Libretto: Faust (Margarethe)

von Charles Gounod


Margarethe


Personen:
MARGARETHE (Sopran)
FAUST (Tenor)
MEPHISTO (Bass)
VALENTIN (Bariton)
MARTHE (Alt)
BRANDER (Bariton)
SIEBEL (Sopran)

Bürger, Studenten, Soldaten, Hexen und Geister

ERSTER AKT

Nr. 1 - Introduktion

ERSTE SZENE
Faust's Studierzimmer. Faust an einem mit Folianten bedeckten Tische; die Lampe ist erloschen;
ein offenes Buch liegt vor ihm.


Nr. 2 - Szene und Chor

FAUST
Nichts!! ..
Umsonst befrage ich der lichten Sterne Chor,
Dem Sinn ist stumm das Weltenall,
Und keine Stimme flüstert in mein Ohr
Des Trostes sanften Schall!
Schmachtend träum' ich wie zuvor,
Irdische Pein verhüllt den Glanz
Der Wahrheit dir, o armer Thor!
Ich zweifle stets und zweifle ganz.

Schlägt das Buch zu und steht auf. Der Tag bricht an

Der Morgen naht, des Lichtes Macht
Verdrängt die Nacht;

Mit Verzweiflung

Ein neuer Tag erscheint!
O Tod, wann nahest du
Zu stillen meinen Drang?

Ergreift ein Fläschchen auf dem Tische

Wohlan, mit dir vereint
Mich dieser Labetrank!
Dir gilt mein letzter Gruss, o Tag!
Ich nähere mich voll Mut
Getrost dem Pilgerziele,
Verschwunden sei die letzte Klag',
Ich trotze kühn des Schicksals Spiele!

Giesst den Inhalt des Fläschchens in eine Kristallschale; im Begriff, diese an den Mund zu führen, ertönt hinter der Szene ein Chor junger Mädchen

CHOR
Ah! Schlummernde Mägdelein,
Auf, erwacht!
Sonnenschein so warm herein
Ins Stüblein lacht.
Vöglein im bunten Kleid
Singet sein Lied,
Lichtstrahl an Lichtstrahl reih't,
Dämm'rung entflieht.
Silberne Quelle fliesst
Auf grüner Flur,
Blume der Knosp' entspriesst
Und Lieb' der Natur!

FAUST
Eit'le Klänge der ird'schen Lust,
Eilet, eilet hinweg! Enteilt!
O Becher, den Freude
Gefüllet zum Rand,
Was bebest du heute
In meiner Hand?

Führt die Schale an den Mund

CHOR der Landleute
Frisch auf, ins Feld, die Erde lacht,
Die Lerche singt, der Tag erwacht;
Sei uns gegrüsset, Morgenrot!
Die Sonne glänzt auf Wald und Au',
Und Blum' und Gras trinkt Morgentau;

DOPPELCHOR
Gelobt sei Gott!

Faust sinkt in den Sessel zurück

Nr. 3 - Rezitativ

FAUST
Doch dieser Gott, was vermag er für mein Glück?
Gibt er mir Glauben, Lieb' und Jugend je zurück?
Verflucht seist du auf ewig, eitles Menschenherz,
Verflucht die Kette, das ird'sche Band
Von Erdenglück und Erdenschmerz!
Verflucht, was uns mit Trug umspannt,
Des Himmels Macht, der Seele Trieb,
Verflucht sei Glück, sei Ruhm und Macht!
Der Hoffnung Fluch und Fluch der Lieb',
Fluch dir Geduld!
Satan herbei! Herbei zu mir!

Mephistopheles erscheint


ZWEITE SZENE

Nr. 4 - Duo

MEPHISTOPHELES
Wer ruft? - Gefall' ich dir nicht?
Was starrst du so mir ins Gesicht?
Den Degen zur Seit',
Die Feder am Hut,
Und die Tasche voll Geld,
Ja keck und voller Mut,
Und angetan
Wie ein rechter Edelmann!
Wohlan, so sprich! was willst du von mir?
Nur keck, rede, was fehlet dir?

FAUST
Geh'!

MEPHISTO
Meinen Dienst ich dir gelobe.

FAUST
Vergebens!

MEPHISTO
Stell' ihn doch auf die Probe!

FAUST
Hinweg!

MEPHISTO
Ei! das ist ein art'ger Lohn!
Hast du den Teufel nur genannt
Zum Zeitvertreib und sprichst ihm Hohn,
Weil er, gnäd'ger Herr, dich fand?

FAUST
Was vermagst du für mich?

MEPHISTO
Alles! Alles!
Doch sag' mir zuvor, was wünschest du?
Ist Gold dein Begehr?

FAUST
Was soll Gold, was soll mir Reichtum?

MEPHISTO
Gut, ich sehe deiner Wünsche Ziel:
Dich lockt des Ruhmes Glanz!

FAUST
Weit gefehlt!

MEPHISTO
Die Gewalt -?

FAUST
Nein!
Ein Wunsch mich beseelt,
Der Alles vereint.
So höre: die Jugend!
O gib junges Blut,
Gib Wonne und Glück,
O gib neuen Mut
Und Kraft mir zurück!
O gib süsse Lieb'
Süss-Mägdeleins Kuss -
Und wonnigen Trieb,
Vereinend zur Lust!
Warm Herz, frohen Sinn
Gib neu mir zurück,
O gib den Gewinn
Der Liebe: das Glück!

MEPHISTO
Wohlan, es sei!
Ich vermag dein Sehnen zu stillen.

FAUST
Und was biet' ich dagegen dir?

MEPHISTO
So viel wie Nichts!
Hienieden gehorch' ich dir -
Aber dort gehörst du mir.

FAUST
Dort?

MEPHISTO
Ja, dort. -

Er reicht ihm ein Blatt

Nun schreibe!
Du bebst? hab' Vertrauen,
Deiner harrt schon die schönste Maid!
Sieh die Jugend dir winken,
Wag' nur, sie anzuschau'n!

Auf Mephisto's Wink öffnet sich der Hintergrund; man sieht Margarethe am Spinnrade

FAUST
Ha, welch Wunder!

MEPHISTO
Endlich! - Nun, so schreibe!

FAUST
Gib her!

Er unterschreibt

MEPHISTO
Es ist gescheh'n!

Reicht Faust die Schale

Von nun an soll, o Faust!
Aus dieses Bechers Schaum
Ein neues Leben dir erblühen,
Und junges Blut strömt rein und voll
In deine Brust;
Gift, Schmerz und Tod sei Traum!

FAUST
ergreift die Schale
Dir, schönes Götterbild,
Sei dieser Trank geweiht!

Faust leert die Schale und verwandelt sich in einen eleganten Junker. Die Erscheinung verschwindet

MEPHISTO
Komm!

FAUST.
Werd' ich sie wiederseh'n?

MEPHISTO
Kein Zweifel.

FAUST
Wann?

MEPHISTO
Noch heute.

FAUST
Wohlan!

MEPHISTO
Ins Weite!

FAUST UND MEPHISTO
Wohlan denn!

FAUST
Ich fühl' junges Blut,
Lust, Wonne und Glück,
Ich fühl' neuen Muth,
Und Kraft kehrt zurück!
Ich fühl' süsse Lieb'
Süss-Mägdeleins Kuss
Und wonniger Trieb
Vereint uns zur Lust!
Warm Herz, froher Sinn
Kehrt neu mir zurück,
Ich fühl' den Gewinn
Der Liebe: das Glück!

MEPHISTO
Dir winkt süsse Lieb',
Dir winket der Mägdelein Kuss,
Und wonniger Trieb
Vereint uns zur Lust;
Warm Herz, froher Sinn
Kehrt neu dir zurück;
Dein ist der Gewinn
Der Liebe: das Glück!

ZWEITER AKT

ERSTE SZENE
Vor einem Stadttor. Zur Linken eine Herberge mit dem Schilde "Zum Gott Bacchus".
Kirmess

Brander. Junge Mädchen. Matronen. Bürger. Studenten. Soldaten

Nr. 5 - Allgemeiner Chor

STUDENTEN
Wein und Bier,
Und Bier und Wein
Munden mir,
Drum schenket ein!
Seinen Becher
Zug um Zug
Leert der Zecher
Wie im Flug!

BRANDER
Alles Nasse
Trinkt er gern,
Bleibt das Wasser
Nur ihm fern,
Und ihm winken
Freud' und Lieb',
Wo zu trinken
Es was gibt.

STUDENTEN
Alles Nasse
Trinkt er gern etc.

Stossen an und trinken

SOLDATEN
Mädchen oder Vesten
Nehmen wir, gleichviel,
Den Soldaten-Gästen
Ist das leichtes Spiel!
Wer kühn es unternommen,
Als ein rüstiger Held,
Wird zu eigen sie bekommen
Und das Lösegeld!

BÜRGER
Sonntags und an Feiertagen,
Da plaudr' ich gern von Krieg und Streit,
Während sich die Völker weit
Ihre Köpfe zerschlagen.
Um Länder kämpft der Türk' und Russ',
Ich aber sitz' im weichen Grase
Auf dem Hügel hier am Fluss,
Trink' aus vollem Glase!

Bürger und Soldaten ziehen sich in den Hintergrund zurück

JUNGE MÄDCHEN
Seht' dort jene lust'gen Knaben
Nah'n mit kühnem Schritt,
Müsst euch nicht zu strenge haben,
Wollen auch gern mit.

Gehen nach rechts in den Hintergrund

STUDENTEN
Nach den Mädchen lasst uns schauen,
Und erwählen sie,
Doch den Blicken nicht vertrauen,
Herzen stehlen sie!

MATRONEN
beide Chöre betrachtend
Seht, nach jenen eitlen Kindern
Läuft der Männer Schwarm;
Können wir sie doch nicht hindern.
Dass sich Gott erbarm!

Haben sich auch in den Hintergrund begeben

JUNGE MÄDCHEN
Ihr wollt gefallen,
Benehmt euch fein,
Und eure Krallen -
Zieht sie nur ein.
Kraust man auch die Stirne
Und wird man rot,
Kommen hübsche Jungen,
Nimmt man doch sie an:
Ja, ein wenig glauben
Muss man dem Galan!

MATRONEN
Sie woll'n gefallen,
O wir sehen's ein;
Ja, sie sind fein,
Das seh'n wir ein.
Kräuselt nur die Stirne,
Seid verschämt und rot,
Nahen euch die Jungen,
Nehmt ihr doch sie an.
Seht, die scheuen Tauben
Kirret der Galan! -
Ob sie, ihm zu glauben,
Wohl auch recht getan?

BÜRGER
Wohlan! schenkt ein!
Wie schmeckt so fein
Der edle Wein!
Mein Weib zürne,
Das soll den Spass mir nicht rauben.
Wohlan, schenk' ein,
Süss schmeckt der Wein!
Herr Nachbar, schenkt ein
Ein Glas Wein!
Mir soll gefallen
Ein Gläschen Wein!

STUDENTEN
Wir wollen Vasallen
Der Schönheit sein,
Wir wollen gefallen
Und lieben allein!
Zieret sich die Dirne,
Hat es keine Not!
Kommen wir gesprungen,
Nimm sie doch uns an.
Süsse holde Tauben,
Euch beten wir an!

STUDENTEN
im Wirtshaus
Hoch leb' der Wein!
Er lebe hoch, der Wein!
Wein und Bier,
Bier und Wein
Munden mir,
Drum schenkt ein!
Seinen Becher
Zug um Zug,
Leert der Zecher
Wie im Flug!
Alles Nasse
Trinkt er gern,
Bleibt das Wasser
Nur ihm fern!
Und ihm winken
Ruhm und Lieb',
Wo zu trinken
Es was gibt.

SOLDATEN
Krieger vor Allen
Mädchen gefallen,
Krieger vor Allen
Mutig und fein,
Sie nur, sie gefallen
Und ihr Liebeswallen
Stets den Mägdelein!
Nehmt die schmucken Dirnen,
Uns schreckt nicht ihr Zürnen,
Sturm heisst das Gebot;
Bis wir sie bezwungen,
Bis der Sieg errungen
Und das Werk getan,
Stimme frohe Weisen,
Unsre hat zu preisen,
Lied und Trommel an!
Wir, nur wir gefallen
Stets den Mägdelein!

Alle Chöre nach verschiedenen Richtungen ab


ZWEITE SZENE
Valentin. Brander. Siebel. Studenten-Chor

Nr. 6 - Rezitativ

VALENTIN
tritt auf, eine silberne Medaille in der Hand
O heiliges Sinnbild,
Das mein Gretchen mir gab,
Den Tod stets abzulenken,
Auf meinem Herzen ruh',
Schmerz und Unheil wend' ab.

Hängt die Medaille um den Hals und geht nach der Schenke zu

BRANDER
Seht, dort naht Valentin,
Schon zur Reis' angeschickt.

VALENTIN
Ein letzter Trunk, Kam’rad,
Und dann ins Feld gerückt.

BRANDER
Was fehlt dir? welcher Kummer,
Sprich, bedrückt dein Herz?

VALENTIN
So wie ihr, scheid' von der Heimat
Ich voll Schmerz.
Ich lasse Margarethe,
Sie bleibt hier ohne Schutz,
Die Mutter wacht nicht mehr!

SIEBEL
Ich biete allem Trutz.
Dass schützet sie mein Arm,
Gelob' ich dir!

VALENTIN
Hab' Dank!

SIEBEL
Vertraue fest auf mich!

CHOR
Wir auch beschützen sie!

BRANDER
Ihr Freunde, kommt! Lasst unmännliche Tränen,
Scheucht mit dem edlen Weine eitles Sehnen.
Stosst an! stosst an! und trinkt und singt;
Zum Abschied singt ein fröhlich Lied!

CHOR
Stosst an! stosst an! etc.

BRANDER
Ne Ratt', furchtsam gar und feige,
Die sich stets verkroch,
Die sass, zehrend jede Neige,
In dem Kellerloch!
Ne Katz -


DRITTE SZENE
Mephisto. Die Vorigen

MEPHISTO
Verzeiht!

BRANDER
He?

MEPHISTO
Will's den Herren nicht bequemen,
In ihren Kreis mich aufzunehmen?
Singt, Freund', und wenn mit Eurem Lied ihr fertig seid,
Bin auch ich etwas zu singen gerne bereit.

BRANDER
Lass nur hören dein Lied,
Wir wissen es zu schätzen.

MEPHISTO
Ich werd' mein Bestes tun,
Die Herren zu ergötzen!

Nr. 7 - Rondo

Ja, das Gold regiert noch die Welt,
Und sie senden
Weihrauchspenden
Der Macht, die sie gefesselt hält.
Hört die güldnen Taler klingen;
Auf des Götzen Weltaltar
Bringt ein Fürst selbst Opfer dar,
Und im tollen Reigen schwingen
Sich herbei die Völker all',
Satan selbst führt an den Ball!

Vor dem Gold liegt die Welt im Staub.
Sie baut Throne,
Gott zum Hohne,
Zu ihm auf ins Aetherblau!
Mammon schürzt die goldnen Schlingen,
Und der Krieg, die Angst und Not,
Fluch, Verheerung, Sünd' und Tod
Mit der Menschheit rastlos ringen.
Hell erglänzt der Höll' Metall,

CHOR
Satan selbst führt an den Ball!

Nr. 8 - Szene und Chor

CHOR
Wir danken für dein Lied.

VALENTIN
Ein kurioser Geselle!

BRANDER
Behagt Euch ein Glas Wein,
So stosset an mit mir.

MEPHISTO
ein Glas nehmend
Herzlich gern!

Brander's Hand fassend

Doch was erblick' ich hier?
Seht Ihr wohl diese Linie?

BRANDER
Und nun?

MEPHISTO
Lasst Euch prophezeihen:
Der nächste Festungssturm
Bringt Euch sicher den Tod!

SIEBEL
So seid ein Zaub'rer Ihr?

MEPHISTO
Siebel's Hand fassend
Darum seh' ich voll Not, o Knab',
In deiner Hand geschrieben dein Geschick,
Dass jede Blum' von dir berührt,
Verwelkt im Augenblick!

SIEBEL
Wie?

MEPHISTO
Kein Sträusslein mehr bringst du Margarethen.

VALENTIN
O sprich, wer nannte diesen Namen dir?

MEPHISTO
Mögt das Schwert immer wetzen!
Der den Tod Euch bringt, o Held,
Ist nicht mehr weit! -

Er trinkt

Auf euer Wohl!
Pfui! bringt den schlechten Trunk bei Seit'.

Indem er auf eine Bank steigt, schlägt auf das kleine Fass, auf welchem Bacchus als Schild der Schenke angebracht ist

Erlaubt aus meinem Keller euch
Ein Pröbchen vorzusetzen.
Hollah! Vater Bacchus, schenk' ein!
Kommt Alle heran!
Ein Jeder wähle dann, was ihm beliebt;
Es lebe hoch die allgekannte Schöne,
Hoch Margarethe!

VALENTIN
entreisst Mephisto das Glas; der verschüttete Wein brennt in Flammen
Genug! des Todes bin ich wert,
Wenn ich nicht strafe deine Red'!

BRANDER
Hollah!

CHOR
Hollah!

MEPHISTO
Ihr bebt und zagt,
Die mir zu droh'n gewagt?

VALENTIN
zieht sein Schwert
Mein Schwert, o welch Grauen,
Scheint in die Luft zu hauen!

Alle ziehen die Schwerter; Mephisto zieht mit dem seinen einen Kreis um sich; die Studenten dringen auf ihn ein und werden von einer unsichtbaren Macht zurückgehalten. Valentins Schwert zerbricht

SIEBEL, BRANDER, VALENTIN, CHOR
Ja, wir müssen der Hölle Trug erliegen,
Unser Schwert kann ob Zauberspuk nicht siegen.

Alle fassen die Schwerter an den Klingen und halten sie Mephisto in Kreuzesform entgegen

VALENTIN
Doch, der du selbst das Eisen brichst, erzittre,
Dass deine Macht dies Kreuz in Nichts zersplittre!

Mephisto weicht zurück

CHOR
Doch, der du selbst das Eisen etc.

Alle ausser Mephisto ab


VIERTE SZENE
Faust. Mephistopheles

MEPHISTO
sein Schwert einsteckend
Wir treffen uns schon wieder, meine Freunde!
Lebt wohl!

FAUST
Sprich, was fehlt dir?

MEPHISTO
Nichts!
Auf, ans Werk jetzt sogleich!
Sagt mir, Herr Doktor, nun, -
Womit soll ich beginnen?

FAUST
Wo birgst du das liebliche Kind,
Das du jüngst mir gezeigt?
Es darf mir nicht entrinnen.

MEPHISTO
O nein! Doch schwer wird's halten,
Ihre Unschuld zu gewinnen,
Da selbst der Himmel sie bewacht.

FAUST
Was tut's, ich will's!
Auf, führe mich zu ihr,
Oder ich scheide von dir!

MEPHISTO
Nun so sei's!
Allzusehr halt' ich an meiner neuen Pflicht,
Drum walte auch ein Zweifel länger nicht.
Wartet hier!
Bei dieser frohen Töne Klang
Das schöne Kind erscheint
Und stillt des Herzens Drang.


FÜNFTE SZENE
Die Vorigen. Studenten. Junge Mädchen. Matronen. Bürger, dann Siebel und Magarethe.
Studenten und Mädchen beginnen den Tanz, Musikanten und Bürger folgen.


Nr. 9 - Walzer und Chor. Tanz

CHOR
Leichte Wölkchen sich erheben,
Von des Zephyrs Hauch bewegt,
Und der Staub fliegt leicht erregt,
Wo im Tanz die Paare schweben,
Auf der Freude frohen Schwingen
Weithin hört den Walzer klingen.

MEPHISTO
Sieh die schönen Gestalten!
Willst du nicht der Schönsten unter ihnen
Anbieten deinen Arm?

FAUST
Lass die Scherze, die Spötterei'n;
Sie allein bringt Heil meinem Herzen!

SIEBEL
Ich muss an diesem Ort bald sehen Margarethen!

EINIGE JUNGE MÄDCHEN
Du hast uns heut' noch nicht zum Tanz gebeten!

SIEBEL
Nein, nein! Ich tanze heut' nicht.

CHOR
Leichte Wölkchen sich erheben etc.

Margarethe tritt auf

FAUST
O welch Glück! sie ist es!

MEPHISTO
Nun wohl! so sprich zu ihr.

SIEBEL
Margarethe!

MEPHISTO
Was gibt's?

Mephisto stellt sich zwischen Siebel und Margarethe

SIEBEL
Verwünschter Kerl! auch noch da!

MEPHISTO
Ja, wirklich mein Freund! Ihr auch da?
Haha! Wahrhaftig, guter Freund, auch Ihr seid da!

FAUST
Mein schönes Fräulein, darf ich's wagen,
Meinen Arm und Geleit Euch anzutragen?

MARGARETHE
Bin weder Fräulein, weder schön,
Kann ungeleitet nach Hause geh'n.

FAUST
Auf mein Wort, sie ist reizend
Und schön zum Entzücken!
O himmlische Maid, dich lieb' ich!

SIEBEL
Sie ist verschwunden!

MEPHISTO
Wie ging's?

FAUST
Weh mir! man stiess mich zurück!

MEPHISTO
Wohlan! so misch' ich mich drein,
Und bald ist Margarethe dein!

Mephisto und Faust ab

JUNGE MÄDCHEN
Sprecht, was gibt's?

ZWEITE GRUPPE DER MÄDCHEN
Es war Gretelein, die von dem Junker
Nicht wollte begleitet sein.

CHOR
Tanzet, walzet, tanzet nur zu!
Leichte Wölkchen sich erheben etc.
Seht wie schnell sie sich drehen,
Im weiten Raum Gewänder leicht wehen.
Welch Glück, welche Wonne
Erregt die Brust,
Nichts unter der Sonne
Gleicht dieser Lust!

DRITTER AKT

Garten bei Margarethe. Im Hintergrund eine Mauer mit Pforte. Links ein Bosquet. Rechts ein Pavillon, dessen Fenster dem Publikum gegenüber liegen. Bäume und Strauchwerk.

ERSTE SZENE
Siebel kommt durch die Pforte und bleibt beim Pavillon neben einem Rosen- und Fliederbusch stehen

Nr. 10- Romanze

SIEBEL
Blümlein traut, sprecht für mich
Recht inniglich!
Liebesgruss zu ihr traget,
"Bist so schön" schmeichelnd saget,
"Dass sein Herz Tag und Nacht
Für dich nur wacht."
Blümlein traut, sprecht für mich
Recht inniglich!
Hauchet leis' ihr entgegen:
"Holde lass dich bewegen",
Blümlein traut, sagt für mich: "Er liebt nur dich."

Pflückt eine Blume

Verwelkt!
Dieser Zaub'rer - Gott verdamm' ihn,

Wirft sie mit Verdruss fort

Bracht' Unglück mir!
Die Blume, die ich pflückte hier,
Sie welkt schon hin.

Pflückt eine andere, die auch welkt

Geweihtes Wasser soll die Hand mir netzen!
Zu beten hier allabendlich,
Ist Magarethens Brauch,

Taucht seine Hand in den Weihbronn-Napf, der am Pavillon angebracht ist

Nun lass sehen, verwelkt sie? Nein!
Satan, ich spotte dein!
Blümlein traut, sprecht für mich
So inniglich,
Was mein Mund ihr verschweiget,
Eure Nähe ihr zeiget;
Rote Ros', Veilchen blau,
Mein Herz vertrau'!
Blümlein traut, sprecht für mich
Recht inniglich!
Was ich hoffe, duftend saget,
Wenn errötend sie fraget,
Wer euch bracht', Blümlein wisst -
Leise dann sie küsst!

Eilt in den Hintergrund des Gartens


ZWEITE SZENE
Faust. Mephistopheles. Siebel
Faust und Mephisto kommen durch die Pforte

Nr. 11 - Rezitativ

FAUST
Hier herein?

MEPHISTO
Folget mir!

FAUST
Was erspäht hier dein Blick?

MEPHISTO
Siebel schleicht dort allein!

FAUST
Ist's wahr?

MEPHISTO
Still! - Er ist da.

Beide ziehen sich zurück

SIEBEL
einen Strauss in der Hand
Einen schönern Strauss man nimmer sah!

MEPHISTO
Vortrefflich!

SIEBEL
O Freude! ich werde morgen ihr
Getreu Alles erzählen,
Wird dann ihr Blick mich fragen,
Wen willst du erwählen?
Ein heisser Kuss soll ihr Alles sagen!

Hängt den Strauss an die Tür des Pavillons, dann ab


DRITTE SZENE
Mephisto. Faust

MEPHISTO
Verführer!
Erwartet mich hier, ich muss gehn.
Statt der Blumen werd' ich Euch eine Gabe bringen,
So prächtig wie keine sie geseh'n!
Blitzend Gestein soll ihr Herz bezwingen,
Und Alles Euch nach Wunsch gelingen.

FAUST
Welch unbekannter Zauber fasst mich an,
Ich fühl's, die Liebe ist kein leerer Wahn!
O Margarethe, dir zu Füssen lieg' ich hier!


VIERTE SZENE

Nr. 12 - Kavatine

FAUST
Gegrüsst sei mir, o heil'ge Stätte,
Von banger Lust erfüllt ich dich betrete,
Asyl der frommen Einfalt und der keuschen Unschuld!
O welche Pracht in dieser Einfachheit,
Welch Geist der Ordnung und Zufriedenheit!
O Natur, hier fandest du das Kind,
Die Jahre schwanden,
Ein reizendes Götterbild
Ist leicht erstanden;
In diesem stillen Hause
Hier schufst du so viel Anmut,
Hier war's - ja, hier mit frohem leichten Leben
Ihr junges Herz fülltest du aus:
Gegrüsst sei mir etc.


FÜNFTE SZENE

Nr. 13 - Rezitativ

Mephisto. Faust

MEPHISTO
mit einem Kästchen unterm Arm
Von dannen, sie naht!
Verdrängt der Blumenstrauss selbst diesen Schmuck,
Dann ist's vorbei mit allem Zauberspuk!

FAUST
Hinweg! Denn nie will ich sie wiederseh'n!

MEPHISTO
Wie, Ihr zaudert jetzt?
An der Schwelle der Tür
Sieht stehen sie den Schmuck.
Jetzt kommt und lasst uns geh'n!

Setzt das Kästchen an die Türe des Pavillons. Beide ab


SECHSTE SZENE

Nr. 14 - Szene und Arie

MARGARETHE
erscheint in der Pforte und kommt sinnend in den Vordergrund
Ich gäb' was d'rum, wenn ich nur wüsst',
Wer heut' der Herr gewesen ist. -

Setzt sich ins Bosquet an ihr Spinnrad, spinnt und singt

Es war ein König in Thule
Getreu bis in das Grab,
Dem sterbend seine Buhle
Einen goldenen Becher gab.

Gesprochen
(Er hat ein edles Wesen, so schien es mir sogleich.)

Es ging ihm nichts darüber,
Er leert' ihn jeden Schmaus;
Die Augen gingen ihm über,
So oft er trank daraus.

Und als es kam zum Sterben,
Zählt' er seine Städt' im Reich,
Gönnt Alles seinem Erben -
Den Becher nicht zugleich;

Er sass beim Königs-Mahle,
Die Ritter um ihn her,
Im hohen Vätersaale
Dort auf dem Schloss am Meer.

Dort stand der alte Zecher,
Trank letzte Lebensglut,
Und warf den heil'gen Becher
Hinunter in die Flut!

Gesprochen
(Ich wusste nichts zu sagen; erröten tat ich nur.)

Er sah ihn stürzen, trinken
Und sinken tief ins Meer!
Die Augen täten ihm sinken,
Trank nie einen Tropfen mehr! -

Nur grosse Herr'n sie geh'n
So stolz daher, so huldvoll auch dabei.
Doch nun davon nichts mehr! -
O Valentin, hört Gott mein Fleh'n,
Bald kehrst du heim! Bin hier ja so allein!

Geht zum Pavillon und sieht das Bouquet an der Türe

Einen Strauss!

Sie nimmt ihn

Siebel kam mich zu seh'n.
Ach armer Freund! - Was seh' ich da?

Erblickt das Kästchen

Wo kommt das reiche Kästchen her?
Ich wag' heran mich kaum!
Doch vielleicht, - dabei der Schlüssel lag;
Soll ich es öffnen? Ha, ich bebe! Warum?
Tue ich deshalb doch keine Sünde!

Öffnet das Kästchen und lässt den Strauss fallen

O Gott! welch reicher Schmuck!
Ist's ein lieblicher Traum, der mich täuscht, der mich belüget!
Und der mit seinem wunderbaren Glanz mich betrüget!

Setzt das Kästchen auf einen Stuhl und kniet davor

Ach, ich wage es kaum,
Und trüge doch so gern
Hier diese Ohrgehänge.
Ach, ein Spiegel liegt dabei,
Gleich darin sich zu sehen,
Recht bequem! wie nun ihm länger widerstehen?

Schmückt sich mit den Ohrgehängen und blickt in den Spiegel

Ha, welch ein Glück mich zu seh'n,
Mich hier so prächtig und schön!
Spiegel klar, ich dich frage:
Bin ich's denn? Schnelle mir es sage!
Nein, nicht Gretchen ich find',
Nein, ihr Bild nicht hier sich zeiget,
'S ist ein stolzes Königskind,
Vor dem Jeder sich beuget!
Ach wär' er jetzt bei mir,
Säh' er so schön mich hier,
Kaum würd' er mich erkennen,
"Holdes Fräulein" mich nennen!
Ah, wie so schön diese Pracht mich schmücket!
Begierig bin ich nun zu seh'n,
Wie Kett' und Halsband mir wird steh'n.

Legt das Armband an und steht auf

Gott! Es ist als ob eine schwere Last mich drücket!
Ah! - Ha, welch ein Glück mich zu sehen etc. etc.


SIEBENTE SZENE
Marthe. Margarethe

Nr. 15 - Rezitativ

MARTHE
durch die Pforte
Herr, mein Gott, was seh' ich!
Mein Engel, kaum erkenn' ich dich!
Woher der reiche Schmuck?

MARGARETHE
verlegen
Je nun, ich fand ihn an der Tür' stehn.

MARTHE
Euch gehört er, ja das könnt Ihr mir glauben,
Niemand kann ihn Euch rauben.
Ach, mein Mann, er war nie so galant.


ACHTE SZENE
Die Vorigen. Faust. Mephisto

MEPHISTO
mit tiefer Verbeugung
Frau Martha Schwerdtlein, ist's erlaubt -

MARTHE
Nun, wer ruft mich?

MEPHISTO
Entschuldigt, dass so frei herein wir uns gewagt.

Zu Faust leise

Dort seht, was vom Schmuck ich zuvor Euch gesagt.

Laut

Frau Marthe Schwerdtlein?

MARTHE
Ja, ich bin's.

MEPHISTO
Ach, es schmerzt, betrübt mich sehr,
Ich bring' Euch eine traurige Mär':
Euer Gemahl, Madam,
Ist tot und lässt Euch grüssen.

MARTHE
O mein Gott!

MARGARETHE
Nun, was ist's?

MEPHISTO
Nichts.

MARTHE
O welch harter Schlag! O welch banger Tag!

MARGARETHE
trägt das Kästchen fort
Ach ich bebe und zag',
Diesen Schmuck werd' ich büssen!

FAUST
O wie gerne läg' ich zu ihren Füssen!

MEPHISTO
Euer Mann ist tot, Madam,
Und lässt Euch grüssen!

MARTHE
Und bringt Ihr von ihm kein Geschenk?

MEPHISTO
Nichts! Ich an Eurem Platz
Sucht', um ihn zu strafen,
Mir einen andern Schatz.

FAUST
zu Gretchen
Warum legst du ab diese Zier?

MARGARETHE
Dieser Schmuck, er gehört nicht mir,
Drum lasst, o lasst, ich bitte!

MEPHISTO
Verböt' es nicht alle Sitte,
Ich würde wahrlich wagen
Mich selber anzutragen.

MARTHE
So sprecht nur fort! -

MEPHISTO
O weh', sie nimmt mich gar beim Wort!

Marthe und Mephisto sprechen leise

Nr. 16 - Quartett

FAUST
zu Gretchen
Bitte, o nehmt meinen Arm!

MARGARETHE
ablehnend
O lasst, ich Euch beschwöre!

MEPHISTO
zu Marthe
Euren Arm!

MARTHE
bei Seite
Er ist galant!

MEPHISTO
bei Seite
Die Nachbarin hat ganz ihr Herz mir zugewandt.

MARGARETHE
Lasst, ich Euch beschwöre!

MARTHE
Ja, ich gern Euch höre!

FAUST
Liebe ich dir schwöre.

MEPHISTO
Ja, auf meine Ehre!

Margarethe reicht Faust den Arm, sie gehen in's Bosquet. Marthe und Mephisto bleiben allein.

MARTHE
Und Ihr, mein Herr, reist also stets?

MEPHISTO
Wohl lange ist es schon, dass ich so es treib',
Bin allein, hab' nicht Kind, nicht Weib!

MARTHE
Ist man noch jung und flink, dann geht's,
Später doch es gar zu traurig ist,
Allein zu stehn als Egoist.

MEPHISTO
Ich auch habe oft dies bedacht,
Mit Grausen sehe ich's vom Weiten.

MARTHE
Drum beratet Euch bei Zeiten,
Mein werter Herr, nehmt Euch in Acht!

Beide spazierend ab. Margarethe und Faust kommen zurück

FAUST
Und du, bist stets alleine?

MARGARETHE
Mein Bruder ist Soldat,
Meine Mutter ist tot;
Doch als noch lebte mein Schwesterlein,
Da war ich nicht so ganz allein.
Teurer Engel, ihn nahm mir Gott!
Zog sie auf meinen Armen gross,
Hatt' dabei wohl manche Plage;
Doch hätt' ich sie gerne alle Tage,
Hielt ich lebend das Kind im Schoss.
Ich trug und hätschelt' es alleine,
Es weint', war ich nicht da,
So herzlich liebte mich die Kleine,
Sie wusst', wie gut ich's mit ihr meine,
Mein Glück und Stolz war sie ja.

FAUST
Ja gewiss, wenn sie dir glich,
Musste sie ein Engel sein,
Ja, ein Engel gut und rein.

MARGARETHE
Ihr lacht mich aus!
Nein, es kann nicht sein -
Und Ihr spottet mein
So zum Zeitvertreibe.
Drum nichts mehr hiervon,
Zu viel hört' ich schon,
Ob auch gern ich bleibe.

Mephisto und Martha kommen zurück

MARTHE
Kaum find' ich mich drein,
Nein, Ihr spottet mein
So zum Zeitvertreibe,
Kaum find' ich mich drein!
Warum eilt Ihr schon
Nun so schnell davon?
Hör' mich jetzt und bleibe!

FAUST
Nein, ich liebe dich,
Glaub', dass ernst ich's mein',
Lass gesagt dir's sein,
Dass nicht Scherz ich treibe,
Ja, Lieb' spricht allem Hohn,
Trau' des Herzens Ton,
O glaube, o vertraue und bleibe!

MEPHISTO
Ja, Ihr müsst verzeih'n,
Dass ich geh' allein,
Und nicht länger bleibe.
Ist auch schön der Lohn,
Den ich trüg' davon,
Es geht nicht, bei Leibe!
Dass länger ich bleibe!

Es beginnt zu dunkeln

MARGARETHE
zu Faust
Die Nacht bricht an, verlasset mich!

FAUST
Gretchen umfassend
Süss' Liebchen!

MARGARETHE
sich los machend, eilt davon
Lasset mich!

FAUST
O du Böse fliehest mich!

MEPHISTO
bei Seite
Gar zu zärtlich wird die Alte,
Drum hinweg!

MARTHE
Ich gern ihn hätte,
Je nun! er ist fort - Mein Herr!

MEPHISTO
Ja -

MARTHE
Lieber Herr!

MEPHISTO
Lauf hinter her!
Bah! Diese alte alte böse Sieben
Tät' selbst den Teufel lieben!

FAUST
Margarethe!

MARTHE
Lieber Herr!

MEPHISTO
Gute Nacht!

Ab


NEUNTE SZENE
Mephisto versteckt. Marthe, dann Siebel

Nr. 17 - Rezitativ

SIEBEL
für sich
Immer mutig, werd' ihr Alles sagen!

MARTHE
Er ist's!

Fasst Siebels Hand

MEPHISTO
Nein!

MARTHE
Mein Herr! Lieber Herr!

SIEBEL
Was gibt's?

MARTHE.
Siebel ist's!

MEPHISTO
Ja!

MARTHE
In Gretchens Garten? was tut Euch plagen,
Wie könnt Ihr so spät herein Euch wagen?
Kommt nur hinaus, galanter Herr,
Kommt und sprechet nichts mehr!

SIEBEL
Wie?

MARTHE
In's Gered' wollt Ihr sie bringen,
Darum fort, nein, nimmer soll Euch das gelingen!

Für sich

Wär' er schon fort?

MEPHISTO
bei Seite
Nein!

SIEBEL
Ich komme morgen
Marthe und Siebel ab


ZEHNTE SZENE

MEPHISTO
Gut' Nacht, Ihr stört mich sehr!
Zeit war es, dass sie gingen,
Denn kosend kehrt unser Pärchen zurück.
Ganz wohl! Hüten wir uns, hier zu stören
Ein so zartes Stelldichein!
O Nacht verbreite hier dein schattiges Reich -
Ihr Blumen all' verschwendet süssen Duft,
Mit heisser Wollust tränkt die Luft,
Den Zweifel stillt - wohin sie immer trete,
Erfüllt mit Liebessehnen Margarethe!

Er entfernt sich und verschwindet im Hintergrunde


ELFTE SZENE
Margarethe. Faust

Nr. 18 - Duo

MARGARETHE
eilt nach dem Pavillon
Es ist schon spät, lebt wohl!

FAUST
hält sie auf der Stufe zurück
O eile nicht! o bleib, o bleib!
Leg' deine Hand hier in die meine,
Lasse mich in dein holdes Antlitz schauen!
O trau' der Liebe Macht,
Lass Seel' in Seel' uns drängen,
Voll Vertrauen, in stiller Mondesnacht!

MARGARETHE
Süsse Lust, innige Lust.
Fühl' ich sanft sich regen,
Wonne füllt meine Brust!
Seine Worte mich tief bewegen,
Ich fühl es Lieb'-bewusst!
Lasst einmal seh'n, erlaubet -

Bückt sich und pflückt eine Sternblume

FAUST
Was soll das?

MARGARETHE
Ein einfach Spiel!
O sprechet jetzt nicht viel.

Pflückt die Blätter ab

FAUST
Darf ich dein Flüstern nicht verstehen?

MARGARETHE
Er liebt mich - er liebt mich nicht,
Er liebt mich - nicht, er liebt mich, nicht -
Er liebt mich! -

FAUST
Ja, glaub' ihm ganz, du holdes Himmels-Angesicht!

Er umarmt sie

Das Blumenwort sei Götter-Ausspruch, Kind, für dich!
Er liebt dich! Begreifst du ganz dies mächt'ge süsse Wort?
Es heisst, heisst fort und fort
Sich hinzugeben ohne Ende,
In voller Wonne ewiglich kein Ende!

MARGARETHE, FAUST
Nein, o nein, ohne Ende!

FAUST
O Mondenschein, der uns umhüllt
Selig beisammen,
All' unser Bangen stillt,
Ganz uns erfüllt mit Liebesflammen!

MARGARETHE
Ich liebe dich so inniglich,
Bin ganz die Deine,
Geliebter, du der Meine,
O lass mich!

FAUST
O verweile!

MARGARETHE
Flieht, o flieht!

FAUST
Trennung!

MARGARETHE
Ach ich wanke!

FAUST
Ich kann's nicht fassen!

MARGARETHE
Lasset mich!

FAUST
Nein unmöglich!

MARGARETHE
Flieht, o flieht, lasset mich!

Reisst sich aus seiner Umarmung los

FAUST
Mich zu trennen von dir!

MARGARETHE
O treib' nicht länger Scherz,
O brich das Herz nicht Margarethen,
O flieh! ich zittre, o flieh!

FAUST
Sieh meinen Schmerz,
Du brichst mir das Herz!
Margarethe, hör' mein Flehen,
Margarethe, du brichst mir das Herz,
Sieh meinen Schmerz!

MARGARETHE
Auf mein Flehen höre,
Treib nicht länger Scherz.
O brich das Herz nicht Margarethen,
Bei Allem, was mein Herz gestand,
Nicht treibe Scherz!

Fällt ihm zu Füssen

FAUST
Margarethe!
Nein, nimmermehr, ich kann's nicht fassen,
Sieh meinen Schmerz,
Ach du brichst mir das Herz!

Nach einer Pause sie aufhebend

Die Macht der Unschuld siegt,
Ja, keusche Liebe
Stillt heisse Triebe,
Mein Woll'n beschämt sich vor dir neigt.
Ja ich geh', morgen dein!

MARGARETHE.
Eh' der Tag noch erwachet, ganz früh - und stets!

FAUST
Glücklich noch mache ein Wort mich,
Eh' ich scheide, o Teure!

MARGARETHE
eilt nach dem Pavillon und wirft ihm einen Kuss zu
Mein Gruss!

Ab in den Pavillon

FAUST
Beseligende Lust! Fort, hinweg!

Will ab, Mephisto tritt ihm entgegen


ZWÖLFTE SZENE
Faust. Mephisto

MEPHISTO
Die hat ihn berückt!

FAUST
Du hast uns belauscht?

MEPHISTO
Dies mein Amt!
Doch Ihr verdient, was sicher ist,
Dass man Euch in die Lehre schickt.

FAUST
Fort, hinweg!

MEPHISTO
Verweilt doch ein Augenblickchen noch,
Was zu den Sternen spricht Euer Liebchen, das hört doch!
Sieh da, ihr Fenster öffnet sich! -

Faust tritt auf die Treppe des Pavillons, von Margaretha ungesehen


DREIZEHNTE SZENE
Die Vorigen. Margarethe

MARGARETHE
öffnet das Pavillonfenster und stützt den Kopf auf die Hand
Er liebt mich, er liebt mich,
Er, den mein Herz erkor!
Es kos't der Zephyr, es schlägt die Nachtigall,
Der Mondnacht Stimmen flüstern all,
Sie sagen im tausendstimmigen Chor:
Er liebt dich!
Ach wie es mich erfasset!
O selig sein mich lasset,
Ihr Sterne dort mit strahlendem Blick,
Die ihr mich schaut, versteht ihr mein Glück!
Geliebter komm! kehr' bald zurück!

FAUST
eilt an's Fenster und ergreift ihre Hand
Margarethe!

MARGARETHE
schrickt einen Augenblick zurück, dann sinkt ihr Kopf an Faust's Schulter
Ach!

MEPHISTO
verlässt mit höhnischem Gelächter den Garten
Ha ha ha ha!

Vorhang fällt schnell

VIERTER AKT

ERSTE SZENE
Margarethen's Zimmer

MARGARETHE
Ach, endlich sind sie fort,
Ich lachte ja mit ihnen einstmals auch,
Ach und jetzt ....!

CHOR JUNGER MÄDCHEN
hinter der Szene
Den Freier halte fest,
Sonst eilt er schnell hinweg! Haha! Haha!

Nr. 19 - Elegie

MARGARETHE
Die blieben noch, mich zu beschämen;
Sonst tat ich wohl so gross und blickt' so scheel,
Ja einst, wenn trat ein armes Mädchen fehl.
Ach, und nun muss ich geduldig Schand' und Spott hinnehmen!
Weh, mich selbst es zu der Sünde trieb! -
Und doch, ich kann's beschwören,
Dass Alles, was mich tat betören,
Ach, war so gut, ach, war so lieb!

Er kommt nicht zurück,
Die Zeit währt so lange,
Dahin ist mein Glück!
Ich zittre und bange!
Wo mag er nur weilen?
Ach möcht' er doch eilen,
Am Fenster ich lieg',
Hinaus späht mein Blick,
Er kommt nicht zurück!

Laut möcht' ich klagen,
Und darf's doch nicht sagen,
Wie schwer es mich drückt!
Süss wär' es zu teilen,
Mit ihm Schmerz und Glück!
Wo mag er nur weilen?
Er kommt nicht zurück!

Nah kann ich ihn wähnen,
Ich hör' seinen Tritt,
Mag länger nicht sehnen,
Ach käm' er zurück!
An sein Herz will ich eilen,
Die Liebe soll heilen
Alle Not! Doch, ach!
Wo mag er nur weilen?
Er kommt nicht zurück!


ZWEITE SZENE
Siebel. Margarethe

Nr. 20 - Rezitativ

SIEBEL
Margarethe!

MARGARETHE
Siebel!

SIEBEL
Ihr trauert noch!

MARGARETHE
O Gott, und Ihr erbarmt Euch meiner doch!

SIEBEL
Ja, ich bin nur ein Knab',
Doch fühl' ich Manneskraft im Herzen,
Ich kann die Schmach nicht leicht verschmerzen,
Gelob' Rache ihm! ich werd' ihn töten.

MARGARETHE
Sprecht, wen?

SIEBEL
Muss ich ihn Euch nennen,
Der Euch so schwer verriet?

MARGARETHE
O haltet ein!

SIEBEL
Ich seh', Ihr denkt noch immer sein!

MARGARETHE
Ja stets! Ich warte und hoffe auf ihn noch immer,
Mein Herz verrät mir, nein, er vergisst mich nimmer!
Doch ach! der tückische Geselle,
Den er stets bei sich hat,
Der ihm folgt von Stell' zu Stelle,
Er, der so spöttisch schaut,
Als wüsst' er nicht, was Liebe heisst!
Er, der ihn in's Verderben reisst,
Er sagte ihm, mich zu verlassen.
Nah bei der Wiege uns'res Kindes,
Wir glücklich kosend Beide sassen,
Da sieht er den Gefährten plötzlich dort,
Und schnell erhebt er sich und eilet mit ihm fort.
Seitdem kam er nicht mehr, ich sitz' und weine
Und wache Tag und Nacht und denk' an ihn alleine.
Er kommt nicht zurück!
Doch solltet, Siebel, Ihr ja nicht vernehmen meine Klag',
Ich weiss es, Euer Ohr davon nichts hören mag.
Ihr rührt mich tief, mein Freund,
Ja, meinen Tränen glaubet,
Ein letzter einz'ger Trost
Ist mir noch nicht geraubet:
Ich eile zu der Kirche heil'gen Mauern hin,
Den Himmel anzufleh'n für mein Kind und ihn!

Ab


DRITTE SZENE
Siebel. Marthe kommt eilig

SIEBEL
Martha!

MARTHE
Nun Gott sei Dank, Ihr seid's!
Und Margarethe, das arme Ding -
Ihr Bruder kam zurück!

SIEBEL
O Gott, Valentin!

MARTHE
Hört Ihr sie, ja sie sind's! Kommt jetzt mit!
O Siebel, rettet sie, und wendet ihr Geschick!

Beide ab


VIERTE SZENE
Verwandlung. Strasse; rechts Margarethens Haus, links eine Kirche.
Valentin. Soldaten, dann Siebel


Nr. 21 - Fanfare und Chor

CHOR
Legt die Waffen nieder!
Der Heimat Flur lacht uns auf's Neu'
Nach Kriegsbeschwer,
Ja, Freunde seh'n uns wieder,
Und Mutter, Weib und Braut,
Freut euch und weint nicht mehr!

VALENTIN
Ha, potz Blitz! Siebel ist's!

SIEBEL
verlegen
Ja wirklich, ich ...

VALENTIN
O komm an meine Brust!
Doch Margarethe?

SIEBEL
In der Kirche, so glaub' ich.

VALENTIN
Ja, dort fleht sie für mich, teure Schwester!
Wie überrascht wird sie sein,
Wenn ich plötzlich vor sie trete.
Sie zu seh'n, o welche Lust!

CHOR
Ja, nach dem Kampf ist es ein Segen,
Ruhe von Gefahr am friedlich stillen Herd;
Manches Herz wird laut sich regen,
Wenn man von unsern Taten hört!

Hoch Ruhm und Ehre!
Gebt Alles d'rum!
Niemand mir wehre
Ehr' und Ruhm!
Gern ich entbehre
Besitz und Ruh';
Fürs Vaterland kämpft,
Der Sieg winkt euch zu!
Frisch ins Aug' dem Feind schaut,
Setzt das Leben ein,
Kühn euch dem Schicksal vertraut,
Wollt ihr Sieger sein!
Stolz euer Land
Auf euch baut,
Den Degen zur Hand,
Vollbringt kühne Tat!

Nach der Heimat geht es jetzt zurück,
Der Krieg ist aus, der Friede lebe!
Gram wird gestillt, wir bringen Glück,
Das Vaterland ruft uns zurück!
Der Liebe Lust uns nun umgebe,
Und manches Mägdlein jung und gut
Gewinnt sich bald des Kriegers Mut!
Drum vorwärts frisch, frisch auf Soldaten!
Den Degen zur Hand!
Hoch Ruhm und Ehre etc.

Chor ab


FÜNFTE SZENE
Valentin. Siebel

Nr. 22 - Rezitativ

VALENTIN
Nun Siebel, kommt, ins Haus kommt nun mit mir,
Das Glas in der Hand sollt Ihr Bescheid mir tun!

SIEBEL
Nein, weile noch -

VALENTIN
Warum? Meide nicht meinen Blick!
Du weichst mir aus. - Mein Freund, was soll das sein?

SIEBEL
Je nun - Nein, ich beb' zurück!

VALENTIN
Was zögerst du?

SIEBEL
Halt ein! Sei milde, Valentin -

VALENTIN
Lasse mich, lasse mich!

SIEBEL
Verzeihe ihr!
Mein Gott, zu dir fleh' ich,
Erbarme ihrer dich!

Beide ab


SECHSTE SZENE
Faust. Mephisto eine Zither unterm Mantel

MEPHISTO
Nun, nicht länger zögert hier,
Schnell treten wir hinein!

FAUST
Verruchter, schweig!
Durch dich werd' ich, so ahnet mir,
Der Schmach und Schand' sie weih'n.

MEPHISTO
Doch warum sie verlassen
Und jetzt sie wiederseh'n?
Ein ander Fest, däucht mir, erwartet uns,
Zum Sabbath lasst uns geh'n!

FAUST
Margarethe!

MEPHISTO
Mein Raten all' wird unnütz sein,
Der Liebe werdet Ihr Euch wieder weih'n;
Doch nun zu öffnen Euch die Pforte
Bedarf es meiner ausgewählten Worte!

Er singt, begleitend sich mit der Zither

Nr. 23 - Serenade

Scheinst zu schlafen du im Stübchen,
Höre mich doch an,
O mein reizend holdes Liebchen,
Es singt dein Galan!
Flüstert dir gar süsse Worte,
Glaube, Herz, daran! Hahahaha!
Oeffne, holdes Kind, die Pforte
Nur dem Freiersmann!

FAUST
Zum Teufel, schweige!

MEPHISTO
Ach, du spottest meiner Klagen,
Schmerzlicher Verdruss!
Willst dem Liebsten du versagen
Einen süssen Kuss?
Liebesworte sollst du hören,
Glaube, Herz, daran, hahahaha!
Sollst ein Küsschen nur gewähren
Deinem Freiersmann! Hahahaha!

Valentin tritt aus dem Hause


SIEBENTE SZENE
Die Vorigen. Valentin

Nr. 24 - Trio

VALENTIN
Ihr sollt mir Rede steh'n!

MEPHISTO
Verzeiht, mein Kamerade,
Verzeiht, jedoch für Euch
War nicht bestimmt die Serenade.

VALENTIN
zerschlägt mit seinem Schwert die Zither.
Meine Schwester nimmt Euch besser
Als ihr Bruder auf, das sieht man klar!

FAUST
Ihr Bruder!

MEPHISTO
Ha, potz Element!
Was hat Euch getan mein Instrument?

VALENTIN
Genug, genug! Des Schimpfes jetzt nicht mehr;
Im Blut die Schmach zu tilgen zaudr' ich nicht,
Der mich betrog, wo ist der Wicht?
Ha, zeigt ihn mir, den Schänder meiner Ehr'! -

MEPHISTO
Nun, wenn Ihr's wollt,
Drauf los, Herr Doktor, zur Wehr!

Sie ziehen die Schwerter

FAUST
bei Seite
Mir schwindet aller Muth!
Ich fürchte seine Rache:
Vergiess' ich nicht sein Blut
In ungerechter Sache?

VALENTIN
Nimm mich in deine Hut,
O Himmel, für mich wache;
Ja, die Schuld wäscht nur sein Blut,
Ja, doppelt stark mich mache!

MEPHISTO
Ha, er bebt vor Grimm und Mut,
Ich seines Zornes lache;
Voll Hohn des Kampfes Wut
Ich bald ein Ende mache.

VALENTIN
Madonnenbild, mein Schirm und Hort,
Einst mir geschenkt von Margarethen,
Du bist entweiht durch ihre Hand,
Du bist entweiht durch ihre Schand'!
Ich kann hinfort nicht länger zu dir beten.

Er schleudert die Medaille auf den Boden

MEPHISTO
bei Seite
Das wirst du schon bereuen!

FAUST
Mir schwindet aller Mut etc.

VALENTIN
Nimm mich in Deine Hut etc.

MEPHISTO
Er bebt vor Grimm und Wuth etc.

VALENTIN
Wohlan denn, vertheidige dich!

MEPHISTO
Nur frisch, wie ich Euch führe.
Hierher, hart an mich an,
Herr Doctor, ich parire!

Sie fechten, Valentin fällt

VALENTIN
Ah!

MEPHISTO
Da liegt nun unser Held am Boden hingestreckt,
Nun schnelle, eh' man uns entdeckt,
In's Weite!

Zieht Faust mit sich fort


ACHTE SZENE
Marthe. Siebel. Valentin. Volk mit Fackeln, später Margarethe

Nr. 25 - Ensemble

MARTHE UND CHOR
Schnell hierher, Nachbarn kommt,
Man schlägt sich in den Strassen,
Da liegt schon Einer tot!
Grosser Gott! seht nur her!
Er scheint noch zu atmen,
Sie haben ihn verlassen,
Auf, helfet schnell, denn sonst verblutet er.

VALENTIN
Habt Dank, habt Dank!
Ihr Weiber, lasst nur eure Klage,
Ich nach dem Leben nichts mehr frage;
Ach, zu oft hab' ich dem Tod in's Aug' gesehn!

MARGARETHE
Valentin!

Sie sinkt neben ihrem Bruder hin

VALENTIN
Margarethe! Hinweg von mir, hinweg!

MARGARETHE
Weh mir!

VALENTIN
Für sie ich sterbe, 's hat keine Noth,
Des Buhlen Degen bracht' mir Tod!

CHOR
Ihr Buhle bracht' ihm den Tod!

SIEBEL
Sterbe verzeihend, denk' ihrer Noth!

MARGARETHE
O Schmerz, so herbe, o helf mir Gott!

CHOR
Ihr Buhle bracht' ihm den Tod, er stirbt!

VALENTIN
richtet sich, von den Umstehenden unterstützt, auf
Lass unsern Herrgott aus dem Spass -
Ich sage dir nur das, weil bald ich vor den Richter trete;
Drum hör' mich an jetzt, Margarethe,
Geschehn ist leider nun geschehn,
Und wie es gehn soll, so wird's gehn.
Der Sünde kannst du nicht mehr entweichen,
Doch jetzt ist sie klar,
Die Menschen werden schaudernd von dir weichen,
Du bist ja aller Scham und Tugend bar!
Ha, du sollst's nicht wagen,
Die blanke güldne Kette
Und Spitzenkrause noch zu tragen!

Margarethe nimmt die Kette vom Halse und schleudert sie von sich

Pfui! schäme dich, Margarethe,
Reue dir, Höllenpein,
Bis der Tod dich einst sucht!
Will Gott dir einst verzeih'n ....
Weil du lebst, sei verflucht!

CHOR
Höre auf, Gott nicht kränke,
Deine Seele bedenke!
O halte ein, o halte ein,
Und der Reu'
Die letzte Stunde schenke,
Verzeih',
Soll auch dir einst vergeben sein!

VALENTIN
Margarethe!
Sei verflucht, bis dich erlöst der Todesschlaf,
Ich sterbe durch dich, doch als Soldat und brav!

Stirbt

CHOR
Herr, schenke seiner Seele Frieden!

Man trägt ihn in's Haus; Siebel führt Margarethen hinweg


NEUNTE SZENE
Verwandlung. In der Kirche.
Margarethe. Unsichtbare Stimme. Chor

Nr. 26 - Kirchen-Szene

MARGARETHE
kommt und sinkt auf die Knie
O Herr, so lasse hier niederknien Margarethen,
Wende dein Antlitz nicht von ihr!

UNSICHTBARE STIMME
Nein, keine Gnade dir! Nein, du sollst nicht beten,
Geister der Nacht umringt sie hier!

GEISTER-CHOR
Margarethe!

MARGARETHE
Welche Stimme?
Ich erbebe, ich sterbe, die Angst ich nicht trag';
So naht denn schon der jüngste Tag!

UNSICHTBARE STIMME
Weisst du noch, wie du einst am Altare hier standest,
Gretchen, fühlst du es ganz?
Als du froh um die heit're Stirne dir wandest
Der Unschuld Blütenkranz?
Kinderspiel halb und Gott halb im Herzen, du lalltest
Dein fromm Gebetlein hin;
Ha, dem Himmel mit Blut und Schande vergaltest!
Sprich, wo steht jetzt dein Sinn?
Rachegeister im erschreckenden Chor nun erwachen,
Reue dir, Not und Pein!
Die Posaune ertönt, schau' des Abgrundes Rachen,
Ja, die Hölle harret dein!

MARGARETHE
Gott! wie soll ich mich der Gedanken erwehren?
Der Hölle Ton
Muss ich stets hören;
Ich sterbe davon!

CHOR
Wenn erscheint der Tag des Herrn,
Dann glänzt des Kreuzes Glaubensstern,
In alle Welten fern und fern!

MARGARETHE.
O weh! Nichts kann gleich meinen Qualen sein!

UNSICHTBARE STIMME
Nein! für dich giebt's kein Erbarmen mehr,
Die Welt für dich ist hoffnungsleer!

CHOR
Lebt ich auch dem Herrn zu Nutz',
Bietet nichts Vergeltung Trutz!
Wo nur find' ich Schirm und Schutz?

MARGARETHE
Ach! der Gesang reisst mir das Herz entzwei!
Es drängt mich aus den Pfeilern 'raus!

UNSICHTBARE STIMME
Vorbei der Nächte Lust, der Liebe Schwelgerei!
Fluch dir und Höllengraus!

MARGARETHE
Mein Gott!

CHOR
O habe mit uns Erbarmen,
Wir sind voller Not,
Wende dich nicht von uns Armen,
Sei gnädig, o Gott!

UNSICHTBARE STIMME
Margarethe, sei verdammt!

MARGARETHE
Weh!

Margarethe stösst einen Schrei aus und sinkt ohnmächtig zu Boden

FÜNFTER AKT

ERSTE SZENE
Im Harzgebirge

Nr. 27 - Walpurgisnacht-Szene

CHOR DER IRRLICHTER
Die Brockenhexen, sie zieh'n, sie zieh'n
Durch gelbe Felder, durch Saaten grün;
Breit sind die Wege
Und Volks vollauf,
Entlang die Stege
Wälzt sich der Hauf!
Hoho! hoho! Von nah und fern,
Herbei ihr Alle, wir seh'n euch gern,
Flackernde Lichter,
Schleichet herbei!
Höllengelichter,
Heut seid ihr frei!

Faust und Mephisto erscheinen auf einer Bergspitze

FAUST
Verweile!

MEPHISTO
Hast du vergessen schon,
Was du mir versprachst, mir zu folgen!

FAUST
Wo sind wir jetzt?

MEPHISTO
An meinem Thron!
Denn hier, mein Freund, beginnt mein Reich. -
So feiert denn Walpurgisnacht!

CHOR
Wir feiern nun Walpurgisnacht!
Huhu! huhu!

FAUST
Mein Blut erstarrt!

Er will entfliehen

MEPHISTO
ihn zurückhaltend
Im Nu des Orients üpp'ge Pracht
Auf meinen Wink dir nun entgegenlacht.


ZWEITE SZENE
Auf Mephisto's Wink öffnen sich die Berge; man sieht einen prachtvollen Palast,
Königinnen und Frauen der Vorzeit beim Mahle


Nr. 28 - Szene und Chor

CHOR
Bis naht das erste Morgenrot,
Fern dem Aug' des Ungeweihten,
Schau dem Feste zu,
Wo Zauber sich an Zauber reih'ten.

CHOR
Auf, den Becher füllet,
Auf, füllt ihn bis zum Rand,
Ja, in Wollust hüllet
Uns der Liebe Band!

MEPHISTO
Der Schönheit Königinnen,
Der Vorzeit Fürstinnen,
Kleopatra voll Glanz
Und Laïs reich geschmückt,
In Zauber hüllt uns ganz
Durch Lieb' und Lust beglückt! -

Zu Faust

Fort mit des Herzens Sehnen,
Von Fieberwahn frei,

Reicht Faust eine Schale

Nimm froh die Schale und magst du wähnen,
Vergessen drin enthalten sei!

CHOR
Auf, den Becher füllet etc.

FAUST
die Schale nehmend
Eitler Kummer, eitle Schmerzen,
Fort, nun fort aus meinem Herzen;
Füllt den Becher bis zum Rand,
Eitler Kummer sei verbannt!

Trinkt

In des Nektars weissen Schaum

Nr. 29

Senke ich die Seele mein,
In des Aethers weiten Raum
Jeden Schmerz und jede Pein!
Weht Labung mir entgegen,
Die heisse Stirne kühlt!
Ja, schon fühl' ich's neu sich regen,
Sinnenlust die Brust erfüllt!

CHOR
O süsser Nektar,
Auf, bringt ihn dar!

MEPHISTO
Aus des Bechers weissem Schaum
Schlürfe nun Vergessen ein!

CHOR
Weithin in des Aethers Raum
Fliehe Sorge, fliehe Pein!

FAUST
Lass mich küssen, lass mich schauen,
Sterben lass in Wein mich hier,
Flüchtig dem Genuss nun trauen,
Ihn erhaschen mit Begier.
Der Sinne heisse Triebe
Entflammet uns auf's neu!
Ja, im süssen Rausch der Liebe
Jeder Schmerz versenket sei!

CHOR
O süsse Lust!

Die Schale entfällt Faust, er scheint einer fernen Stimme zu lauschen, der Name "Margarethe" enteilt seinen Lippen, seine Knie beben, er streckt seine Arme der unsichtbaren Erscheinung entgegen. Alles wird finster, die Frauen verschwinden

MEPHISTO
Besiege nun, o üppige Lust,
Jedweden Drang der Reu' in seiner Brust!


DRITTE SZENE
Teilweise Verwandlung. Brockental. Faust erwacht aus seiner Betäubung; der Palast versinkt; Margarethe erscheint auf einer Bergspitze

MEPHISTO
Was siehst du dort?

FAUST
An jenem Ort -
Ja, sie blickt so stumm und bleich,
Sieht dem guten Gretchen gleich,
Und um den schönen Hals
Ein rotes Band sah ich gleichfalls!
Ein schmaler roter Schnitt,

Die Erscheinung Margarethens zieht langsam vorüber und verschwindet

Margarethe, o nimm mich mit!
Ich muss zu ihr!
Dies fordr' ich von dir!


VIERTE SZENE
Faust zieht Mephisto mit sich fort, der sich mit gezogenem Degen einen Weg durch die Geister bahnt. Hexen kommen von allen Seiten, kochen und tanzen um siedende Kessel

HEXEN-CHOR
Eins, zwei und drei,
Zählt nur bis zu dreizehn,
Bettler sind hier frei,
Bringt den Brei zum Steh'n!
Mag die Flamme rot und blau
Um den Kessel lecken,
Gift und Molch ich gerne schau',
Hexenlust zu wecken.
Eins, zwei, drei, vier,
Fünf, sechs, sieb'n, acht,
Neun, zehn, eilf, zwölf,
Dreizehn!


FÜNFTE SZENE
Verwandlung. Im Gefängnis. Margarethe schlafend. Faust. Mephisto

Nr. 30

FAUST
Geh' jetzt!

MEPHISTO
Der Tag bricht an, man baut das Blutgerüst;
Drum eilet schnell, sonst müsst Ihr's schwer bereuen!
Der Wächter schläft, die Schlüssel nehmt,
Ihr müsst mit Menschenhand Euch selbst befreien.

FAUST
Lasse mich!

MEPHISTO
Macht schnell, ich wache vor der Tür.

Ab


SECHSTE SZENE
Faust. Margarethe

FAUST
Welch tiefer Jammer drückt mich nieder -
Angst und Grauen packt mich,
Man warf sie in den feuchten Kerker hier!
Sie ist es! Ja, ich muss sie hier in Ketten schauen,
Wie eine niedre Sünderin.
Argloser Wahn soll so schwer sich rächen!
Ihr armes Kind, o Gott, ist tot,
O Gott, durch ihr Verbrechen!
Margarethe!

MARGARETHE
erwachend
Ach, er ist's, er hat mich genannt,
Ich hab' des Freundes Stimme erkannt!

FAUST
Margarethe!

MARGARETHE
Durch der bösen Geister grimmen Hohn
Drang in mein Herz der lieben Stimme Ton!

FAUST
Margarethe!

MARGARETHE
Ja, seine Hand die meine drückt,
Ich bin frei, er ist da, ich bin hoch beglückt!
Da ich dich jetzt umfange,
Nicht mehr trüb' und bange
Ist des Kerkers Qual!
Ich dich endlich fand,
All' mein Leiden schwand,
Du bist mein Glück, du bist mein All'!

FAUST
Da ich dich jetzt umfange etc. etc.

MARGARETHE
O wart'! dass ich's ganz fasse,
Hier ist die Strasse,
Wo ich zuerst dich sah. -
Du botest mir den Arm -
Errötend stand ich da!
"Mein schönes Fräulein, darf ich's wagen,
Meinen Arm und Geleit Euch anzutragen?" -
"Bin weder Fräulein, weder schön,
Kann ungeleitet nach Hause geh'n."

FAUST
Ja, ich weiss es genau,
Doch komm' mit, wir müssen eilen!

MARGARETHE
Nein! ich bleibe, o verweile!
O lass mich dich küssen,
Du hast's ja sonst so gern getan!

FAUST
Komm, komm Margarethe!

MARGARETHE
Nein!

FAUST
Komm, lass uns geh'n!

Will sie fortführen

MARGARETHE
Bleibe, bleib', ich beschwöre dich!

FAUST
O Gott! sie hört nicht mein Fleh'n!


SIEBENTE SZENE
Die Vorigen. Mephisto

Nr. 31 - Trio. Finale

MEPHISTO
Auf, eilet! Schon naht sich der Morgen,
Folgt Ihr mir nicht sogleich,
So lass' ich Euch im Stich!

MARGARETHE
Der Böse!
Siehst du dort ihn sich erheben?
Er stiert uns an! O schick' ihn fort!
Was will der hier am heil'gen Ort?!

MEPHISTO
Auf, rette ihr Leben, der Tag naht heran,
Meine Pferde dort stehen,
Die Morgenluft weht schaudernd sie an!

Er sucht Faust mit sich fortzuziehen

MARGARETHE
O Gott, beschütze mich!

FAUST
Komm!

MARGARETHE
O Gott, höre mein Flehen!

FAUST
Lass uns flieh'n, es leuchtet schon der Morgen klar!
O eile!

MARGARETHE
sinkt auf die Knie
Engel-Chor! Himmlische Schar,
Meine Seele gnädig bewahr'!
O Gott, schenke mir Erbarmen!

FAUST
Gretchen, komm! nah ist Gefahr!

MEPHISTO
Fort, nur schnell!

FAUST
Folg' mir, o komm!

Man hört Geräusch von aussen.

MEPHISTO
Man nahet! Rette ihr Leben,
Der Tag naht heran, o eilt!

FAUST
Folg' mir, ich will's! Nah ist Gefahr,
Es leuchtet schon der Morgen klar!

MEPHISTO
Schon naht der Morgen sich klar!
So eile!

FAUST
O Gott!

MARGARETHE
O Gott! schenke Erbarmen mir!

FAUST
Margarethe!

MARGARETHE
Warum ist dein Blick so voll Wut?!

FAUST
Margarethe!

MARGARETHE
sie stösst ihn von sich
Fort! es graut mir vor dir!

Sie sinkt zusammen

FAUST
Ach!

Nr. 32

MEPHISTO
Gerichtet!

CHOR
Gerettet!

Man hört das Glockengeläute des Ostermorgens. Die Mauern öffnen sich und man sieht Margarethen von Engeln getragen aufwärts schweben. Faust sinkt nieder, Mephisto stürzt unter dem Schwerte des Erzengels nieder

Christ ist erstanden
Aus Tod und Banden,
Heil er und Fried' verheisst
Euch beglückt. Ihr Welten, preist!