Libretto: Beatrice di Tenda

von Vincenzo Bellini


Beatrice von Tenda


Personen:
FILIPPO MARIA VISCONTI, Herzog von Mailand
BEATRICE VON TENDA, seine Gemahlin
AGNESE DEL MAINO
OROMBELLO, Herr von Ventimiglia
ANICHINO, ehemaliger Minister des Facino Cane
RIZZARDO DEL MAINO, Agnesens Bruder

CHOR:
Höflinge, Richter, Bewaffnete, Hofdamen, Wachen

Die Handlung spielt im Castell Binasco, im Jahre 1418.

ERSTER AKT

ERSTE SZENE
Innere Halle im Schlosse Binasco.
Einige Höflinge. Filippo.


Nr. 1 - Introduktion

CHOR
Wie, Gebieter! das Fest der Freude
Wolltet Ihr so schnell verlassen?

FILIPPO
Lasst, o lasst mich! was dort ich sehe,
Muss ich fliehen, muss ich hassen!

CHOR
Beatrice?

FILIPPO
Ja! Wie drückend
Sind die Fesseln, die mich binden!
Meine Herrschaft beschränkt zu finden,
Lieb' und Treue ihr zu lügen,
Ihren Launen mich zu fügen,
Wenn aus ihr der Argwohn spricht!
Dieser Qual muss ich erliegen –
Nein, ich trag' es länger nicht!

CHOR
Ja, die Last ist schwer zu tragen!
Doch des Zwanges könnt Ihr Euch entheben!

FILIPPO
O wie gerne!

CHOR
Wer könnt' es wagen,
Euerm Wunsch zu widerstreben?
Nein nicht länger dürft Ihr schweigen,
Eilt, als Herrscher Euch zu zeigen!
Die Vasallen, die ihr dienen,
Könnten leicht sich sonst erkühnen,
Ihren Herzog zu verrathen,
Fielen treulos von Euch ab,
Pochend auf der Fürstin Staaten,
Die als Gattin sie Euch gab.

AGNESE
Wahn ist's, dass auf dem Throne
Des Lebens Glück Dir blühet.
Wenn uns die Liebe fliehet,
Kann uns kein Thron erfreu'n!

FILIPPO
Agnese! Wie treffend!

CHOR
In Eure Gefühle stimmt ihr Gesang mit ein.

AGNESE
Was mag das Herz beglücken
Fern von der Lieb' Entzücken?
Den Pfad mit Blumen schmücken
Kann Liebe nur allein!

FILIPPO
Auf meinen Wegen
Sprosst keine Blume der Freude!

CHOR
Eilt dem Glück entgegen!
Wagt nur die läst'gen Bande
Mit fester Hand zu trennen,
Dann werden alle Herzen
Liebend für Euch entbrennen.
Keine wird Euch verschmähen, –
Alle besieget Ihr.

FILIPPO
Alle? (Du holde Agnese!
Ach, Du genügtest mir.
Was Du mir bist, o Theure,
Kann nur mein Herz Dir sagen!
Du stillst des Kummers Plagen,
Linderst der Sehnsucht Schmerz.
Könnt' ich zum höchsten Throne
An meiner Hand Dich führen!
Doch keine Erdenkrone
Lohnte Dein edles Herz!)

CHOR
Lasst die Hoffnung nicht entschwinden,
Von dem Zwang Euch zu erretten.
Schmachtend bald in schönern Ketten,
Lächelt Euch die Lieb' auf's Neu!

FILIPPO und CHOR
Nicht verzagt! Vielleicht im Stillen
Ist das Glück mit mir / Euch im Bunde
Nütz' ich / Nützt Ihr nur die günst'ge Stunde,
Steht auch seine Gunst mir / Euch bei!

Alle ab.

ZWEITE SZENE
Agnesens Gemach.

OROMBELLO
So bin ich denn am neidenswerthen Orte,
Der, theure Beatrice, Dich umfängt;
Dich, die dem Himmel mir zum Trost entstiegen;
Der hat gnädig Gott die Wunderkraft geschenkt,
Das Zürnen meines Schicksals zu besiegen.
O Heissgeliebte! wie viel Schmerzensthränen
Entladest meinem Auge Du allein;
Ja, Du wirst ewig meines Herzens Sehnen,
Die Seele meines ganzen Lebens sein.
Den Himmel seh' ich sich vor mir erschliessen,
Blickst Du mich an, und lächelst Du mir zu;
Lass mich als Edens Engel Dich begrüssen,
Der Schutzgeist meines Daseins bist ja Du.
Ha! als ich Dich zum Erstenmal gesehen,
Und wonn'entflammt in's Antlitz Dir geschaut,
Da wagt' ich still »O liebe mich« zu flehen,
Doch stumm blieb Deiner Lippen süsser Laut.
Allein in Deinem Auge konnt ich lesen,
Was schüchtern mir verschwieg Dein holder Mund;
Da schien es mir, Du angebetet Wesen,
Als lächle mir das ganze Weltenrund.


DRITTE SZENE
Agnese, der Vorige.

Nr. 2 - Rezitativ und Duett

AGNESE
Saget, was soll dies Staunen?
Kommt doch näher!

OROMBELLO
Verzeihung!
Von fern vernahm ich – die holden Töne –
Und das Verlangen, zu wissen,
Wessen Hand sie entströmten,
Liess mich wagen – Verzeihung, Agnese!

AGNESE
Wie, Ihr entfernt Euch? O bleibet!
Kommt näher!

OROMBELLO
(O Gott!)

AGNESE
Ich bitte!
Und nur der Neugier dank' ich diese Freude,
Euch hier zu sehen?

OROMBELLO
(Was sag' ich ihr?)

AGNESE
Und war es kein and'res Sehnen?

OROMBELLO
Welch' and'res Sehnen?

AGNESE
Kann nicht in dieser Stunde,
Vertieft in Schwärmerei'n, ein fühlend Herz
noch wachen,
Und, unter Seufzern, der verschwieg'nen Laute
Ein theures Wort vertrauen, –
Den Namen Orombello?

OROMBELLO
Wie? Meinen Namen? Unmöglich

AGNESE
Weg mit Verstellung! Ihr müsst es wissen!

OROMBELLO
(O Himmel!)

AGNESE
Sah ich vielleicht am Hofe
Euch nie erscheinen? Drangen Eure Seufzer
Nie in mein Ohr?

OROMBELLO
(Was muss ich hören!)

AGNESE
Erst neulich verrieth mir Euer Auge,
Was Ihr empfindet. – Er liebet,
So sprach ich! Mehr als ein Andrer,
Ist er der Liebe würdig, –
Mehr als sein stolzer Nebenbuhler!

OROMBELLO
Was sagt Ihr?

AGNESE
Mag ihn Glanz und Hoheit auch umschweben!

OROMBELLO
(Gott, was hör' ich?)

AGNESE
Eitler Schimmer!
Eine Seele, Euch treu ergeben, –
Sie entsagt dem Glanz auf immer!
Hand in Hand mit Euch zu gehen,
Wäre ihr das höchste Glück.

OROMBELLO
(Alles darf ich ihr gestehen, –
Längst durchschaute mich ihr Blick.)

AGNESE
Nun, was sagt Ihr?

OROMBELLO
Agnese!

AGNESE
Gelangte
Nicht ein Blatt in Eure Hände?

OROMBELLO
Ja! – O lasst mich Euch vertrauen,
Ja, ich lieb', und diese Liebe
Ist mein Hoffen, ist mein Glück!

AGNESE
(Welch Geständniss, welch frohe Kunde
Tönet mir aus seinem Munde!)

OROMBELLO
Beatrice, Du mein Alles!

AGNESE
Himmel!

OROMBELLO
Agnese!

AGNESE
Ich bin verloren!

OROMBELLO
Weh! was that ich?

AGNESE
Für sie schlägt sein Herz!
Sie geliebet! ich verhöhnet,
Hintergangen! Unsel'ger Irrthum!

OROMBELLO
Ach, Erbarmen! Ihre Ehre, ihr Leben
Sind in Eure Hand gegeben!

AGNESE
Und mein Leben, meine Ehre
Kann nicht Deine Sorg' erregen?
Lass den Sturm, den Du erwecket,
Erst in meiner Brust sich legen, –
Diesen Schimpf mach' ungeschehen, –
Meiner Qual lass mich entgehen!
Dann vielleicht fühl' ich Erbarmen –
Dann vielleicht kann ich verzeih'n!

OROMBELLO
Nur Dein Herz hat Dich betrogen,
Darum magst Du mir vergeben
Gern, um Deine Qual zu lindern,
Gäb' ich selbst mein Blut, mein Leben.
Ach, umsonst hab' ich gerungen,
Von der Schönheit Reiz bezwungen, –
Drum verzeih', o hab' Erbarmen!
Liebe trägt die Schuld allein.

AGNESE
Schweige, schweige!

OROMBELLO
Ach nein!

AGNESE
Entfliehe!
Blutig soll ihr Schicksal enden!

OROMBELLO
Unglücksel'ge! – Ach, ihr Leben
Ruht allein in Deinen Händen.

AGNESE
Diesen Schimpf mach' ungeschehen, –
Meiner Qual lass mich entgehen!
Dann vielleicht fühl' ich Erbarmen,
Dann vielleicht kann ich verzeih'n!

OROMBELLO
Ach, umsonst hab' ich gerungen,
Von der Schönheit Reiz bezwungen!
Drum verzeih', o hab' Crbarmen!
Liebe trägt die Schuld allein.

Beide ab.


VIERTE SZENE
Ein Bosket im herzoglichen Garten.
Beatrice und ihre Frauen.


Nr. 3 - Chor und Kavatine

BEATRICE
Frei athm' ich hier! Im Schatten dieser Zweige,
Umweht von süssen Düften –
O wie erquickend scheint mir des Tages Strahl.

CHOR DER FRAUEN
Sieh', wie die Blüthen sich am Morgen
Mit neuem Glanz erheben!
So möge frei von Sorgen,
Neu sich Dein Herz beleben!

BEATRICE
Ach, meine Lieben!
Neigt, vom Sturme gebrochen, ihr Kelch sich nieder,
Dann erhebt keine Sonne die Blume wieder.
Dies ist mein Schicksal! so welkt, vom Sturm gebrochen,
Meine Blüthe dahin! – So nicht Filippo,
Wolltest Du mir vergelten, als ich Dich schützte,
Meine Liebe Dir schenkte, und meine Krone!

CHOR DER FRAUEN
Wahrheit ist's, was sie spricht!

BEATRICE
Welch Loos, Du Undankbarer! ward mir zum Lohne?
Nicht allein hab' ich dies Loos zu tragen,
Nicht allein vertraur' ich so mein Leben!
O mein Land! ich höre Deine Klagen!
Wessen Hand hab' ich Dich übergeben!
Solchem Jammer Dich zu weihen,
Traf mein Herz die rasche Wahl.

CHOR DER FRAUEN
(Seht, sie weinet!)

BEATRICE
(O meine Treuen!)

CHOR DER FRAUEN
(Klagt und seufzet –!)

BEATRICE
(O welche Qual!)
Auch die Meinen floh das Glück,
Dessen sie sich einst erfreut.
Und der Herrin Missgeschick
Ward für sie zu bitterm Leid!
Doch uns schützt des Ew'gen Hand,
Mild sein Auge auf uns ruht!
Wenn die Hoffnung uns entschwand,
Bleibt, zu dulden, uns der Muth.

CHOR DER FRAUEN
(Nicht verlassen bleibt für immer
Wer die Tugend sich erkor.
Bald hebt sie mit neuem Schimmer
Aus dem Dunkel ihn empor.)

Ab.

FÜNFTE SZENE
Filippo und Rizzardo.

Nr. 4 - Rezitativ und Duett

FILIPPO
Wohin kann sie entfliehen,
Dass nicht mein Auge sie
Erreichet? Geh, sie einzuholen.
Rizzardo ab.
Mein Zorn erwacht auf's Neue!
Und – dass sie mich verrathen,
Schmerzte mich so? wünschte ich es nicht schon lange?
Und die Beweise – sind sie mir nicht willkommen?


SECHSTE SZENE
Beatrice. Filippo

BEATRICE
Du hier, Filippo?

FILIPPO
Wo anders
Bist Du zu finden, als an düstern Orten,
Um Dein geheimes Treiben
Scheu zu verbergen?

BEATRICE
Ja! keine Zeugen
Will ich für meine Thränen!
Und Du, vor Allen Andern,
Sollst sie nicht schauen!
Denn schon seit langer Zeit sind sie Dir lästig.

FILIPPO
Nicht lästig hätt' ich sie gefunden,
Wenn Du die wahre Quelle
Mir nicht verschwiegen.

BEATRICE
Du kennst sie lange!
Und tiefer muss es mich schmerzen,
Dass Du Dich stellst, sie nicht zu kennen!

FILIPPO
Ich sollte sie nicht kennen!
So wisse! Dein heimlich Trachten,
Dein sträflich Sinnen, das Du zu bergen wähnest,
Les' ich auf Deiner Stirn', im Herzen, im Blicke.

BEATRICE
Du? mein sträflich Sinnen? und welches?

FILIPPO
Welches? – Unwürd'ge! Falschheit und Tücke!

BEATRICE
Falschheit und Tücke! Undankbarer!
Dies kannst Du selbst nicht wähnen!
Kummer, getäuschtes Sehnen,
Magst Du im Aug' mir lesen, –
Betrog'ner Hoffnung Thränen,
Gekränkter Liebe Schmerz.

FILIPPO
Wohl kenn' ich diese Liebe!
Du kannst sie nicht verhehlen!
Die kühne Brust beseelen
Der Herrschsucht stolze Triebe,
Und Schaam und Reue quälen
Dein schuldbelad'nes Herz.

BEATRICE
Filippo!

FILIPPO
Ja, Ungetreue!
Kein Schein soll mich mehr blenden!

BEATRICE
Filippo!

FILIPPO
Die sichern Proben
Hab' ich in meinen Händen!

BEATRICE
Filippo, halt' ein!!

FILIPPO
Zitt're! Sieh! Dein Verbrechen ist hier!

BEATRICE
Gott! – Wie, meine Siegel
Wagst Du zu verletzen?

FILIPPO
Ich? Ja!
Klagen empörter Knechte, –
Straflos kannst Du sie hören, –
Zürnst nicht, wenn freche Knaben
Der Treue Eid Dir schwören.
Und wagst mich anzuklagen
Als Schöpfer Deiner Plagen?
In Schuld so tief gesunken,
Nein, nein, – glaubt' ich Dich nicht!

BEATRICE
Klagen bedrängter Völker
Enthalten diese Schreiben, –
Wenn ich sie hört', Unseliger!
Würdest Du Herrscher bleiben?
Sage, sind dies die Gründe,
Dass ich so streng' Dich finde?
Liebst Du mich nicht, so achte mich,
Raub' mir die Ehre nicht!
Die Blätter, Filippo, o gieb sie mir wieder!
Vermeide die Schande.

FILIPPO
Umsonst ist Dein Flehen.

BEATRICE
Nein, keine Verräth'rin kannst Du in mir sehen.

FILIPPO
Ja, Alles verklagt Dich, die Schande trifft Dich.

BEATRICE
Filippo!

FILIPPO
Hinweg!

BEATRICE
Ich flehe in Thränen –
Gieb lieber den Tod mir.

FILIPPO
Erwarte ihn! Fort!

BEATRICE
Ha, Unmensch, Verleumder! Dein grausam Betragen
Ermuthigt mich wieder, – verstummet, ihr Klagen!
Die Unschuld soll Stärke und Kraft mir verleih'n.
Die Welt sei mein Zeuge, sie möge entscheiden,
Sie mag mich vertheid'gen, mir Richterin sein.

FILIPPO
Unwürd'ge, vertilge die Spur der Verbrechen,
Dann magst Du Dich brüsten, zu droh'n Dich erfrechen!
Verweg'ne, dann kannst Du von Schmach Dich befrei'n.
Die Welt soll es wissen, sie möge entscheiden,
Sie wird Dich verdammen, mir Rächerin sein!

Beide ab.


SIEBENTE SZENE
Entlegener Theil im Schlosse Binasco.
Eine Abtheilung Bewaffneter.



Nr. 5 - Soldatenchor

ERSTER CHOR
Nun, Ihr saht ihn?

ZWEITER CHOR
Ja, Verwirrung
Malte sich in seinen Zügen.

ERSTER CHOR
Und was sprach er?

ZWEITER CHOR
Durch die Gänge
Eilt er ängstlich, still, verschwiegen!

ERSTER CHOR
Wohin ging er?

ZWEITER CHOR
Wie ohne Absicht,
Schlich er an den Wänden hin!

ERSTER CHOR
Doch umsonst, – er mag sich hüten,
Seine Pläne verrathen ihn.

ALLE
Gleiche List lasst uns gebrauchen, –
Nichts vermag uns zu entgehen,
Lasst uns lauschen, lasst uns spähen,
Doch vermeidet den Verdacht.
Nein, so dunkel ist kein Schleier,
Unser Blick wird ihn durchdringen, –
Leicht fällt er in unsre Schlingen,
Glaubt er sich nur unbewacht!

Sie gehen ab.



ACHTE SZENE
Beatrice allein, dann Orombello.


Nr. 6 - Erstes Finale

BEATRICE
Hier will ich sie verbergen, des Schmerzes Thränen,
Des Kummers Klagen! Ach! könnt' ich, o Facino,
Auch Dir sie bergen, Dir, den kaum verschieden,
Die Gattin so bald vergessen, der meinen Jammer,
Des Leichtsinns Strafe schaut, und seine Rache.
Hast Du mich einst geliebet, o so vergieb,
Du Edler! Einsam, verlassen und hülflos,
Liess ich zu bald mich verblenden, –
Ach, allzuschwer büsst mein Herz für seine Schwäche!
Orombello tritt auf.
Alles fliehet vor mir!

OROMBELLO
O nein! Ein Freund ist nahe!

BEATRICE
Wen seh' ich? Orombello!
Du hier? – und heimlich!

OROMBELLO
Alle hör' ich jammern über Dein Schicksal,
Ich werde handeln! Nicht länger darfst Du zaudern,
Lass Deine Zweifel schwinden,
Benütze Deine Macht! Alle Provinzen
Hab' ich bereits durchzogen, und tausend Arme,
Dir treu ergeben, zu Deinem Schutz bewaffnet.
Komm und erhebe siegreich Facino's Banner,
Räche als Fürstin des Volks gekränkte Rechte,
Und Deine eig'ne Schmach!

BEATRICE
Sie ruft um Rache,
Und volle Rache soll ihr werden!
OROMBELLO
O Wonne! – Sobald es dunkelt,
Flieh'n wir aus diesen Mauern,
Tortona's Wälle nehmen schirmend
Uns auf! Harrend empfängt Dich
Der Getreuen tapfre Schaar. Gieb Dein Versprechen,
Durch keinen neuen Aufschub die That zu hindern.

BEATRICE
Ach, welchen Rath willst Du mir geben?

OROMBELLO
Noch kannst Du wanken?

BEATRICE
Nein, nicht Du darfst mich beschützen, –
Selbst den Schein muss ich vermeiden.

OROMBELLO
Welch ein Wort!

BEATRICE
Der Argwohn lauschet, –
Meine Ehre darf nicht leiden!

OROMBELLO
Deine Ehre?

BEATRICE
Mein Vertrauen
Gilt dem Neid für Gunst der Liebe;
Deiner Ehrfurcht zarte Triebe
Für geheimer Neigung Gluth!

OROMBELLO
Ja, ich weiss!

BEATRICE
Du? und kannst es dulden?

OROMBELLO
Allzuwahr ist das Gerücht!

BEATRICE
Welche Sprache?

OROMBELLO
O zürne nicht!

BEATRICE
Ha, verstumme! Ach, weh mir!

OROMBELLO
Seit mein Auge Dich gesehen,
Konnt' ich nimmer widerstehen!
Täglich wuchsen diese Flammen,
Nährten sich an Deinem Schmerz.
Kannst Du dies Gefühl verdammen,
Dann erliegt mein wundes Herz!

BEATRICE
Schweige! flieh'! Verweg'ner!
Wem, ach wem kann ich vertrau'n?

OROMBELLO
O Verzeihung!

BEATRICE
Fliehe!


NEUNTE SZENE
Vorige. Filippo, Rizzardo. Agnese mit Gefolge,
Anichino; dann Ritter, Frauen und Soldaten.


AGNESE
Siehst Du?

FILIPPO
Ha, Verräther!

BEATRICE, OROMBELLO
O Gott!

FILIPPO
Ihr seyd ertappt!
Wachen!

BEATRICE
Halt' ein!

FILIPPO
O schweige!
Hoffe nicht, mich zu bethören!
Dein Verbrechen –

BEATRICE
Mein Verbrechen
Lebet nur in Deinem Wahne,
Ach, ich kenne Dich!

FILIPPO
Auch Dich erkennet
Nun die Welt zu meiner Schmach!

OROMBELLO
(Sie ist verloren!)

BEATRICE
O schwarze Seele!

FILIPPO
Zeig' Dich schuldlos!

CHOR
(O Schreckenstag!)

BEATRICE
Meine Ehre willst Du mir rauben!
Schuldig kannst Du mich nicht finden!
Nein, die Welt, sie wird nicht glauben,
Was Verleumdung aus Dir spricht! –
Dass ich ihn zu mir erhoben,
Bringt Verderben mir und Schande!
Er zerreisst die zarten Bande,
Mir zum Fluch ward der Verein!

FILIPPO
Wehe mir, in solchen Händen
Ruhte einst mein Glück, mein Leben, –
Meine Ehre seh' ich schänden!
Schimpf und Schmach bleibt mir allein!

OROMBELLO
(Grosser Gott, welch schrecklich Leiden
Hat mein Wagniss ihr bereitet!
Gern wollt' ich vom Leben scheiden,
Könnt' ich sie von Schmach befrei'n!)

AGNESE
(Armes Herz! an seinen Qualen
Magst Du jubelnd Dich nun weiden!
Seinen Hohn will ich bezahlen!
Das Verderben harret sein.)

ANICHINO
Mit Gefahr des eig'nen Lebens
Wollt ich von der Schmach sie retten.
Meine Sorge war vergebens,
Das Verderben brach herein!

CHOR
Ach! zu ihrem Untergange
Hat sich alle Welt verschworen.
Grosser Gott, sie ist verloren!
Allzugern glaubt er dem Schein.

FILIPPO
Ihre Strafe zu erwarten,
Führt sie Beide in's Gefängniss.

BEATRICE
Und Du wagst es?

FILIPPO
Es ist beschlossen!

BEATRICE
O des Frevels!

OROMBELLO
Herzog, hört' mich!
Nur Verleumdung darf es wagen,
Eines Fehls sie anzuklagen!
Sie ist schuldlos –

FILIPPO
Nicht für ihr Verbrechen,
Für Dich selber magst Du sprechen.
Fort!

BEATRICE
Filippo! geh nicht weiter!
Ach, zu spät wirst Du's bereu'n.

FILIPPO
Fort! Gehorcht!

DIE ANDERN
Nichts kann sie retten,
Allzugern glaubt er dem Schein!

BEATRICE
Steht hier Niemand mir zur Seite,
Einem Weibe Schutz zu geben?
Will für mich im offnen Streite
Keiner seinen Arm erheben?
Nun, so hör' es, ew'ger Rächer!
Mein Vertrau'n setz' ich auf Dich!

OROMBELLO
Ach, ein Schwerdt nur lasst mir reichen
Rächend sei's im Kampf erhoben!
Und ich will mit blut'gen Streichen
Ihre Unschuld Euch erproben!
Ach, vergebens ist mein Wüthen!
Und die Edle fällt durch mich!

FILIPPO
Frevler, Euerm eitlen Grimme
Ueberlassen bleibt Ihr Beide, –
Fort, dass des Gerichtes Stimme
Ueber Euer Loos entscheide.
Eine Welt, des Spruches harrend,
Richtet ihren Blick auf mich!

AGNESE
Also rächt des Weibes Seele
Sich an einem Undankbaren!
Welche Mittel ich erwähle,
Sollst Du zitternd bald erfahren!
Unglückselig sind wir Beide,
Aber Du noch mehr als ich!

ANICHINO und CHOR
Dieser Adel in den Zügen,
Diese Gluth in ihren Blicken, –
Strafet die Verleumdung Lügen,
Muss den Argwohn unterdrücken.
Ihre Unschuld Du enthülle,
Ew'ger Gott, wir bau'n auf Dich!

ZWEITER AKT
Gerichtsaal im Schlosse Binasco. Wachen an den
Eingängen.


ERSTE SZENE
Filippo, Anichino und Soldaten.
Beatricens Damen und Höflinge.


FILIPPO
Von nun soll unbeschränkt über ihr Schicksal
Das Gesetz nur entscheiden!

ANICHINO
Und welch Gesetz wiche nicht Euerm Spruche?
Ach, ich beschwöre Euch, Herzog,
Bei Euerm Wohle! Bedenket doch die Folgen
Dieses Gerichts! Schon kam davon die Kunde
In die nahen Provinzen! Der Pöbel murret,
Und fühlet Mitleid!

FILIPPO
Mich soll dies nicht schrecken!
Die Thore von Binasco bleiben geschlossen
Bis zum nächsten Morgen! Keinem sei der Eintritt
In's Schloss gestattet! Wenn die bethörte Menge
In ihrem Abgott die Frevlerin erkennet,
Preis't sie als Recht, was jetzt Gewalt ihr dünket.

ANICHINO
Und wer vermag als Richter
Einen Ausspruch zu fällen,
Da, wo der Herzog die Klage führet?

FILIPPO
Genug! Spare Deine Worte –
Zu weit führt Dich Dein Eifer!
Die Sitzung beginnt!

ANICHINO
(O Himmel! ich bebe!)


ZWEITE SZENE
Vorige. Die Richter. Rizzardo. Filippo Damen und
Ritter. Agnese


Nr. 9 - Szene, Chor und Quintett

ANICHINO
(Ach! taub für meine Warnung
War Orombello! Meine Furcht hat sich bewährt!)

AGNESE
(Der Rach' ersehnte Stunde
Ist nun erschienen! Doch kann ich mich nicht freuen!
Tief regt in banger Angst sich mein Gewissen!)

FILIPPO
Wie, Richter, habt Ihr ernst'ren Grundes willen
Vor meinem Angesicht Euch noch versammelt;
Es gilt, zu richten heut so schwarze That,
Dass ich, der Herzog selbst, gezwungen ward,
Dem Spruch des Rechtes sie zu unterwerfen.
Wer auch die Schuld'ge sei, wer ihr Verkläger;
Lasst Eurem Spruch es keinen Eintrag thun;
Bedenkt nur Eins: dass ich ein Urtheil ford're,
Wie es der höchsten Macht im Staat gebührt.

RICHTER
Sei denn die Schuldige uns vorgeführt.


DRITTE SZENE
Vorige. Beatrice von Wachen umgeben.

CHOR DER RICHTER
Die Klage schwerer Frevel lastet
Auf Euerm Haupte. Ihr mögt vor dem Gerichte
Von der Schuld Euch befrei'n!

BEATRICE
Und wer gab Euch das Recht,
Ueber mich Gericht zu halten?
Wohin ich immer den Blick mag wenden,
Seh' ich in diesem Kreise nur meine Vasallen

FILIPPO
Und siehst Du nich
Den Herzog, den verrath'nen Gemahl?

BEATRICE
Einen Verräther, der meine Huld und Milde
Mit Undank lohnet, meine Liebe mit Schande!

FILIPPO
Du nennest Liebe – Verbindung
Mit den Feinden, – Empörung
Der Vasallen – und dann am Hofe
Die üppigen Gelage
Mit Zitherschlägern und frechen Harfenspielern?
Himmel! dies nennst Du Liebe?

BEATRICE
Schweige! – o schweige!
Jede Beschuldigung vernehm' ich unerschüttert,
Doch mein Herz empört die Klage
So niedern Frevels. O wag' es nicht, Filippo!
So schwer mich zu beschimpfen,
Lascari's Tochter, die Wittwe eines Helden!

CHOR DER RICHTER
Dein Mitgefang'ner
Nennet Dich schuldig! Bringt Orombello!

BEATRICE
O Himmel! verleih' mir Kraft und Stärke!

CHOR DER RICHTER
Hier ist er!


VIERTE SZENE
Vorige. Orombello mit Wachen.

AGNESE
(Weh mir! ach, wie elend
Ist der Arme durch meine Rache!)

OROMBELLO
Zu welcher neuen Qual will man mich führen?

CHOR DER RICHTER
Tritt näher! – Ihr gegenüber rede!
Bekräft'ge Dein Geständniss!

BEATRICE
Orombello!

OROMBELLO
Die Stimme, – sie ist es!
Und warum muss ich noch leben?

BEATRICE
Unglücksel'ger! Dein falsch Bekenntniss –
Welchen Vortheil konnt' es Dir geben?
Darfst Du hoffen, dass, wenn ich sterbe,
Sie vom Tode Dich befrei'n?
Du wirst sterben, als Verbrecher
Wird man Dich dem Tode weih'n!

OROMBELLO
Schon', o schone! – ach, wenn Du wüsstest –
Ja mir selber bin ich ein Gräuel!
Höllenqualen hab' ich erduldet,
Die kein Mensch vermag zu fassen, –
Und die Kraft, sie zu ertragen,
Musste endlich mich verlassen.
Nur der Schmerz hat mich bezwungen,
Das Geständniss mir entrungen.
Doch hier – hier in Deiner Nähe,
Wo den Tod ich vor mir sehe,
Werde laut vor allen Zeugen
Deine Unschuld offenbar.

BEATRICE
Dank, o Gott!

AGNESE
(Ha! mein Gewissen!)

ANICHINO
(Hört, o Herzog!)

FILIPPO
(Ich hör' den Frechen!)

CHOR DER RICHTER
Allzuweit bist Du gegangen!
Schweig' und zitt're!

OROMBELLO
Nimmer soll der Tod mich schrecken,
Wenn die Edle mir verzeiht!

CHOR DER RICHTER
Um die Wahrheit zu entdecken,
Steht die Folter noch bereit!

BEATRICE
Volle Sühnung hast Du gegeben –
Deine Schuld ist abgetragen!
Makellos schliesst sich mein Leben –
Und der Tod macht mich nicht zagen!
Möge huldvoll, wie ich vergeben,
Auch der Himmel Dir verzeih'n!

OROMBELLO
Du wirst leben! nein! die Vorsicht
Duldet nicht ein solch Verbrechen.
Nur an mir, dem Lebensmüden,
Mag sich Hass und Bosheit rächen.
O wie gern, da Du vergeben,
Duld' ich nun des Todes Pein!

FILIPPO und CHOR DER RICHTER
(Mächtig spricht in diesen Tönen
Eine Stimme mir zum Herzen!
Doch ich liesse mich versöhnen,
Rühren mich durch ihre Schmerzen?
Nein, hier walte nur die Strenge,
Fern soll uns das Mitleid sein!)

AGNESE und CHOR DER FRAUEN
(Das Geschick der Tiefgebeugten
Flösst mir Angst und Mitleid ein!)

FILIPPO
Weil der Schuld'ge widerrufet,
Wollt Ihr darum nicht entscheiden?

ANICHINO
Schenke Freiheit ihnen Beiden!

FILIPPO
Freiheit?

AGNESE
O Wonne!

CHOR DER RICHTER
Nein, unmöglich!
Das Gesetz sei nicht umgangen!
Um Gewissheit zu erlangen,
Tritt auf's Neu' die Folter ein!

ANICHINO, AGNESE und FRAUEN
(Welch Entsetzen!)

BEATRICE
(Ungeheuer!)

OROMBELLO
Ha, wer wagt's, sie zu verletzen?
Ew'ger Rächer, Deine Blitze
Schleud're Du auf sie herab!

CHOR DER RICHTER
Führet ihn zur Folter ab!

BEATRICE
Haltet! Haltet! – Ach nur zwei Worte!
Keine Klage sollst Du hören!
Dies bedenke: Es lebt ein Rächer!

FILIPPO und CHOR DER RICHTER
Strafe ziemet dem Verbrecher!
Ja, sie soll vollzogen sein!

BEATRICE
Komm', o Freund, uns winket Beiden
Ew'ger Lohn nach kurzen Leiden.
Frommer Muth – er wird besiegen
Folterqual und Todespein!

OROMBELLO
Ja, ich folge!

AGNESE
Ich muss erliegen!

ANICHINO
Keine Macht kann sie befrei'n!

FILIPPO und CHOR DER RICHTER
Kann die Reu' Euch nicht bewegen,
Das Geständniss abzulegen,
Nun so mag, es zu erzwingen,
Euch die Folter sich erneu'n!

AGNESE
Könnt' ich Rettung ihnen bringen!

ANICHINO und CHOR DER FRAUEN
Schützen kann sie Gott allein!

BEATRICE
Ist die Tugend hier auf Erden
Roher Willkühr übergeben,
Dann entsag' ich gern dem Leben,
Tod, Du sollst willkommen sein!

OROMBELLO und BEATRICE
Nein, mein Herz soll nicht erbeben,
Jenseits schwindet jede Pein!

Ab.


FÜNFTE SZENE
Filippo allein, dann Anichino, Damen und Höflinge.

Nr. 11 - Arie Filippo mit Chor

FILIPPO
Sie fühlt Gewissens bisse? Wenn ich sie nicht empfinde,
Wer dürft' es? Und wer sie fühlt, mag sie verbergen!
Sie mir zeigen, heisst mich verdammen! Ruhig und heiter
Will ich erscheinen. Bin ich's vielleicht? Kann ich es sein?
Nein! Von geheimen Grau'n bebt mir die Brust!
Ha! Gleich einem Nachtgespenst starrt es mich an!
Eine Grabesstimme – schaurig mir drohend,
Zittert durch die Lüfte! – Ist es Täuschung?
Traf nicht mein Ohr ein leises Jammern?
Sie ist es! sie selber, die von der Folter
Zum Kerker wanket! o halt' ein, bange Klage!
Ha! wer nahet?

ANICHINO
Mein Herzog! Beatrice bekannte nicht.
Doch die Versammlung verdammt sie zum Tode!
Nur noch Dein hoher Name
Fehlt hier auf diesem Blatte!

FILIPPO
Sie bekannte nicht?

ANICHINO
Die Unschuld beugt keine Marter.

CHOR
In Deiner Hand, Gebieter,
Ruht das Geschick der Armen,
O zeige Huld, Erbarmen, –
Ach höre unser Fleh'n!

FILIPPO
Nein! ich bin entschlossen,
Das verhängnissvolle Blatt, – ich will es unterschreiben!
Ha! unmöglich! Ich fühle mein Herz sich sträuben!
Als ein Flüchtling irrt' ich im Lande,
Sie erhob mich zu Glanz und Ehre!
Und ich lohn' ihr mit Schmach und Schande,
Ich bereite ihr – das Beil!
Flieh'n muss ich der Menschheit Blicke,
Die sich schaudernd von mir kehret.
Meine Ruhe ist zerstöret,
Und dahin mein ewig Heil!
Ja, sie lebe! – Welch' ein Lärm!
Ha, wer nahet? Geht und sehet!

CHOR DER FRAUEN
Welch' ein Schrecken?

FILIPPO
Sprecht!

CHOR
O Herr!
Lasst die Thore schnell verwahren!
Denn die alten Kriegerbanden,
Die im Sold Facino's standen,
Sammeln sich zu dichten Schaaren,
Um die Fürstin zu befrei'n!

FILIPPO
Und schon hört' ich des Mitleids Stimme,
War entschlossen, ihr zu verzeih'n?
Ja, das Urtheil sei vollzogen!

CHOR
Gnade, Herr! hört unser Flehen!

FILIPPO
Diese Kühnheit der wilden Menge
Stürzt die Schuld'ge in's Verderben;
Ihr Verbrechen, nicht meine Strenge,
Führet sie zum Blutgerüst!
Tief in's Grab mit ihr versinket
Jeder Kampf um Reich und Krone.
Ja, sie falle, – auf meinem Throne
Fasst der Raum uns Beide nicht!

CHOR
Höret doch den Ruf der Gnade,
Der zu Euerm Herzen spricht.

Alle ab.


SECHSTE SZENE
Vorhof zu den Gefängnissen des Schlosses.
Frauen und Diener der Beatrice. Schildwachen.


Nr. 12 - Zweites Finale

CHOR DER FRAUEN und DIENER
Sie betet!
Nichts soll die arme Dulderin
In ihrer Andacht stören!
Nie stiegen rein're Bitten
Auf zu des Himmels Sphären!
Nie blickte Gott hernieder
Auf ein so reines Herz,
Heilig durch frommen Glauben,
Und durch erlitt'nen Schmerz.
Mög' in der letzten Stunde
Treu sich ihr Muth bewähren,
Dass selbst des Todes Qualen
Nicht ihr Vertrauen stören.
Und ihre hohe Tugend,
Die mit verruchten Händen
Die Bosheit wagt zu schänden,
Besiegle ein frommer Tod.


SIEBTE SZENE
Vorige. Beatrice.

BEATRICE
Stumm war die Lippe!
Mit nie gekanntem Muthe stärkte mich
Der Himmel! und nichts bekannt' ich!
O Wonne! Ich besiegte den Schmerz! –
Ich sterbe, Ihr Freunde!
Doch ruhmvoll sterb' ich, und hell umstrahlet
Vom Glanze der Tugend. Nicht so jene Frevler!
Die mit der Bosheit Waffen die Unschuld verfolgen,
Ihr ruchloses Urtheil
Mag die Nachwelt bestrafen!

CHOR
So sei's! –

BEATRICE
Mein Tod bring' Filippo Schande,
Mein Blut, vom Beil vergossen,
Fall' auf des Frevlers Haupt!
Wer es auch sei, der zu meinem Sturze
Sich mit ihm verbunden!


ACHTE SZENE
Vorige. Agnese

AGNESE
Ha!

ALLE
Agnese!

AGNESE
Halt' ein! Lass Deine Zunge
Mich nicht verdammen! Im Stanb zu Deinen Füssen
Lass mich vor Reue, vor Angst vergehen!

BEATRICE
Agnese, Dich quälet Reue?

AGNESE
Ja, ew'ge Reue! Durch mich gehst Du zum Tode –
Ich liebte Orombello!

BEATRICE
Ha, was sagst Du?

AGNESE
Ich wähnte, er sei Dir theuer!
Ich schlich in Deine Zimmer,
Stahl Deine Briefe, und kaufte Dein Verderben
Mit meiner Ehre.

BEATRICE
Schändliche! –
Schweige, fliehe! meide meine Blicke
Dass in dieser Stunde,
Wo mein Leben sich endet,
Ein Fluch die Lippe nicht entweiht!

AGNESE
Erbarmen!

OROMBELLO
Ach, eine Engelsstimme
Dringet in diese Mauern.
Sie wehrt den Todesschauern,
Und – lehret mich verzeih'n!

AGNESE
Hört, er verzeiht!

BEATRICE
Lass uns in Frieden scheiden,
Da Dir sein Mund vergeben!
Mag Dir, versöhnt mit Beiden,
Die Ruhe sich erneu'n!

AGNESE
Dass ich mein Dasein trage,
Hast Du mir Kraft gegeben!
Ich will mein ganzes Leben
Nur weinen und bereu'n!

ANICHINO und CHOR
O Gott, sieh die Thränen,
Du wollest ihr verzeih'n.

BEATRICE
Was hör' ich?

AGNESE
Weh' mir!

BEATRICE
Ich sehe
Des Trauerzuges Nähe!


LETZTE SZENE
Vorige. Rizzardo mit Hellebardieren und Gerichtspersonen.

ALLE
Ach! die Hoffnung entschwand!

BEATRICE
Lasst meinen Muth jetzt nicht erliegen!
Nur noch ein Tropfen, ihr Freunde!
Und endlich ist er ausgetrunken
Dieser Kelch bitt'rer Leiden! –

ALLE
O nimm ihn, Allmächt'ger, o nimm ihn von ihr! –

BEATRICE
Ihn ganz zu leeren,
Hat Gott mir Kraft verliehen! –
Ich bin bereit!

AGNESE
Weh mir, ich sterbe!

BEATRICE
So lebt denn wohl!
Wenn man mir ein Grab vergönnet,
Lasst ein Blümchen ihm entblühen,
Betet dort auf Euern Knieen,
Für Filippo, nicht für mich! –
Dieser Armen mögt ihr verkünden,
Dass ich sterbend sie umarmet!
Lass, o Gott, sie Ruhe finden!
Ihrer Qual erbarme Dich! –

ANICHINO und CHOR
Unglücksel'ge! – Dies zu sehen
Hat das Schicksal uns erlesen!
Weh dem Land, wo solch ein Wesen
Durch das Henkerbeil erblich!

BEATRICE
Nur für die, die hier verweilen,
Betet, Freunde, nicht für mich!
Kommt, ich folge!

CHOR
Ach! Euern Segen!
Euern Segen, eh' Ihr scheidet!

BEATRICE
Seyd gesegnet! Ach, hemmt die Thränen!

CHOR
Wer erwehrt der Thränen sich?

BEATRICE
Nein, der Tod ist mir kein Leiden!
Einen Sieg hab' ich errungen,
Gleich dem Sclaven, dem's gelungen,
Seinen Banden zu entflieh'n.
Ohne Kummer, ohne Reue
Scheid' ich von der Erde Freuden,
Bringe nur der Meinen Treue
Vor den Thron des Höchsten hin!

CHOR
Möge dort zum Lohn der Leiden
Ew'ge Wonne Dir erblüh'n!