlaucht voll Frohnatur

FRL. DANGEVILLE
Ein alter Satyr nur

FRL. JOUVENOT
Steht fest im Bunde

FRL. DANGEVILLE
Zu jeder Stunde

FRL. JOUVENOT
Mit der Duclos.

FRL. DANGEVILLE
Ach! die Rondò!

QUINAULT
Ist's nicht bekannt?

POISSON
Jedem bekannt?

FRL. JOUVENOT
Ja, der Kokette

FRL. DANGEVILLE
Wird durch die nette

FRL. JOUVENOT
Gattin, o höret.

FRL. DANGEVILLE
Schutz noch gewähret

QUINAULT
Wie hoheitsvoll!

POISSON
Kennt keinen Groll!

JOUVENOT
Die weiss am besten

FRL. DANGEVILLE
Auch sich zu trösten

QUINAULT
Für die Duclos,

POISSON
Ach! die Rondò!

FRL. JOUVENOT
Welch ein Terzettchen!

FRL. DANGEVILLE
Nein, ein Quartettchen!

QUINAULT
Wirklich, sie selber?

POISSON
Die Fürstin selber?

FRL. JOUVENO
Dann kommt was andres,

FRL. DANGEVILLE
Noch viel Pikantres!

FRL. JOUVENOT
Alles verrät es!

FRL. DANGEVILLE
Jeder versteht es!

FRL. JOUVENOT
Der Alte baute

FRL. DANGEVILLE
Für seine Traute

FRL. JOUVENOT
Weich ihr ein Nestchen

FRL. DANGEVILLE
Wie ein Schmuckkästchen

QUINAULT
Intrigant schön!

POISSON
Nach Lafontaine!

FRL. JOUVENOT
Wie ab vom Städtchen

FRL. DANGEVILLE
Um mit dem Mädchen

FRL. JOUVENOT
Heimlich zu kosen. –

FRL. DANGEVILLE
Doch von der Losen

FRL. JOUVENOT
Lässt oft verstohlen

FRL. DANGEVILLE
Schlüssel sich holen

FRL. JOUVENOT
Die Fürstin, ihren

FRL. DANGEVILLE
Buhlen zu führen

QUINAULT
Des Fürsten Stirn vorn

POISSON
Schmückt schon ein Horn.

FRL. JOUVENOT
So ganz allein

FRL. DANGEVILLE
Zum Stelldichein.

FRL. JOUVENOT
Doch einen Liebesbrief

FRL. DANGEVILLE
Von ihr, der jenen rief

FRL. JOUVENOT
Mit süssem Worte

FRL. DANGEVILLE
Zum stillen Orte

FRL. JOUVENOT
Hat abgefangen,

FRL. DANGEVILLE
Durchlaucht voll Bangen,

FRL. JOUVENOT
Dem Kammerkätzchen

FRL. DANGEVILLE
Füllend das Tätzchen.

FRL. JOUVENOT
Der alte Galan

FRL. DANGEVILLE
Nimmt wie Vulkan

FRL. JOUVENOT
Für solche Sache

FRL. DANGEVILLE
Furchtbare Rache.

FRL. JOUVENOT
Nun lasst uns fragen,

FRL. DANGEVILLE
Wem gilt das Jagen,

FRL. JOUVENOT
Die List und Tücke

FRL. DANGEVILLE
Im Augenblicke?

QUINAULT
Und die Komödie

POISSON
Schwierige Frage!

FRL. JOUVENOT
Der Angetrauten

FRL. DANGEVILLE
Oder der Trauten?

QUINAULT
Wird zur Tragödie

POISSON
Wie kommt's zutage?

ALLE
Ei ja! so ratet!

MICHONNET
aus dem Hintergrunde
Meine Herrschaften! Sie sind dran!

FRL. DANGEVILLE UND POISSON
Ich hab' noch Zeit!

FRL. JOUVENET
ihr Kostüm in Ordnung bringend
Schnelle!

MICHONNET
die Hände ringend
Sie versäumen noch das Stichwort!

FRL. JOUVENOT
verächtlich
Was schadet's?

QUINAULT
Michonnet beim Vorbeigehen von oben herab ansehend
An Ihre Stelle!


ACHTER AUFTRITT

MICHONNET
Ihr Monolog beginnt!
Jetzt ist es grabesstille ... wie wird's nur gehen?
Ich will vor Freude und auch vor Angst vergehen!
Recht so, recht gut, mein Kind!
vergnügt
Ja, so! ja, so! wie zaubervoll erklingend,
Wie einfach, schlicht und klar,
Tief aus der Seele dringend
Wie so menschlich, unvergleichlich wahr!
Was machen sie nur da?
Nun, so klatscht doch, ihr Tröpfe!
Ah! Zum Staunen! Ganz wunderbar, ohnegleichen!
Ah! Sie sieht ihn und gibt ihm Zeichen
Bald durch Blicke, bald durch Lächeln,
Durch Gesten, durch Fächeln
mit tränenerstickter Stimme
Und alles dies nur immer
Ach, für ihn, jenen andern und nicht für mich!
Doch bleibt mir sicherlich
Kein Hoffnungsschimmer ...
Wenn ich sie nur höre, –
Ob auch mein Schmerz sich bäume –
Dann lach ich und weine und träume
Und – vergessen ist alles!
sich an die Stirn schlagend
Doch wohin ist Zatimas Billet gekommen?
Ich hab's doch schon genommen!
Das Briefchen muss zur Stelle
Auf alle Fälle!

NEUNTER AUFTRITT
Moritz, Michonnet, dann Quinault, später Frl. Jouvenot.

MORITZ
in der Mitte, für sich
O, verwünschte Politik!
Ha! Verwünscht sei die Stunde,
Da ich ihr mich überlassen!
Soll das Rendezvous mit Adrienne ich verpassen?
Niemals!
zerknittert den Brief, den ihm der Fürst zugeschickt hat
Jedoch, was wohl die Sache
Mit der Duclos bedeutet?
liest es noch einmal durch

MICHONNET
für sich, auf die Konsole links zeigend
Ach, wohl in diesem Fache!

MORITZ
fortfahrend
Und stets nur diese andre!
Es handelt selbstverständlich
Sich um meinen neuen Plan ...

MICHONNET
Sieh einmal, da ist's endlich!

MORITZ
unschlüssig
Die Fürstin sprach vielleicht beim Kardinal dafür.
Wenn Adrienne herauskommt, dann sag ich's ihr.

MICHONNET
Quinault bemerkend, zu ihm
Sie geben wohl der Zatime diesen Brief für Roxane.

QUINAULT
übel gelaunt und sehr gemessen
Es kann geschehn!

MORITZ
wickelt den Brief auf, überrascht, für sich
Ich seh nichts darauf stehn!
von einer plötzlichen Idee erfasst
Halt! Jetzt mach ich es so!
Eine Kriegslist! Hier
Schreib ich ihr!

MICHONNET
bei sich, zwischen die Kulissen sehend
Ah! sieh nur! die Duclos!
mitleidig
Armes Mädchen, quäl dich nur!
Besser schon wär's, du schwiegst!
Du möchtest singen? Singe, sing nur!
Singe! Du unterliegst! Du unterliegst!

FRL. JUVENOT
zu Michonnet
Michonnet, he, wo ist mein Brief? der Brief für Roxane?

MICHONNET
zeigt auf den Tisch
Er ist hier!

MORITZ
steht auf und gibt der Dame das Pergament
Bitte, mein Fräulein.

FRL. JOUVENOT
nimmt das Blatt mit einer Verbeugung
Danke!

MICHONNET
winkt ihr, sich zu beeilen
Schnell fort!

MORITZ
befriedigt, bei sich
So wird nun Zatime
die Botschaft jetzt an Adrienne besorgen,
Und sie erfährt, dass ich nicht kommen kann vor morgen.
O böses Kurland! Was musst ich für dich hingeben!
Ich gehe! Denn jene harrt voll Beben.
Ab nach rechts

MICHONNET
auf die Bühne sehend, für sich
Zatime tritt auf die Bühne ... doch wie! ...
Sie hat den Brief nicht! ... Doch ... jetzt gibt sie
Ihn Roxane! Gott! Ich sah
trotz der Schminke sie erbleichen,
Zittern ... und schwanken!
ausser sich vor Freude
Kunst! Du bist göttlich! Ohnegleichen!


ZEHNTER AUFTRITT
Alle ausser Moritz.

QUINAULT
wütend
Welch ein Toben!

FRL. JOUVENOT
zornig
Wie verschroben!

POISSON
verächtlich
Welch Publikum!

FRL. DANGEVILLE
angeekelt
Wie schrecklich dumm!

QUINAULT
Ich ersticke noch!

FRL. JOUVENOT
Ich will Rache!

POISSON
's ist zum Rasen!

FRL. DANGEVILLE
lachend
's ist zum Weinen!

MICHONNET
trocknet sich die Augen, jubelnd, bei sich
Und ich lache!

FÜRST
enthusiastisch
Wie grossartig!

ABBÉ
ihn noch überbietend
Welch ein Können!

FÜRST
Ganz einzig!

ABBÉ
Göttlich zu nennen!

FRL. JOUVENOT
erstaunt zum Fürsten
Wie, Fürst, auch Sie?

FÜRST
mit drohender Gebärde
Ich räch mich mal!

FRL. DANGEVILLE
erstaunt zum Abbé
Wie denn! Auch Sie?

ABBÉ
dem Fürsten nachahmend
Mir ist's egal!

FÜRST UND ABBÉ
sich verneigend
Vollkommner gibt's keine Kunst!

ALLE
die Hände erhebend
Adrienne Ehre und Gunst!

ADRIENNE
schwankend
Zuviel ... stille! ... Weh mir!

MICHONNET
leise, sie stützend
Du leidest?

ADRIENNE
mit erlöschender Stimme
Er war hier!

FÜRST
zu den andern
Frische Luft!

ABBÉ
Schnell etwas Äther!

ADRIENNE
die Augen öffnend
Dank!

FÜRST UND ABBÉ
Sie lebt!

MICHONNET
leise zu Adrienne
Bezwing dich!

FÜRST
im Kreise umhersehend
Ihr Freunde, wollt hören!
Den Künstlern zu Ehren
Lad' euch all ich als Gäste
Zu fröhlichem Feste!
Ein würdiger Schluss
Für solch hohen Genuss!

ADRIENNE
die Hand hebend
Ich kann nicht

MICHONNET
halblaut
Nur mutig!

FÜRST
zu Adrienne
Man huldigt Ihnen dort
auf die Schauspieler weisend
»Das Theater«
auf die adeligen Herren zeigend
»Der Adel«.

ABBÉ
bei sich
Der Klerus.

FÜRST
mit sardonischem Lachen
Und den kühnen
Helden von Sachsen vergass ich zu nennen.

ADRIENNE
von einer Idee ergriffen
Ich lernt ihn gern kennen.

FÜRST
sich verbeugend und ihr einen Schlüssel gebend
Das öffnet die Pforte
Zum lieblichen Orte!

ABBÉ
ergänzend
Dem Häuschen, dem grünen,
Ganz nahe bei Ihnen.

ADRIENNE
bei sich
Ich sprech ihn wohl dann.

FÜRST UND ABBÉ
Sie kommen?

ADRIENNE
aufstehend
Wohlan!

FÜRST
Um zwölf Uhr nachts!

ALLE
Um zwölf Uhr nachts?

Der Vorhang fällt

ZWEITER AUFZUG
Das Nest in Grange-Batelière

ERSTER AUFTRITT
Die Fürstin allein.

FÜRSTIN
O Wollust, voller Pein! Glück und Qual im Bunde!
Du still verzehrend Sehnen, schnell geschlagne Wunde!
Heisse Glut, Schauer, Zittern, ja Wahnsinn, Schrecken
Muss in des Liebenden Brust das Warten wecken.
Jeder Laut, jeder Schatten, leis die Nach durchwebend,
Will gegen die zitternde Seele sich verschwören,
Zwischen Zweifel und Sehnen bangend und schwebend
Scheint ewig ihr der Augenblick zu währen.
Ob er kommt? oder nicht?
b er eilet? ... oder mich fliehet? ...
Horch! Eben kommt er! Nein! Die Wellen, sie schäumen,
Und ein alter Baum seufzt auf in seinen Träumen.
Du heller Stern! Der fern im Osten glühet,
Ach, schwinde nicht! Du lächelst so freundlich
hernieder!
Sei Leitstern meiner Liebe! O bring ihn mir wieder!


ZWEITER AUFTRITT
Moritz. Die Vorige.

MORITZ
sich verneigend
Meine Fürstin!

FÜRSTIN
erregt
Kommen Sie endlich?

MORITZ
ein Knie beugend
O, verzeihen Sie!

FÜRSTIN
droht ihm mit dem Fächer
Sehr erkenntlich!

MORITZ
Man verfolgte mich ...

FÜRSTIN
ungläubig
Wer sollt's wagen!

MORITZ
Zwei Unbekannte ... Zurückgeschlagen
Hielten sie nicht stand.

FÜRSTIN
beunruhigt
Zu Zweien?

MORITZ
Wer will mich der Lüge zeihen?

FÜRSTIN
mit bitterm Hohn
Die Verspätung hat am Ende
Wohl verschuldet diese duft'ge Spende?

MORITZ
einfach
Welche?

FÜRSTIN
zeigt auf die Blumen
Dieses Sträusschen!

MORITZ
mit einer Verbeugung
's ist für Sie!

FÜRSTIN
wieder beruhigt
Wer ist verführerisch wie Sie!

MORITZ
Ist's jetzt vergeben?

FÜRSTIN
reicht ihm mit verzeihendem Lächeln die Hand
Ich sollt' eben ...

MORITZ
ihr die Hand küssend
Dank!

FÜRSTIN
weist auf den Platz neben dem ihrigen
Nun bitte!
zärtlich
Ich sprach zur Königin lange und ausführlich
Von Ihren Rechten und von Ihren Siegen;
Da sah ich Tränen in ihren holden Zügen.
Auch war's dem Kardinal recht ... doch natürlich ...

MORITZ
mit kalter Höflichkeit
Dank, edle Frau! Schon seh ich in der Ferne
Durch Sie erglänzen meines Ruhmes Sterne!

FÜRSTIN
mit zärtlicher Angst
Aber Vorsicht! Sie besitzen
Viele Feinde ...

MORITZ
mit stolz blitzenden Augen
Weiss mich zu schützen!

FÜRSTIN
den Kopf hin und her wiegend
Sie sind mächtig ...

MORITZ
verächtlich die Achseln zuckend
Kümmert mich wenig ...

FÜRSTIN
eindringlich
Fähig zu allem! Voll Leidenschaften;
Heut' bestürmten sie selbst den König ...

MORITZ
lustig
Gilt's meinen Hals?

FÜRSTIN
Sie zu verhaften.

MORITZ
lachend
Die Bastille ist nicht mein Ort ...

FÜRSTIN
erschreckt
Doch was tun Sie?

MORITZ
mit verächtlicher Gebärde
Von hier fort!

FÜRSTIN
fast weinend
Wie Sie nur sprechen! Lang' mussten Sie in der
Ferne weilen
Und wollen wieder fort ohne ein Wort der Liebe?
Und ich soll dulden, dass Sie wie ein Meteor einteilen
Ein Trugbild, grausam enttäuschend dürstende
Herzenstriebe?

MORITZ
nach Worten suchend
Doch ruft die Pflicht mit unbarmherzig strengem Werben
Muss jede Klage schweigen, jedes Gefühl ersterben.

FÜRSTIN
ihm fest in die Augen sehend
Moritz!

MORITZ
kalt
Frau Fürstin!

FÜRSTIN
Du gehst, denn du liebst mich nicht!

MORITZ
Ich rette mich!

FÜRSTIN
mit erhobener Stimme
Du fliehst mich!

MORITZ
Meine Pflicht!

FÜRSTIN
seinen Hals umschlingend
Fühlst du nicht, was die Küsse, die heissen,
Dir sagen, dir klagen ... verheissen?

MORITZ
sein Gesicht abwendend
Der Ruhm und die Ehre rufen mich aufs neue!

FÜRSTIN
die Umarmung lösend
Jetzt lügst du! Die Ehre des Liebenden ist seine.Treue!

MORITZ
Der Augenblick drängt ...

FÜRSTIN
bitter
Mein Auge senkt
Tief sich in deine Seele: du liebst mich noch schwerlich.
Von Überdruss zeuget dein Antlitz; sei ehrlich!

MORITZ
Vor Trug hab ich Scheu,
Jetzt sag ich es frei.

FÜRSTIN
in seiner Miene lesend
Dass eine andre Sie lieben,
Die mehr durchtrieben?

MORITZ
als ob er versuchen will, sich zu rechtfertigen
Ihnen bleib ich ergeben
Fürs ganze Leben!

FÜRSTIN
ungestüm
Wie ist denn ihr Name?

MORITZ
ausweichend
Wozu denn?

FÜRSTIN
noch heftiger
Ich will es wissen! Wie heisst die Dame?
Und du sagst es ...

MORITZ
kühl
Nicht!

FÜRSTIN
drohend
Dann reiss die Maske ich ihr vom Gesicht!

MORITZ
schmerzlich
Gnade, o Fürstin, Gnade!
Matt ist die Seele, ach, und das Ziel in der Weiten,
Soll denn Ihr Vorwurf noch mehr mir bereiten
Qual auf rauhem Pfade?
Viel danke ich Ihnen; ist auch die Liebe geschwunden,
Bleibt doch in Freundschaft mein Herz
Ihnen stets verbunden.

FÜRSTIN
zornig
Flammt Liebe auf,
Ist Freundschaft Aschenhauf!

MORITZ
mit der Hand gegen die Glastür weisend
Was hör ich, Frau Fürstin?

FÜRSTIN
überrascht stehen bleibend
Ein Wagen kommt eben.

MORITZ
Erwarten Sie jemand?

FÜRSTIN
Nein, niemand! Was soll's nur geben?

MORITZ
immer hinausschauend
Er hält am Tor!

FÜRSTIN
erschrocken zusammenfahrend
O Himmel! Es ist mein Gatte!

MORITZ
überrascht
Der Fürst?

FÜRSTIN
blass vor Furcht
Er steigt empor!

MORITZ
bei sich
Er ist's, der mich verfolgt hatte.

FÜRSTIN
entsetzt
Jetzt bin ich verloren!

MORITZ
ritterlich
Ich schütze Sie noch!
Sie fortdrängend
Hinein! Dort!

FÜRSTIN
schwankend
Verloren!

MORITZ
Ich rette Sie doch!


DRITTER AUFTRITT
Der Fürst, der Abbé. Moritz.

FÜRST
mit eleganter Ungezwungenheit
Wir ertappten Sie auf frischer Tat!

ABBÉ
In flagranti!

MORITZ
sich überrascht stellend
Aber meine Herren!

FÜRST
lustig
König im Pikett!

ABBÉ
ihn nachahmend
Ass in Herzen!

MORITZ
teils beleidigt, teils erstaunt
Wollen Sie scherzen!

FÜRST
wie oben
Nein! In der Tat!

ABBÉ
geheimnisvoll
Hab' sie gesehn!

FÜRST
ebenfalls
Ja! Das ist wahr!

MORITZ
sich geschickt verstellend
Wen?

ABBÉ
Die Dame ...

MORITZ
Was?

FÜRST
bei sich
Canaille!

ABBÉ
Weisse Robe!

FÜRST
Schlanke Taille!

MORITZ
immer Unkenntnis heuchelnd
Ich versteh nicht! ...

FÜRST UND ABBÉ
zugleich
Alles ist klar!

MORITZ
ernst
Fürst, hab ich Sie verletzt,
Steh ich zu Ihrer Verfügung!

FÜRST
verwundert
Ein Duell?

ABBÉ
Eben jetzt?

FÜRST
Wollen wir doch lachen ...

MORITZ
spöttisch
Sie vielleicht über mich?

FÜRST
mit feiner Höflichkeit
Ich bin Ihnen ja Dank schuldig ...

ABBÉ
zu Moritz auf den Fürsten zeigend
Schuldig, das sage auch ich!

FÜRST
Die Duclos ...

ABBÉ
Hat mit ihr einst angebandelt.

MORITZ
noch verblüffter als zuvor
Was? Ist's diese?

FÜRST
blasiert
Das ist vorbei.
Wenn Sie sie lieben, mach ich mich jetzt frei!

ABBÉ
listig
Von Ihnen wär's als Freund gehandelt.

FÜRST
affektiert übertrieben
Und mein Herz wär des Dankes voll.

MORITZ
die Verwechslung allmählich begreifend
Jetzt versteh ich: Es soll Ihnen ...

FÜRST UND ABBÉ
zugleich
Nur zum Bruch als Vorwand dienen.

FÜRST
Hand darauf!

ABBÉ
Ohne Groll!


VIERTER AUFTRITT
Adrienne, die Vorigen

ABBÉ
reicht ihr die Hand, um ihr beim Hinaufsteigen behülflich zu sein
Endlich nun hier, Sie Göttliche!

FÜRST
ihr entgegentretend
So grüsst Sie, o Sultanin, denn
Der tapfre Graf von Sachsen.

ABBÉ
Ein Wort genügt schon: »Adrienne«!

ADRIENNE
eine Hand aufs Herz legend
Himmel!

MORITZ
bestürzt
Sie ist's!

ADRIENNE
bezwingt ihre Aufregung und wie im Selbstgespräch
Moritz ... der Graf ... der Held! ...

MORITZ
halblaut
Still!

FÜRST
wieder zu ihnen tretend
Graf! Die grosse Künstlerin will
Sie für einen jungen Fähnrich interessieren.

ABBÉ
Die Liebe lehrt probieren.

ADRIENNE
Moritz bedeutungsvoll ansehend
Jetzt wag ich's nicht mehr.

MORITZ
lächelnd
Warum denn nicht?

ADRIENNE
ebenfalls lächelnd
Weil dieser junge Mann für sich wohl selber spricht.

FÜRST
mit dem Abbé wieder nach hinten gehend
Abbé, dass du die Hauptsache nicht vergisst!

ABBÉ
Das Essen?
Werde mich beeilen.

FÜRST
mit den Augen zwinkernd
Und ich halte Umschau indessen.
leise
Hab in der Falle das Vögelein;
Da drinnen muss es sein.


FÜNFTER AUFTRITT
Adrienne und Moritz.

ADRIENNE
Doch ist es wirklich Wahrheit? Der grosse Moritz: Du?

MORITZ
tut, als ob er sich sträuben will
Und du wolltest ihn verführen? ...

ADRIENNE
ihn voll Bewunderung anschauend
Zu deinem Glück!

MORITZ
lächelnd
Das kannst du!
Mit einem leichten Ausdruck des Missbehagens, doch gerührt
Geliebte!

ADRIENNE
noch leidenschaftlicher
Einer Krone würdig schienest du
Stets mir schon in schlichter Leutnantstracht,
Und Verzeihung für die Täuschung wohl verdienst du,
Hab ich doch so im Traum dich mir gedacht.

MORITZ
versucht ihr den Mund zu schliessen
Adrienne, o schweige!

ADRIENNE
Lass mich dir sagen ...

MORITZ
Nein! ach, zweifelsohne
Bist du mein Sieg im Kampfe, du: meine junge Krone,
Dein Lächeln gleicht der Küste,
Die sturmgepeitschtem Schiffer still winkt mit
Baumund Halme;
Du bist mein schimmernd Banner und meines
Friedens Palme.

ADRIENNE
in Verzückung
Ich bin nur ein Strahl von deiner Sonne,
Ein Blättchen, das zu deinem Kranze gehörte;
Du schreibst in die Weltgeschichte
Dich ein mit scharfem Schwerte
Ich gleich der abgeschnittnen Blüte,
Vergessen, welk ich hin!

MORITZ
wider Willen hingerissen
O Angebetete! Was auch im ganzen Leben
Mir Schönes noch erblüh,
Du bleibst mein höchstes Streben,
Die höchste Poesie!
Sie liebkosend
Mein Herzchen!
Macht sich eilig frei
Doch jetzt gehe!
nach hinten weisend
Sieh nur, sie kommen schon.


SECHSTER AUFTRITT
Der Abbé, Michonnet und die Vorigen.

MICHONNET
flehend
Mein Herr Abbé,
Nun erlaubt, dass ich geh!
trocken
Es tut mir leid! ...

MICHONNET
Es drängt die Zeit.

ABBÉ
fortfahrend, Sträusse zu binden
Es heisst die Ordre ...

MICHONNET
Ich aber fordre ...

ABBÉ
feierlich
»Hinein darf jeder, doch keiner hinaus«!

MICHONNET
beharrlich
Ich hab den Auftrag, dass eine neue Rolle
Sofort besprechen ich solle
Mit der Duclos.

ABBÉ
dreht den Kopf
Mit der Duclos?

MICHONNET
Bin vor Tageshelle
Wieder hier zur Stelle.

ABBÉ
bricht in Gelächter aus
Brauchen nicht zu gehen! ...

MICHONNET
erstaunt
Wie soll ich's verstehen?

ABBÉ
boshaft, indem er ein Sträusschen zusammenbindet
Heute zum Mahle
Sehn hier im Saale
Die Schöne wir:
Sie ist schon hier.

ADRIENNE
in banger Erregung
Sie hier? Wie heiter!

MICHONNET
erstaunt
In Wahrheit! Und weiter?

ABBÉ
widrig geziert
Hier kommen heute
Zwei Liebesleute
Heimlich zusammen,
Durchglüht von Flammen
Des Götterpaares
Venus und Ares.
weist auf Moritz

ADRIENNE
sich an einer Stuhllehne festhaltend
Der Graf?

MORITZ
in drohendem Tone zum Abbé
Nicht wahr!

ADRIENNE
mit schwacher Stimme zum Abbé
Bitte sehr!

MORITZ
laut zum Abbé
Sie schweigen! Noch einmal: Sie schweigen!
's ist Lüge!

ABBÉ
sich ereifernd
's ist Wahrheit!
auf die Türe rechts zeigend
Man findet dort
Sie auf mein Wort!

ADRIENNE
aufspringend
Ich selbst will ...

MORITZ
leise zu Adrienne
Nur ein Wörtchen!

MICHONNET
entschlossen
Ich will hinein!


SIEBENTER AUFTRITT
Der Abbé, Adrienne, Moritz.

MORITZ
sehr schnell und geheimnisvoll
Adrienne, bitte, hören Sie! Einem politischen Ziele
Gilt heut mein Hiersein.
Mein künftiges Königreich steht auf dem Spiele.

ADRIENNE
zweifelnd
Und die Duclos?

MORITZ
ihre Hände ergreifend
Sie ist's nicht, – das schwör ich
Bei meiner Ehre! Du glaubst mir.

ADRIENNE
Ja!

MORITZ
zärtlich, auf das Kabinett zeigend
Und dich nun beschwör ich:
Der Abbé darf nicht in jenes Zimmer; dort hält verborgen
Sich jene Dame. Ferner muss ich vorsichtig sorgen,
Ihr zur Flucht zu verhelfen;
Doch du darfst sie nicht sehen!
Willst du's versprechen?

ADRIENNE
edelmütig
Gehn Sie ruhig! Ich werd' sie zu schützen verstehen!

MORITZ
küsst ihr beide Hände
Ach! Dank! Dank! Leb wohl, Geliebte!

ADRIENNE
bei sich
Er schwur bei seiner Ehre!
Nein! Er kann nimmer lügen!
Ich auch halt', was ich schwöre!


ACHTER AUFTRITT
Michonnet, Adrienne, der Abbé.

ADRIENNE UND ABBÉ
zugleich
Nun, stimmt es?

MICHONNET
wirft sich auf einen Stuhl
Welch Qui pro quo!
Die Täuschung ist fein!
's ist nicht die Duclos!

ADRIENNE UND ABBÉ
in demselben Tone
Wer kann es nur sein?

MICHONNET
sehr leise
Nur stille! S'ist ein Staatsgeheimnis!

ABBÉ
losprustend
Sie Kunkel!

ADRIENNE
Sie sahen sie doch?

|MICHONNET
mit komischer Verzweiflung
Tief war das Dunkel!
Die Hand ausstreckend, fühl' ich eine
Nadel mich stechen ...
"Wer sind Sie?« hör' schmeichelnd ein
Stimmchen ich sprechen,
»Ein Irrtum muss walten!
Ich bin nicht, für die Sie mich halten!
Wenn schnell mir die Hilfe zur Flucht Sie verleihn,
Sollen mit mir Sie zufrieden wohl sein.«

ADRIENNE
lachend
Seltsam Abenteuer!

ABBÉ
ungläubig
Das ist nicht geheuer;

ADRIENNE
Und dann?

MICHONNET
Ging ich fort! Was sollt ich noch mehr?

ABBÉ
Was mehr? Sie sehen! Ein Licht bringt mir her!

ADRIENNE
zum Abbé
Fremd Geheimnis zu hüten,
Wird der Anstand gebieten.

ABBÉ
stellt sich, als ob er sie nicht begreift
Des Grafen Geliebte ...!

ADRIENNE
lächelnd, aber entschlossen
Abbé, jetzt haltet ein!
Hier kommt niemand hinein!

ABBÉ
bleibt ärgerlich mit dem Licht in der Hand stehen
Wie steht's mit dem Fürsten?

ADRIENNE
hell auflachend
Den freut nur dieser Streich!
Die Schöne hat nichts begangen!

ABBÉ
ebenfalls lachend
Das sag ich ihm sogleich!


NEUNTER AUFTRITT
Adrienne und Michonnet.

MICHONNET
Was sinnst du so, Adrienne?

ADRIENNE
hebt den Kopf und zeigt auf das Kabinett
Wie die Dame ich behüte ...
Wer sie auch sei!

MICHONNET
geschmeichelt
Gilt's mir?

ADRIENNE
in Gedanken vertieft
Nein!

MICHONNET
schmerzlich betroffen
Seinetwegen? Zuviel Güte!

ADRIENNE
ihn streichelnd
Hab's ihm versprochen!

MICHONNET
wischt sich mit dem Rücken der Hand die Augen
Wie leichtsinnig!
Wir sind arm ... bürgerlichen Blutes!
Was kümmern uns die Grossen?
Uns kommt von dort nichts Gutes!

ADRIENNE
etwas ärgerlich
Ich will es!

MICHONNET
mit Tränen in der Stimme nachgebend
Was soll ich tun?

ADRIENNE
sogleich wieder begütigt auf die bewusste Tür zeigend
Sieh, dass niemand hier hineingeht!

MICHONNET
resigniert
Ich will's tun!


ZEHNTER AUFTRITT
Adrienne, dann die Fürstin.

ADRIENNE
einen plötzlichen Entschluss fassend
Es Sei!
klopft dreimal an die Türe
Keine Antwort!
mit gedämpft kräftiger Stimme
Bitte öffnen! Ich bitte, meine Dame.
Macht auf! Im Namen Sachsens!
Drauf hätt' ich geschworen!

FÜRSTIN
auf der Schwelle
Sein Name!
Was wollen Sie?

ADRIENNE
mit edlem Schwunge, doch mit gedämpfter Stimme
Sie retten!

FÜRSTIN
noch etwas ängstlich
Doch wie nur? Verschlossen sind Garten und Haus.

ADRIENNE
zieht aus dem Mieder einen kleinen Schlüssel hervor
Dieser Schlüssel hilft Ihnen schnell hinaus;
Ein Schritt nur, und Sie sind frei!

FÜRSTIN
zaghaft und zögernd die Hand ausstreckend
Dank!

ADRIENNE
nach ihrer Hand suchend
Doch Sie verstehen ...

FÜRSTIN
den Schlüssel nehmend
Geben Sie nur!

ADRIENNE
Sie müssen unbemerkt hinuntergehen!
Ich bin hier fremd;
Sie können auf meinen Rat nicht hoffen.

FÜRSTIN
fröhlich
Ich bin hier bekannt.
Der geheime Ausgang hier ...
Da! Er ist offen!
Adriennes Hand ergreifend
Doch Sie, wer sind Sie?

ADRIENNE
abwehrend
Was tut's? O gehen Sie!

FÜRSTIN
auf ihrer Frage beharrend
Viel schuld ich Ihnen!

ADRIENNE
wie oben
Vergessen Sie!

FÜRSTIN
sucht Adriennes Züge zu erkennen
Ich möcht Sie sehen!

ADRIENNE
wie oben
Dazu darf's nicht kommen!

FÜRSTIN
betroffen, bei sich
Die Stimme hab ich doch oft vernommen!
Frau Herzogin! Sind Sie es?

ADRIENNE
einen Schritt zurückweichend
Nein!

FÜRSTIN
Warum so neimlich?

ADRIENNE
drängt sie gegen die offene Tür
Es wächst die Gefahr! Die Sekunden verrinnen.

FÜRSTIN
auf einmal argwöhnisch geworden
Wer konnte den Plan, mich zu retten, ersinnen?

ADRIENNE
arglos
Er, der mir alles sagt!

FÜRSTIN
ihre Stimme erhebend
Was heisst das? Das ist gewagt!

ADRIENNE
erstaunt
Wen darf es kümmern? Ist es ein Verbrechen?

FÜRSTIN
noch mehr erregt
Wer hat das Recht, von Moritz zu sprechen?

ADRIENNE
plötzlich die Sachlage erratend
Und was soll es bedeuten, dass Sie ihn nannten,
Wie man nur nennen darf ... einen Verwandten?
Wie Sie verstummen! ... Jetzt grade sprechen Sie!
Wie Ihre Hand so zittert!
mit einem Schrei
Ihn lieben Sie!

FÜRSTIN
sich von ihr losreissend
Ja, mit der Angst, den feurigen Ergüssen,
Die erschliessen uns erst müssen
Das unberührte Herz.
Er ist der Meine,
Darf allein
Mir gehören!
Nichts kann stören,
Was gewähren
Mir seine Liebe will.

ADRIENNE
wie oben
Ich bin die Seine!
Siegerin in allem bliebe
Meine Liebe!

FÜRSTIN
mit wachsender Leidenschaft
Er ist der Strahl, der flammend weckt
Zu frohem Triebe
Schlummernde Liebe,
Wenn noch trübe
Die Nacht dahinschwebet!

ADRIENNE
wie verzückt
Er ist der König meiner sel'gen Träume,
Er der Bronnen meiner Wonnen,
Der mich zur Sonne,
Zum Himmel erhebet.

FÜRSTIN
jäh losbrechend
Ah! Ich entlarve dich!

ADRIENNE
sich beherrschend
Und wer sind Sie?

FÜRSTIN
wütend
Ich bin mächtig!

ADRIENNE
kalt, verächtlich
Nein! Sie fürchten mich!

FÜRSTIN
mit dem Ausdruck tiefsten Hasses
Ich verachte dich, ich zertrete dich!

ADRIENNE
stolz und spöttisch
Ich ... rette Sie!

FÜRSTIN
ausser sich, einen Schritt vortretend
Genug! Gott! Es ist mein Gatte!

ADRIENNE
überrascht, doch froh
Der Fürst ist es! Nun bleiben Sie!

FÜRST
Himmel!

ADRIENNE
Schnell doch! Bringt Licht her!
Viele Lichter!
laut zum Fürsten
So kommen Sie doch endlich!
für sich
Entflohen! ... Feige!


ELFTER AUFTRITT
Michonnet, Adrienne.

MICHONNET
Du hast sie gerettet?

ADRIENNE
mit einem Seufzer, einen Schritt vortretend
Ja!

MICHONNET
Ganz sicher war es jene, die durch den Garten eilte
mit diesem Grafen von Sachsen.

ADRIENNE
bleibt stehen, wie ins Herz getroffen
Himmel!

MICHONNET
fortfahrend
Und es verlor auf der Treppe dieses Halsband die
Schöne ... Ich hab's gefunden!

ADRIENNE
greift lebhaft danach
Geben Sie's!
nachdem sie es angesehen
Und der Graf?

MICHONNET
Mit ihr ging er hinaus.

ADRIENNE
schwankend
Mit ihr!
ohne ihre Aufregung zu bemerken
Der Glückliche!
mit erstickter Stimme
Alles ist aus!

Der Vorhang fällt

DRITTER AUFZUG
Das Palais Bouillon.

ERSTER AUFTRITT
Der Abbé und mehrere Diener.

ABBÉ
zu den Dienern, wichtig
So nicht! Bleibt nur davon!
Das mach ich selber schon!
Geschmack bei solchen Leuten!
Der Fürst hat mich bestellt,
Das Fest ihm zu bereiten,
Ganz, wie es mir gefällt.


ZWEITER AUFTRITT
Die Fürstin, der Abbé, die Diener.

FÜRSTIN
überlegend, bei sich
Ach! Dieses Weib, die Rivalin! O könnt
Ich entdecken, was sie ist, wie sie aussieht, sich nennt!
Was will, was plant sie? Den Liebsten mir zu rauben?
Nein! Das darf Gott im Himmel niemals erlauben!

ABBÉ
zu den Dienern
Den Kandelaber links und diese Vase ... hier!

FÜRSTIN
langsam auf und abgehend
Sie sprach: »Er, der mir alles sagt!« Alles?
Ist das der Lohn, weil ich ihm gab mein Alles?
Er ist gefangen, ... aber mein spottet jene!
Diese Stimme, deren tiefe Töne
Schmeicheln, töten, bald zürnen und bald scherzen,
Klinget voll Zauber stets in meinem Herzen.


DRITTER AUFTRITT
Die Fürstin. Der Abbé.

ABBÉ
mit einer Verbeugung, zärtlich
Sie, gnäd'ge Fürstin? Strahlender als die Morgenröte ...

FÜRSTIN
mit spöttischem Lächeln
Wenn sie entschwunden?

ABBÉ
küsst ihr die Hand
Immer! Sie sind die Sonne, die die stete
Nacht dort am Pole erleuchtet!

FÜRSTIN
sich im Spiegel betrachtend
Ach! Stets das alte Lied!

ABBÉ
galant
Ihnen gefällt's nicht? ... Hab kein anderes!

FÜRSTIN
trocken
Lassen Sie's, hab genug davon! Wie sieht
Denn heute mein Kleid aus?

ABBÉ
beugt sich vor, um besser zu sehen
Weh mir!

FÜRSTIN
immer vor dem Spiegel
Und das Mieder?

ABBÉ
mit lüsternen Blicken ihren Hals betrachtend
Ich Armer!

FÜRSTIN
mit einem Seitenblick auf ihn
Was gibt's wieder?

ABBÉ
schwer seufzend
Wie Sie sehen! Ach! Ach! Ich seufze!

FÜRSTIN
verächtlich
Warum?

ABBÉ
mit gefalteten Händen
Wie grausam!

FÜRSTIN
mit dem Finger drohend
Abbé!

ABBÉ
süsslich
Sagen Sie, dass Amor, der Schlimme,
Stets treu in seinem Beruf,
Auch Ihr Herz nimmer im Grimme
Aus totem Marmor schuf.
Und wär es doch geschehen –
O, Galathé, Königin! –
So wollen Sie nun sehen,
Dass ich Pygmalion bin.
Sagen Sie, sagen Sie ...

FÜRSTIN
achselzuckend
Sagen Sie nicht solchen Unsinn!

ABBÉ
trostlos
Die Kunst hat zu entscheiden!

FÜRSTIN
lächelnd
Der Fürst kann ja, wie Sie wissen, Mythologie
nicht leiden ...

ABBÉ
mit einer zweideutigen Gebärde
Ein Chemiker! ... begreiflich!

FÜRSTIN
mit dem Kopfe nach hinten deutend
Doch stille! Er ist ja da!

ABBÉ
dreht sich um
In fabula!

FÜRSTIN
gleichgültig
Den Puder!

ABBÉ
verwirrt
Wo denn! Wo ist er?

FÜRSTIN
wendet sich zu einem Diener, der mit einer Dose in der Hand zurückkommt
Da!


VIERTER AUFTRITT
Der Fürst, die Vorigen.

FÜRST
zu den Dienern
Zum blauen Pavillon dort tragt alles hin, ihr Leute;
zum Abbé
Aus meinem Laboratorium vertreibt das Fest mich
heute!

FÜRSTIN
vom Spiegel her, mit dem Fusse stampfend
Den Puder, schnell doch!

ABBÉ
nimmt dem Diener das Gefäss aus den Händen
Hier ist er!

FÜRST
reisst es ihm wieder weg
Abbé, bist du verrückt?
Das war ein Puder! ... Gefährlich!

ABBÉ
Sie scherzen?

FÜRST
Aber schwerlich!
Weiss wie der Schnee,
Leicht wie 'ne Fee,
Ein Pulver von Orest,
Der Hydra Aschenrest!
Wie man es mache,
Zeigt es der Rache!
Stumm ist der Täter
Für den Verräter.
Hilft auch den Erben,
Dass andre sterben;
Waffen, nur eigen
Falschen und Feigen;
Lauert in Ringen,
Den Tod zu bringen;
In Wein gegeben,
Raubt es das Leben;
Im Tee selbst droht
Dir es den Tod.

ABBÉ
entsetzt zurückweichend
Barmherz'ger Himmel!

FÜRSTIN
interessiert näher kommend
Ein starkes Gift?

FÜRST
zwischen Scherz und Ernst
Es können viele davon sterben!

FÜRSTIN
Ist es vielleicht das berühmte »Pulver lauernder Erben«?

FÜRST
wichtig
Das ist es! Und mir vertraute das Gericht die Sache
Zur Untersuchung, wie es ...

ABBÉ
wieder näher kommend
Sie sind berühmt in dem Fache!

FÜRSTIN
streckt die Hand aus
Ich möchte einmal sehen ...

FÜRST
ausweichend
Behüte! Schon der Geruch ...

FÜRSTIN
lachend
Im Taschentuch ...

FÜRST
Tötet. Jetzt muss ich gehen.

ABBÉ
mit einer Gebärde des Entsetzens
Mir graut!


FÜNFTER AUFTRITT
Die Fürstin, der Abbé.

FÜRSTIN
Jetzt gilt's zu wissen vom Grafen von Sachsen,
Wer jetzt sein neues Liebchen ist
Nun! Sie schweigen?

ABBÉ
das Kinn in die Hand stützend
Ich suche!

FÜRSTIN
achselzuckend
Finden Sie!

ABBÉ
wie plötzlich von einem Gedanken erleuchtet
Frau Vaudemont ... möglich!

FÜRSTIN
lachend
Haha! Sie scherzen! Krächzt wie eine Elster!

ABBÉ
kratzt sich den Kopf
Und die Baronin d'Aspre?

FÜRSTIN
noch mehr lachend
Fistelstimme!

ABBÉ
verzweifelt
Vielleicht die Herzogin?

FÜRSTIN
betroffen
Wie? Athénaïs, die mich liebt?

ABBÉ
wieder Hoffnung schöpfend
Das tut nichts!

FÜRSTIN
noch unruhiger, überlegend
Ja, wirklich! In ihrer Stimme gibt
Es etwas Süsses ... Himmel! wenn sie es wäre!

ABBÉ
strahlend
Wir werden sehen!


SECHSTER AUFTRITT
Der Haushofmeister, die Herzogin von Aumont, die Vorigen.

HAUSHOFMEISTER
anmeldend
Die Herzogin von Aumont!

ABBÉ
dreht sich überrascht um
Siehe, da ist sie!

FÜRSTIN
liebenswürdig
Wie stets die Erste! Willkommen!


SIEBENTER AUFTRITT
Die Marquise von Vaudemont, die Baronin d'Aspre, der Fürst und die Vorigen, später noch andere Damen und Herren.

FÜRSTIN
Ach! alles so entzückend!

ABBÉ
Welche selt'nen Diamanten!

FÜRST
Und die Rosen ... berückend!

FÜRSTIN
Unser Fest soll Sie erfreuen!

ABBÉ
Es kommt die Lecouvreur!

FÜRSTIN
Und das Urteil des Paris dann ...

ABBÉ
Ist ein Zauber, ein Wunder!

FÜRSTIN
Und das Ballett von Champfleur!

FÜRST
Wie ich heute so glücklich bin!

ABBÉ
Ja! Dieses gilt der Fürstin!

FÜRSTIN
Nein! wohl der grossen Künstlerin!


ACHTER AUFTRITT
Der Haushofmeister, dann Adrienne, Michonnet und die Vorigen.

HAUSHOFMEISTER
aus dem Hintergrunde anmeldend
Fräulein Lecouvreur!

FÜRST
zu Adrienne
Sie kommen!
Bin beglückt, Ihren Liebreiz in der Nähe
Zu bewundern ... ich danke Ihnen

FÜRSTIN
liebenswürdig zu Adrienne
Willkommen!
Indem sie Adrienne, zurücktretend von oben bis unten betrachtet, für sich
Dass ich ihre Diamanten von der Königin nicht sehe! Ihr die Herzogin vorstellend
Die Herzogin von Aumont.

ADRIENNE
mit aufrichtiger Bewegung
Ich danke Ihnen!
Es verwirrt, es ergreift mich die Ehre, so gross!

FÜRSTIN
bei dem Klang ihrer Stimme erschreckt zusammenfahrend, bei sich
Himmel!

ADRIENNE
fortfahrend
Die Künstlerin kann als Magd nur der Muse dienen,
Doch alle Anmut, alle Wonnen schufen Ihnen
Ein glänzend Los.

FÜRSTIN
im Gehen bei sich
O diese Stimme!
Kann es sein? Ich wag's nicht auszudenken!
Eine Künstlerin! Doch warum nicht?
Das ist die Stimme!
Sieh nur, wie alle sie feiern! Jetzt will ich Licht!

ABBÉ
zum Fürsten
Fürst, soll's beginnen?

FÜRST
Warten wir auf den Grafen!

FÜRSTIN
mit Betonung
Dann warten Sie vergebens!
Erschrickt sie? Diese Worte trafen!

FÜRST
Warum? Hat nicht die Liebe ihm schnell
Das Gitter geöffnet?

FÜRSTIN
bei sich
Sie lauscht.
laut
Sie wissen doch? Sein Duell ...

ADRIENNE
auffahrend, mit erstickter Stimme
Ein Duell?

FÜRSTIN
wie oben
Jetzt wird sie blass.
laut
Dem Abbé erzählten's die Diener soeben.

ABBÉ
verblüfft
Mir?

FÜRSTIN
leise zum Abbé
Stille!
laut, Adrienne ansehend
Er sei verwundet. Man fürchte für sein Leben ...
Das Fräulein fällt in Ohnmacht!

MICHONNET
verzweifelt
Hör doch, Adrienne!

DIE DAMEN
helfend
Himmel!

ADRIENNE
richtet sich wieder auf
Es ist nichts! ... Die Hitze ...
Die Lichter ...
zur Fürstin, die sie von der Seite ansieht
Danke, Frau Fürstin!
bei sich, verwirrt
O, mich schrecken ihrer Augen Blitze!

FÜRSTIN
zum Abbé, der nichts begriffen hat
Dummkopf!


NEUNTER AUFTRITT
Der Haushofmeister, dann Moritz und die Vorigen.

HAUSHOFMEISTER
ruft von hinten
Der Graf von Sachsen!

ADRIENNE
aufatmend
Ah!
Sie ist im Begriff, auf Moritz zuzueilen, Michonnet
hält sie zurück.


MICHONNET
leise zu Adrienne
Bleibe hier! Du wirst dich verraten!

FÜRST
lustig
Welche Faxen!
Graf! Man sprach davon, dass Sie verwundet wären.

MORITZ
lachend
O, nicht doch!
Seit König Karls Tod kann Schweden sich nicht
mehr wehren.

FÜRST
Und Kalkreutz also raus?

MORITZ
Ihn entwaffnen war nicht schwierig.
halblaut zur Fürstin
Ich kam um Ihretwillen!

FÜRSTIN
leise, entzückt
Dank!

MORITZ
wie oben
Erst wollte von hier ich
Fort im stillen. Aber nach Ihrer Helfertat
Muss ich noch sehen, sprechen Sie.

ADRIENNE
Sie reden jetzt so leise ... o Zweifel! Wäre die...
Wohl die feine Dame?

MORITZ
zur Fürstin
Hätte Ihnen was zu sagen.

FÜRSTIN
leise zu Moritz
Wenn alle fortgegangen, später ...

ADRIENNE
bei sich
Kann's nicht mehr ertragen!

MORITZ
zu Adrienne
Mein gnäd'ges Fräulein!

FÜRST
zu Moritz
Graf! Jetzt solln Sie nicht entrinnen,
Ohne uns Ihre kühnste Tat erzählt zu haben.

MORITZ
fröhlich
Könnt' ich mich nur noch besinnen ...

ABBÉ
zu Moritz
Bitte, bitte!

FÜRST
Ich würde wählen
Die Belagerung von Mitau.

ABBÉ
Lassen Sie sich nicht quälen!

MORITZ
mit epischer Bescheidenheit
Das ging sehr einfach zu. Der Russe Menzikoff
Empfing die Weisung, mit List mich gefangen zu
nehmen
In meinem Palaste. Es war eine Heeresmacht
Gegen eine Handvoll Leute, eins gegen fünfzehn.
Doch wie einst in Bender dem König Karl,
So ging es mir:
Feinde und Freunde zähle ich meistens nicht.

ALLE
Ruhm und Heil Moritz! Er zählt sie nicht.

MORITZ
lebhaft werdend
Die Meinen suchen Schutz hinter jedem Vorsprung,
Drei Tage rast und wirbelt der höllische Tanz,
Drei Tage pfeift der Tod und mäht mit blutiger Sense,
Da bläst von draussen her zum Sturm der Hörner Ton:
Gefährlicher Augenblick! Was hilft noch aus der Not?
Die letzte Losung heisst! Jetzt Sieg oder Tod!

ALLE
Hoch lebe Sachsen! Sieg oder Tod!

MORITZ
von der Erinnerung hingerissen
Die Fackeln rauchen schon, fertig zum Brande ...
Da roll ich selber schnell zum Eingangstore hin
Die Pulvertonne ... jetzt noch die Lunte ...
Und ... hundert Kosaken sind in die Luft geflogen!
Während alle Feinde fliehen, sammeln die Freunde sich
Und ... so kann jetzt ich's erzählen mit ruhigem Blut

ALLE
lebhaft begeistert
Hoch lebe Kühnheit! Hoch lebe Mut!

FÜRST
zu den Herren
Nach Mars: Terpsichore,

ABBÉ
zu den Damen
Nach heissem Kampf: die Minne.

FÜRST
zum Abbé
Jetzt gib das Zeichen, dass das Urteil des Paris beginne!


ZEHNTER AUFTRITT
Das Tanz-Divertissement

UNSICHTBARER CHOR
Schlafe, schlafe, o Hirtenknabe!
Wachzurufen Tod und Schrecken,
Lässt dich Amor grausam wecken;
Schlafe still wie im Grabe!
Hüte dich, schöner Hirtenknabe!
Würmer wohnen oft in Früchten;
Zwietracht will jetzt ihr Werk verrichten;
Fürchte den Geber und die Gabe!
Tugend nicht, noch Weisheit, Anmut
Können würdig des Preises scheinen;
Nur wo alle sich vereinen in der Einen –
Der gebührt er.

ABBÉ
leise zur Fürstin, auf Moritz deutend
Die Herzogin ist's sicher!

FÜRSTIN
achselzuckend und leise zum Abbé
Sie verstehen gar nichts.

ABBÉ
ganz bedrückt
So ist es!

FÜRSTIN
zu den Damen, auf Moritz weisend
Die Schöne des Grafen ... Wer sie sein mag? Nun ... sich zu Adrienne wendend
Ich denk das Fräulein wüsst es!

ADRIENNE
zusammenfahrend
Ich?

FÜRSTIN
mit feiner Bosheit
Denn man sprach am Hofe von einer Komödiantin ...

ADRIENNE
den Hieb zurückgebend
Und im Theater von einer hochgestellten Intriguantin ...

FÜRSTIN
in demselben Tone fortfahrend
Ein geheimes Begegnis ...

ADRIENNE
ebenso
Ja! Ein nächtlich Ereignis ...

ABBÉ
ganz verdutzt
Die Sache scheint pikant.

EINIGE DAMEN
angeregt
Der Fall ist amüsant.

ABBÉ
ungläubig
Doch wo sind die Beweise?

FÜRSTIN
Adrienne fixierend
Ein Veilchensträusschen, blühend
Geschenkt dem Helden ...

ADRIENNE
zusammenfahrend, bei sich
Das meine!
Die Fürstin fest ansehend
Nein, ein Armband, das fliehend verlor die Dame!

FÜRSTIN
erschreckt bei sich
Das meine!

EINIGE DAMEN
lachend
Das klingt wirklich chinesisch!

ABBÉ
ebenfalls lachend
Eine span'sche Romanze!

ADRIENNE
nachdrücklich
Nein! Das ist echt französisch!
Und übrigens ...
Das Armband ... ich hab's bekommen ... 's ist mein!
Hier ist es!

ABBÉ
zu den Damen
Prächtig!

DIE DAMEN
es neugierig betrachtend
Wunderbar!

FÜRSTIN
mit erheuchelter Gleichgültigkeit
Die Arbeit ist fein!


ELFTER AUFTRITT

FÜRST
neugierig zu den Damen
Was gibt's hier, mit Verlaub?

ABBÉ UND DAMEN
Es ist was Rares!

FÜRST
lächelnd
Das Armband meiner Gattin ...

FÜRSTIN
bei sich, einen wütenden Blick auf Adrienne werfend
Sie war es!

ADRIENNE
mit einem Blick auf die Fürstin
Sie war es!

FÜRSTIN
zu Adrienne, mit falscher Freundlichkeit
Sie werden doch den Genuss uns gewähren,
Als Künstlerin Sie zu hören.

ADRIENNE
sich mit Mühe beherrschend, bei sich
Noch sprechen? Vor ihr?

MICHONNET
halblaut zu Adrienne
Vorsicht!

FÜRST
zu Adrienne
Was wünschen Sie vorzutragen?

FÜRSTIN
mit Beziehung
Der verlassnen Ariadne bitt're Klagen?

ADRIENNE
mit vor Zorn erstickter Stimme, bei sich
Zuviel ist's!

FÜRST
Lieber: Phädra; die Szene muss berauschen!

ADRIENNE
entscheidet sich plötzlich
So sei es Phädra!

ALLE
Wir lauschen!

ADRIENNE
nach rechts gewendet
O ihr Götter! Was hab' ich begangen?
Mit dem Gatten zugleich soll den Sohn ich empfangen?
Er, der Zeuge der schändlichen Tat, soll mich sehn
Vor dem Vater in feigem Zittern vergehn?
Und die Seufzer, von welchen die Brust mir erfüllt,
Und den Tränenstrom verspotten, der dem Aug' mir
entquillt?
Wird, da Theseus besorgt, er zurück davor schrecken.
Mein entsetzlich Geschick vor der Welt aufzudecken?
Dass der Trug gegen Vater und König mir glückt,
Dass er kämpfend den Abscheu vor mir unterdrückt?
Doch umsonst wär' sein Schweigen! Auf der Stirne
steht geschrieben
Mir die Schuld! Ich kann mich nicht verstellen, wie
es lieben
Jene schändlich frechen Weiber, die schwelgen im
Verrat,
Deren eisige Stirne nicht mehr errötet, vor keiner Tat!

FÜRSTIN
klatscht in die Hände
Bravo!

ALLE
applaudierend
Bravo! Ganz himmlisch!

MICHONNET
zu Adrienne
Wie konntest du so sprechen!
Was soll das geben!

ADRIENNE
ungestüm
Ich musst mich rächen!

FÜRSTIN
bei sich, wütend ihr Taschentuch zerreissend
Ha! Diesen Schimpf vergess ich ihr nie!

ADRIENNE
zum Fürsten, der kommt, um ihr einige Schmeicheleien zu sagen
Ach! Sie verzeihn! Ich muss jetzt gehn!

FÜRST
ihr die Hand küssend
Dank! Grosse Künstlerin!

FÜRSTIN
eilig zu Moritz
Bleib hier!

ADRIENNE
halblaut zu Moritz
Folge mir!

MORITZ
leise zu Adrienne
Auf morgen früh!

Der Vorhang fällt

VIERTER AUFZUG


ERSTER AUFTRITT
Michonnet, ein Kammermädchen.

MICHONNET
in beruhigendem Tone zu der Dienerin
Sie wird noch schlafen! Künstlerinnen pflegen
Stets noch zu schlafen, wacht schon längst die Welt;
Doch, wenn sie aufwacht, wird es ihr bestellt,
Das ich hier sehnend harre ihr entgegen.
Schweige, mein altes Herz!
Und murre nicht! so schwer
Vor herbem Liebesschmerz!
Mach's wie die Uhr, o hör'!
Die treulich dich begleitet allerwärts,
Sie schweigt, sie schlägt nicht mehr!
Sie schläft? Nein! schlafen kann sie nicht!
Getäuschter Liebe Schmerz
Macht krank ihr mutlos Herz;
Zu spät erfuhr ich, woran es blutend bricht.
Sie müssen damit eilen!
Vielleicht wird dies sie heilen.


ZWEITER AUFTRITT
Adrienne, Michonnet.

ADRIENNE
Mein lieber Freund!

MICHONNET
aufspringend
Mein Kindchen!
Warum bist du nicht heiter?

ADRIENNE
näherkommend
Ich schliess' kein Auge ...

MICHONNET
den Kopf schüttelnd
Noch immer?

ADRIENNE
seufzend
Immer!

MICHONNET
mit mildem Vorwurf
So geht's nicht weiter!

ADRIENNE
achselzuckend
Wie denn anders?

|MICHONNET
wie oben
Denk ans Theater!

ADRIENNE
mit Abscheu
Mag ich nimmer!

MICHONNET
eindringlich
Deinen Ruhm dann!

ADRIENNE
mit schneidendem Lachen
Ein Blendwerk.

MICHONNET
Deine Carrière?

ADRIENNE
Eitler Schimmer!

MICHONNET
weich werdend
Und der dich liebet?

ADRIENNE
bitter
Wer ist's?!

MICHONNET
stammelnd
Ich selber:

ADRIENNE
erstaunt
Sie!?

MICHONNET
sich verbessernd
Ja! Wie ein Vater musst du wissen.

ADRIENNE
mit einem Schmerzensschrei
Ach, nein! Ich kann nicht mehr,
Da drinnen ist alles wie zerrissen.
Mir brennt die Stirn!
Aber kalt ist mein Geist und erstorben.
Ich denk an nichts mehr! ausser –

MICHONNET
angstvoll
Woran? Ärmste! o sprich!

ADRIENNE
einige Schritte vortretend, leidenschaftlich
An jenem Abend, wie ich Rache nahm.

MICHONNET
sich die Augen wischend
Welch tollkühner Mut!

ADRIENNE
noch erregter deklamierend
Sahen Sie denn nicht sie zittern,
Ersticken fast vor Wut,
Blutig sich beissen die Lippen,
Erbleichen, fürchtend Verrat,
Als ich sie anschrie!
Die nicht mehr errötet! vor keiner Tat!
Doch, was schwatze ich! Die hohe Dame,
Mein Glück will sie vernichten.
Ich zahl's ihr heim.

MICHONNET
furchtsam
Wohin willst du?

ADRIENNE
versucht an ihm vorbeizukommen
Sie zu richten?

MICHONNET
stand haltend
Was wird dann?

ADRIENNE
entschlossen
Was liegt dran?

MICHONNET
flehend
's ist dein Untergang! Lass ab!

ADRIENNE
halb nachgebend
Soll ich in Qual mich langsam verzehren!
Besser das Grab!

MICHONNET
seine Tränen unterdrückend, mit sanfter Überredung
Nimm nur! es wird dir gut tun?

ADRIENNE
widerstrebend
Was ist's?

MICHONNET
Geschwind!
Es wirkt wunderbar heilend!

ADRIENNE
stösst ihn mit einer Gebärde des Zornes zurück
Das hilft mir gar nichts!

MICHONNET
stellt die Tasse wieder hin, mit zärtlichem Ton
Mein Kind!
O gräm' dich nicht, o weine nicht!

ADRIENNE
sich ganz ihrem Kummer überlassend
Die Qual ist ja zu fürchterlich!

MICHONNET
ebenfalls weinend
Fasse Mut! Auch andere leiden!
Die Liebe quält auch mich!

ADRIENNE
ihn unter Tränen ansehend
Auch Sie?

MICHONNET
zwingt sich zu einem Lächeln
Dir scheint es unerhört?

ADRIENNE
Ist's wirklich wahr?

MICHONNET
Was willst du? Die Lieb ist blind;
Hat jung und alt betört!

ADRIENNE
ihr eigenes Leid vergessend
Auch Sie? Wer brachte Sie ins Unglück?

MICHONNET
Ach! mein törichtes Streben!

ADRIENNE
Sie haben viel gelitten?

MICHONNET
Ja! Und muss doch leben!

ADRIENNE
fällt in ihren Kummer zurück
Ich muss dran sterben!
Ich fühl' es! ich muss dran sterben!

MICHONNET
halb ernst, halb scherzend
Solche Krankheit bringt Verderben!

ADRIENNE
gleichsam ihr Inneres prüfend
Der Verdacht schon ist ein stiller Krampf ...

MICHONNET
ihr wider Willen folgend
Die Gewissheit: ein Todeskampf!

ADRIENNE
Man raset.

MICHONNET
Ist ganz toll vor Wut ...

ADRIENNE
Erstarret ...

MICHONNET
Brennt vor Glut ...

ADRIENNE
Man leugnet Gott
Und wünscht sich den Tod ...

MICHONNET
traurig, sich besinnend
Und bleibt doch leben!

ADRIENNE
verächtlich
Warum?

MICHONNET
Man gewöhnt sich eben!


DRITTER AUFTRITT
Frl. Jouvenot, Frl. Dangeville, Quinault, Poisson, die Vorigen.

ADRIENNE
eilt mit ausgestreckten Händen ihnen entgegen
Wie nett, dass Sie kommen!

QUINAULT UND POISSON
ihr gleichzeitig die Hände küssend
Haben Sie's nicht angenommen?

ADRIENNE
Warum?

QUINAULT UND POISSON
Zum Wiegenfeste ...

FRL. JOUVENOT UND FRL. DANGEVILLE
Adrienne küssend
Sind wir stets Gäste!

ADRIENNE
überrascht
Wie? es ist heute ...

MICHONNET
schlägt sich vor die Stirn
O, der Zerstreute!

FRL. DANGEVILLE
reicht Adrienne ein seidenes Täschchen mit Konfitüren
Mög's Ihnen schmecken!

FRL. JOUVENOT
bietet ihr ein Schächtelchen dar
Schleifen zum Stecken!

POISSON
ein Medaillon übergebend
Hier mein Bild, o sieh!

QUINAULT
zieht ein zierlich zusammengefaltetes Heft hervor
Hier etwas Poesie!

MICHONNET
murmelt bei sich
Was soll's bedeuten?
Von diesen Leuten ...

ADRIENNE
zu den Schauspielern, ihnen die Hände drückend
Nehmt, liebe Kollegen,
Meinen Dank entgegen!
dann lächelnd zu Michonnet
Und Sie, teurer Meister?

MICHONNET
zieht ein Etui aus der Tasche
Ich zahl als dein Treuester
So meine Schuld!

DIE KÜNSTLER.
Was ist's?

MICHONNET
wehrt ihre Hände ab
Geduld!

ADRIENNE
nimmt das Etui
Ha! meine Brillanten!

MICHONNET
mit den Augen zwinkernd
Sterne, die wir bannten!

FRL. JOUVENOT
neidisch zu Adrienne
Die einst der Künstlerin
Schenkte die Königin?

ADRIENNE
trocken
Ja! wie Sie sehn!

DIE VIER KÜNSTLER
wider ihren Willen bewundernd
O, sind die schön!

ADRIENNE
ernst
Sagen Sie, wie war es möglich?

MICHONNET
mit komischer Bescheidenheit
Das ist schnell erzählt:
Ich hab's beim Fürsten eingelöst!

ADRIENNE
Doch mit wessen Geld?

MICHONNET
verlegen nach Worten suchend
Du weisst doch noch? ...
Die Erbschaft von meinem Onkel ...
Versteh mich ...

ADRIENNE
wieder mit heiterer Miene
Und deine Heirat!

MICHONNET
mit traurigem Lächeln
Ward zu Wasser! Das war doch nichts für mich!

ADRIENNE
drückt ihm gerührt die Hand
O edles Herz!

QUINAULT UND POISSON
gleichzeitig zu Adrienne, bedeutungsvoll
Im Auftrag des Theaters möchten wir Sie sprechen.

ADRIENNE
mit leichter Resignation aufseufzend
Wohlan!

FRL. JOUVENOT
mit tragischem Ausdruck
O Phädra!

FRL. DANGEVILLE
ebenfalls
O Roxane!

QUINAULT
gleichfalls
O Myrrha!

POISSON
wie die übrigen
O Dolfine!

DIE VIER KÜNSTLER
zusammen
Fürstin der Kunst! Kehr zurück zur Bühne!

ADRIENNE
wie im Selbstgespräch
Ja! ich will's tun! An der Kunst
Mich wieder berauschen, und an der Menge Gunst.

DIE VIER KÜNSTLER
zusammen
Und ganz Paris, es jubelt nur so!

ADRIENNE
zerstreut
Was gibt's im Theater?

DIE VIER KÜNSTLER.
Etwas ganz Neues!

ADRIENNE
mit etwas lebhafterem Interesse
Von der Duclos?

FRL. JOUVENOT
geringschätzig
Den Fürsten täuschte sie.

QUINAULT
Ein Liedchen hold
Ist davon schon wohlbekannt.

ADRIENNE
Wie wird's genannt?

DIE VIER KÜNSTLER.
»Treu wie Gold.«
Es war einmal ein Prinzelein,
Alt, geizig, doch voll Minne,
Der suchte mit Müh der Weisen Stein,
Dass Zaubergold er viel gewinne,
Zu ködern Josephine hold:
»Für falsche Liebe falsches Gold!«
Aber treulos und erfahren in Listen
Hielt versteckt die schöne Josephine.
Sprechend mit dem Alchymisten.
Unter ihrer Krinoline
Ihren Liebsten so hold:
»Falsche Liebe für falsches Gold!«


VIERTER AUFTRITT
Das Kammermädchen, die Vorigen.

ADRIENNE
erstaunt
Ein kleines Kästchen?
zu den übrigen
Verzeihung!

MICHONNET
zu den Schauspielern
Wohl auch ein Angebinde!

ADRIENNE
beiseite
Ein Billet,
öffnet und liest es
Die Sendung kommt von Moritz!
Eine Botschaft von ihm!
leise zu Michonnet
Geschwinde! Michonnet, schick sie fort!

MICHONNET
zu den Künstlern
Ist's erlaubt, dass ich Ihnen einen Trunk anbiete?

QUINAULT UND POISSON
zusammen
Sicher!

MICHONNET
höflich auf die Türe links weisend
So haben Sie die Güte!

FRL. JOUVENOT UND FRL. DANGEVILLE
Wohlan!

MICHONNET
zu den Künstlern
So kommen Sie nur, liebe Freunde!
Bald folgt sie Ihnen nach!


FÜNFTER AUFTRITT
Michonnet, Adrienne.

ADRIENNE
öffnet den Deckel des Kästchens
Was ist's? ... Himmel!

MICHONNET
erschreckt
Was war es?

ADRIENNE
sich wieder erholend
Gar nichts! ... Ich mach es auf ...
Da steigt mir entgegen ein eisiger Hauch,
Als käm der Tod herauf ...

MICHONNET
Närrchen! ...
Doch was hat Moritz dir im Kästchen gesandt?

ADRIENNE
die Hände auf der Brust zusammenpressend
Die Blume, die einst ich ihm schenkte als Pfand!
Wie grausam, ach!
Er durft sie missachten, zertreten ...
Doch sie zurückzuschicken ...
Doch anzutun der Verschmähten
Noch Schimpf und Kränkung ...
ausser sich
Das ist zu viel! wie weh das tut!

MICHONNET
als ob er selbst an seine Worte glaubt
Adrienne! fasse Mut!
Er ist's nicht, ich will wetten ...
Das hat ein Weib getan!

ADRIENNE
schluchzend
Und wenn auch! ... Doch warum tut
Man mir solche niedrige Beschimpfung an!
mit unendlicher Schwermut
Ihr armen Blümchen,
Der Flur entstiegen!
Heute entstehend,
Morgen vergehend,
Schwüren, die lügen,
Gleicht eure Art.
Will noch den letzten
Süssen und herben
Kuss auf euch pressen ...
Dann müsst ihr sterben,
Dann sei vergessen,
Was ihr mir wart!
Alles zu Ende!
Wie eure Düfte
Weht in die Lüfte
Mein Groll. Für immer
Ward falscher Schimmer
Schnell offenbart.

MICHONNET
sanft zu Adrienne
Du täuschst dich! zu Ende ist nicht alles ...
Er kommt ja bald!

ADRIENNE
ihn erschreckt ansehend
Was hör ich?

MICHONNET
Vielleicht schon eben ...
Er weiss alles, was hier vorgeht.

ADRIENNE
ungläubig
Durch wen?

MICHONNET
mit gedämpfter Stimme
Durch mich! Ich schrieb ihm.

ADRIENNE
erstaunt und gerührt
Sie?

MICHONNET
einfach
War es nicht richtig?

MORITZ
ruft von aussen
Adrienne!

MICHONNET
lächelnd zu Adrienne
O hör nur!

ADRIENNE
zitternd vor freudiger Hoffnung
Seine Stimme! ... O Himmel!
wieder zweifelnd
Nein, ich täusch mich!

MORITZ
von aussen, aber in grösserer Nähe
Adrienne!

ADRIENNE
mit einem Freudenschrei
Er ist es!

MICHONNET
vom Fenster her
Er ist es! Jetzt kommt er!

ADRIENNE
ausser sich
Ich fliege ...


SECHSTER AUFTRITT
Adrienne, Moritz.

ADRIENNE
berauscht von Liebe
Mein Moritz!
mit erzwungener Kälte
Mein Herr!
Was ist denn Ihr Begehren?

MORITZ
flehend
Mir Verzeihung zu gewähren
Für den Irrtum einer Stunde!

ADRIENNE
noch mehr zurückgehend
So tönt's aus dem Munde
Wohl jedem Verräter!

MORITZ
eindringlich
Klar sah ich erst später;
Ich sag' es jetzt ehrlich!

ADRIENNE
bitter
Hier finden Sie schwerlich
Die hochedlen Schönen.

MORITZ
Nur dir gilt mein Sehnen,
Nur dir gilt mein Flehen.

ADRIENNE
Die Worte vergehen
So schnell wie die Treue!

MORITZ
leidenschaftlich
Verzeihe, verzeihe,
Du hast mich gerettet!

ADRIENNE
ihr Gesicht abwendend
O gehn Sie! gehen Sie
Und leben Sie glücklich in fernen ...

MORITZ
mit seligem Lächeln
Ach! zu meinem Engel will ich flehen!

ADRIENNE
noch zweifelnd
Ach, könnt' ich noch einmal Ihnen vertrauen!

MORITZ
erhebt sich
Auf ein Soldatenherz kann man bauen!

ADRIENNE
ihm in die Augen sehend
Doch jene Dame ...

MORITZ
mit Nachdruck
Muss ich verachten!
Weiss, dass sie voll ist von Niedertrachten!

ADRIENNE
immer noch ausweichend
Leider so spät erst?

MORITZ
ihr folgend
Zu spät nicht! Nein! nicht vergebens
Aus Banden einst befreite
Mich deine Hand. Nimm heute
Hier die meine als Gefährtin meines Lebens!

ADRIENNE
die Hände auf der Brust zusammenpressend
Himmel, was sagst du?

MORITZ
Willst du meinen ruhmvollen Namen empfangen?

ADRIENNE
fast erschreckt
Ein Thron erwartet ihn ...

MORITZ
Nach dir nur ist mein Verlangen!

ADRIENNE
mit milder Trauer
Nein! werde niemals ich doch tragen können
Ein königliches Diadem im Haar;
Hab' nur den Reif aus Flitter meine Krone zu nennen,
Auf der Bühne nur stehen mein Thron, mein Altar!

MORITZ
mit zärtlicher Begeisterung
Nein! Du bist edler noch als Königinnen,
Du beherrschst, was im Herzen woget und wallt!
Mag einst mein Ruhm in leeren Dunst zerrinnen, ...
Alles beuget sich so gern deiner süssen Gewalt!

MORITZ UND ADRIENNE
eng verschlungen
Ja! unsere Liebe trotzt aller Not,
Besiegt den Tod!
Wir träumen voll Lust!
O ruh' an meiner Brust!

MORITZ
erschreckt
Wie, du zitterst? ... wie siehst du aus?

ADRIENNE
hält sich mit Mühe aufrecht
Wohl vor Freude ... nein, der Strauss ...

MORITZ
Welcher?

ADRIENNE
schmerzlich
Der Strauss ... gab ihn dir damals ...
Schicktest mir ihn wieder!

MORITZ
erstaunt
Ich? o niemals!
Will ihn sehen!

ADRIENNE
hebt mühsam den Arm und zeigt auf den Schreibtisch
Er war ja hier ...
Warf ins Feuer – wie schlecht von mir –
Ihn hinein. In seiner Blüten Duft
Erschien mir deiner Liebe Gruft!

MORITZ
kommt zurück, erschreckt
Doch du leidest, teures Wesen!

ADRIENNE
sich zusammennehmend
Nicht mehr!

MORITZ
angstvoll
Wie starrst du so, mein Leben?

ADRIENNE
mit verwirrtem Blick um sich sehend
Ha! wo bin ich? Wer sprach da?
Oder sprach ich soeben?
Und wer bist du?

MORITZ
sie zärtlich an sich drückend
Dein Moritz! und du bist seine Königin!

ADRIENNE
ihn abermals fernhaltend
Du lügst ja!
sieht und zeigt ins Leere
Doch wo ist er? Im Parkett drunten seh' ich ihn!
Welche Menge! ...
Welch Gedränge! ...
Der ganze Hof ist da!
Was tut's? ihn nur sah' ich allein!

MORITZ
mit wachsender Angst
Adrienne! Erbarmen! Halt ein!


SIEBENTER AUFTRITT
Das Kammermädchen, die Vorigen.

MORITZ
angstvoll bekümmert zu dem Mädchen
Ihre Herrin ist krank! Wohlan!
So eilen Sie, rennen Sie! einen Arzt! ...

ADRIENNE
wütend
Sie ist es!

MORITZ
sie liebkosend
Adrienne! Sieh meine Liebe doch!

ADRIENNE
mit schneidendem Lachen
Welche Liebe? Die meine stahl mir jene ... sie lachen noch!
O Moritz, Moritz! mein Moritz!

MORITZ
hält ihr mit Mühe die Arme fest
Du bist ja in seinen Armen!
sucht ihren Blick auf sich zu richten
Sieh mir in die Augen! Erkennst du mich nicht?

ADRIENNE
sich losreissend
Geh fort!

MORITZ
Erbarmen!

ADRIENNE
ihn wiedererkennend, mit einem Schrei
Moritz! Heissgeliebter!
schlingt die Arme um seinen Hals

MORITZ
Adrienne! Heissgeliebte!
Zu Hülfe! Zu Hülfe!


LETZTER AUFTRITT
Michonnet, die Vorigen.

MICHONNET
eintretend, sieht Adrienne bewegungslos in Moritz Armen
Himmel!

MORITZ
ihn herbeiwinkend
O kommen Sie!

MICHONNET
stammelnd
Adrienne ...

MORITZ
Liegt in Ohnmacht!

MICHONNET
jubelnd
Sie atmet!

MORITZ
Ich zittre!

MICHONNET
Sie schöpft schon Luft!
ängstlich
Wie ist's gekommen?

MORITZ
Durch Blumenduft!

MICHONNET
schlägt sich vor die Stirn
O Gott, welch ein Verdacht!

MORITZ
Sprich!

MICHONNET
gedämpft
Das war Gift!
Jene Rivalin ...

MORITZ
entsetzt, bei sich
Wie mich das trifft!
Gott! sie stirbt! ihr Auge bricht!
Adrienne! Verlass mich nicht!

MICHONNET
Armes Kind!

MORITZ
angstvoll zu Adrienne
Nur ein Blick noch, nur ein Lächeln! Ach!

ADRIENNE
O rettet mich! o rettet mich! ich will nicht sterben!
Er liebt mich und will heute um mich werben!
Warum denn sterben? leben will ich und ihn lieben!

MICHONNET
sie beruhigend
Bald lindert sich dein Schmerz!

ADRIENNE
während innere Krämpfe ihren Körper verzerren
Nein! Da lauert der Tod und kriecht heran ans Herz!

ADRIENNE
springt im Fieberwahnsinn plötzlich auf
Hinweg mit dir, du niedrig Volk!
Melpomene bin ich!

ADRIENNE
die Hände aufwärts, dem Unsichtbaren entgegenstreckend
Das ist das Licht,
Das die Nacht durchbricht,
Das mit mir entschwebt,
Zum Himmel mich hebt;
Strahl ewiger Liebe!
Dem Schmerz entstiegen
Will fliegen ich, fliegen ...
Matt und im Sinken
Seh ich dich winken;
Strahl ewiger Liebe!

MICHONNET
mit erstickter Stimme
Adrienne!

MORITZ
etwas lauter
Adrienne!

MICHONNET
mit einem Schrei
Tot!

MORITZ
Ausgelitten!