Libretto: Giulio Cesare in Egitto

von Georg Friedrich Haendel


PERSONEN

Römer:
JULIUS CAESAR (Alt)
CURIO, römischer Tribun (Bass)
SEXTUS POMPEIUS (Sopran)
CORNELIA, seine Mutter (Alt)

Ägypter:
KLEOPATRA, ägyptische Königin (Sopran)
PTOLEMÄUS, ihr Bruder, König von Ägypten (Alt)
ACHILLAS, sein Feldherr und Berater (Bass)
NIRENUS, Kleopatras Vertrauter (Alt)

CHOR
Hofstaat der Könige, römische und ägyptische Edle,
Krieger, Sklaven, Volk

ORT
Alexandria

ZEIT
48 vor Christus




Ouvertüre

ERSTER AKT


ERSTE SZENE
Ägyptische Landschaft. Eine alte Brücke führt über einen Seitenarm des Nils.
(Julius Cäsar und Curio kommen mit ihrem Gefolge über die Brücke.)


Nr. 1 - Chor

CHOR DER ÄGYPTER
Es lebe unser Alkide!
Heute sei ein Freudentag für den Nil!
Alle Ufer lächeln ihm zu,
alles Leid ist nun vorüber.

Nr. 2 - Arie

CÄSAR
Nun soll Ägyptenland
dem Sieger die Palme reichen!

Rezitativ

Curio, Cäsar kam, sah und siegte;
Pompeius ist bereits geschlagen,
und vergebens versucht er,
Verstärkung seiner Truppen
vom ägyptischen König zu erhalten.

CURIO
Herr, du kamst zur rechten Zeit,
den Plan zu vereiteln.
Doch wer nähert sich dort?

ZWEITE SZENE
(Cornelia sind Sextus treten ein.)

Rezitativ

CÄSAR
Es ist Cornelia.

CURIO
O Himmel!
Die edle Gattin unseres Feindes Pompeius?
Cäsar, ihr weihte ich einst
meine Freiheit.

CORNELIA
Herr, Rom ist nun dein.
Die Götter haben heute mit dir die Herrschaft geteilt,
und nach ihrem Willen soll in diesem gewaltigen Kosmos
Jupiter den Himmel und Cäsar die Erde regieren.

CÄSAR
Was begehrst du von Cäsar,
grosse Tochter der Scipionen, edle Cornelia?

CORNELIA
Lass die Waffen ruhen!

SEXTUS
Weihe die Lanze dem Tempel,
gönne dir Ruhe.

CÄSAR
Grosse Menschen besitzen die Stärke, Kränkung zu verzeihen.
Lasst Pompetus kommen, er soll Cäsar umarmen,
und das Feuer des Krieges sei auf immer erloschen:
So sei der Sieger vom Besiegten besiegt.

DRITTE SZENE
(Achillas tritt ein, begleitet von einer Schar Ägypter mit goldenen Schalen.)

Rezitativ

ACHILLAS
Ptolemäus bietet dir seinen Palast zur Wohnung,
in der du ausruhen kannst, grosser Held,
und zum Geschenk alles,
was ein tributpflichtiger Herrscher nur geben kann.

CÄSAR
Was Ptolemäus grossherzig gibt,
ist Cäsar willkommen.

ACHILLAS
Auf dass Italien dich noch mehr bewundere,
legt Ptolemäus dir als Pfand der Freundschaft und der Treue
das stolze Haupt des grossen Pompeius
an deinem Königsthron zu Füssen.

(Ein Ägypter präsentiert eine Schale mit dem abgeschlagenen Haupt des Pompeius.)

CÄSAR
Julius, was musst du erblicken?

SEXTUS
O Gott, was sehe ich?

CORNELIA
Ach, weh mir!
Mein Gemahl! Mein Geliebter!

CURIO
Welche Vermessenheit!

CORNELIA
Ptolemäus, du grausamer Verräter!
Mir schwinden die Sinne, ich sterbe …

(Sie wird ohnmächtig.)

CÄSAR
Rasch, Curio,
hilf der leidenden Cornelia!

(Er weint.)

CURIO
Was sehe ich? O Himmel!
Meine Geliebte totenbleich!

ACHILLAS
(Ist das Cornelia?
Oh, welche Schönheit! Welch ein Antlitz!)

SEXTUS
Vater, Pompeius! Meine Mutter! O Gott!

CÄSAR
In einer kostbaren Urne
soll die edle Asche
seines ruhmreichen Hauptes aufbewahrt werden.

ACHILLAS
O Götter!

CÄSAR
(zu Achillas)
Und du, fort mit dir, geh!
Sag deinem Herrn, dass die Taten der Könige,
seien sie gut oder böse, immer ein Beispiel setzen.

SEXTUS
Dass der kein König ist, der ruchlos, gottlos handelt.

ACHILLAS
Cäsar, mässige deinen Zorn …

CÄSAR
Geh! Ich komme heute noch
vor Sonnenuntergang zum Palast.

Nr. 3 - Arie

Du bist ein Gottloser, werde ich sagen,
fort aus meinen Augen,
du bestehst nur aus Grausamkeit.
Das ist nicht das Herz eines Königs,
wenn es nur Strenge kennt
und kein Mitleid empfindet.

Du bist ein Gottloser, werde ich sagen, usw.

(Er geht mit seinem Gefolge ab; Achillas geht mir den Ägyptern ab.)


VIERTE SZENE

Rezitativ

(Cornelia kommt wieder zu sich.)

CURIO
Sie kommt wieder zu sich.

SEXTUS
Mutter!

CURIO
Cornelia!

CORNELIA
O Himmel!
Und ich lebe noch? Ah!
Diese tödliche Waffe
soll mir das Herz, die Seele aus der Brust reissen.

(Sie will Sextus das Schwert von der Seite reissen, um sich zu töten, doch Curio hält sie zurück.)

CURIO
Halt ein! Vergeblich suchst du
die Klinge in deiner weissen Brust blutig zu färben.
Curio, der dich noch liebt
und dich zur Gemahlin begehrt, wenn du es noch willst,
wird dich mit seinem Schwert zu rächen wissen.

CORNELIA
Deine Gemahlin?

CURIO
Ja.

CORNELIA
Schweig!

SEXTUS
Du, des Pompetus Feind, bist so vermessen?

CURIO
Cornelia, da du mich hasst,
werde ich deinem Blick entfliehen;
nur um dich nicht zu quälen,
wird dieses Herz schwören, dich nicht zu lieben.

(Ab.)

SEXTUS
Mutter!

CORNELIA
Mein Sohn!

SEXTUS
Was sollen wir nun tun, umgeben von Cäsars Truppen,
du ohne den teuren Gemahl, ich ohne Vater?

Nr. 4 - Arie

CORNELIA
Mir ist jeder Trost genommen,
und doch gibt es für mich Unglückliche
keine Hoffnung auf den Tod.
Mein Herz, in Schmerz versunken,
ist des Leidens müde,
und doch darf ich nicht sterben.

Mir ist jeder Trost genommen, usw.

(Ab.)


Rezitativ

SEXTUS
Das Klagen ist sinnlos;
nun ist es Zeit, o Sextus,
den Vater zu rächen;
zur Rache erwache
dies träge Herz,
denn von einem Tyrannen gekränkt,
kann es nicht ruhen.

Nr. 5 - Arie

Erwache im Herzen,
Wut einer gekränkten Seele,
um dich an einem Verräter
bitter zu rächen!
Der Geist meines Vaters
eilt, mir zu helfen,
und spricht: Von dir, meine Sohn,
wird Härte erwartet.

Erwache im Herzen, usw.

(Ab.)


FÜNFTE SZENE
Gemach der Kleopatra

Rezitativ

KLEOPATRA
Kleopatra soll herrschen; und an meinem Thron
soll das Volk Arabiens und Syriens voller Verehrung
den heiligen Reif auf meiner Stirn anbeten;
auf, wer von euch, meine Getreuen,
Herz und Mut hat, mir zur Herrschaft zu verhelfen,
der schwöre nur ewige Treue in die rechte Hand.

(Nirenus tritt ein.)

NIRENUS
Königin, schlimme Kunde!

KLEOPATRA
Was ist geschehen? Warum zögerst du?

NIRENUS
Abschlagen liess Ptolemäus
das Haupt …

KLEOPATRA
Weh mir! Wessen Haupt?

NIRENUS
… des grossen Pompeius.

KLEOPATRA
Himmel! Was berichtest du da?

NIRENUS
Um seinen Thron zu sichern,
schickte er Cäsar neben anderen Geschenken …

KLEOPATRA
Was schickte er ihm?

NIRENUS
Das leblose Haupt.

KLEOPATRA
Rasch, fort, meine Getreuen,
(zu Nirenus)
du bleibst.
Ich bin entschlossen,
in Cäsars Lager zu gehen,
und du, Nirenus, wirst mich begleiten.

NIRENUS
Was wird Ptolemäus dazu sagen?

KLEOPATRA
Sei unbesorgt! Mit meinen Augen
werde ich erfolgreicher,
als er es mit dem Kopf des Pompeius vermochte,
Cäsars Gunst erringen.
Vergebens hofft er auf den Thron,
er ist nur der Bruder, und ich bin die Königin.

(Ptolemäus tritt begleitet von Wachen ein.)

PTOLEMÄUS
Du begehrst zu herrschen,
anmassende, überhebliche Frau?

KLEOPATRA
Ich beanspruche nur, was mein ist;
die Krone steht meinem Haupt zu,
und ich begehre sie zu Recht.

PTOLEMÄUS
Fort, du Närrin, und kehre zu dem zurück,
was Frauen geziemt,
Nadel und Spindel nämlich statt des Zepters!

KLEOPATRA
Und du, verweichlichter Frauenheld,
kümmere dich lieber um die Liebschaften
des unbedarften Jünglings als um die Herrschaft!

Nr. 6 - Arie

Verzweifle nicht, wer weiss,
wenn du mit dem Thron kein Glück hast,
hast du es vielleicht in der Liebe.
Wenn du eine Schöne anschaust,
wirst du in ihr
Trost für dein Herz finden.

Verzweifle nicht, wer weiss, usw.

(Sie geht mit Nirenus ab.)


SECHSTE SZENE

Rezitativ

ACHILLAS
(tritt ein)
Sire, Herr!

PTOLEMÄUS
Achillas!
Wie hat das abgeschlagene Haupt
Cäsar gefallen?

ACHILLAS
Die Tat hat ihn erzürnt.

PTOLEMÄUS
Was höre ich?

ACHILLAS
Er warf dir vor, unklug und vermessen zu sein.

PTOLEMÄUS
Das wagt ein pöbelhafter Römer?

ACHILLAS
Höre meinen Rat, o Ptolemäus:
Cäsar wird an deinen Hof kommen;
und er soll deiner Rache genauso zum Opfer fallen
wie Pompeius.

PTOLEMÄUS
Wer wird die Tat ausführen?
ACHILLAS
Ich verspreche,
dir den Stolzen tot zu deinen königlichen Füssen zu legen,
wenn du mir die Gattin des Pompeius
zur Belohnung geben willst.

PTOLEMÄUS
Ist sie so bezaubernd?

ACHILLAS
Ihre locken sind Fesseln.
Ihr schönes Antlitz verwundet.

PTOLEMÄUS
Freund, dein Ratschlag soll mich leiten;
geh nun, mache einen Plan und kehre dann zurück.
(Achillas ab.)
Stirb Cäsar, stirb; und dein hochmütiges Haupt
soll mir als Fussschemel dienen.
Das von ihm geknechtete Rom wird befreit sein,
und sein Tod wird meine Herrschaft besser festigen,
als es das Schwert vermöchte.

Nr. 7 - Arie

Der Gottlose, Ungetreue, Unwürdige
will mir die Herrschaft rauben
und mir so den Frieden nehmen.
Doch er soll sein leben lassen,
bevor meine Lauterkeit
durch seine Habgier betrogen wird!

Der Gottlose, Ungetreue, Unwürdige, usw.

SIEBTE SZENE
Platz in Cäsars Lager. In der Mitte steht auf zahlreichen Siegestrophäen die Urne mit der Asche von Pompeius' Haupt.

Nr. 8 - Accompagnato

CÄSAR
Seele des grossen Pompeius,
die du unsichtbar
um seine Asche schwebst,
Schatten waren deine Trophäen,
Schatten war deine Grösse,
und ein Schatten bist du selbst.
So endet schliesslich menschlicher Prunk.
Wer gestern noch lebend im Krieg eine Welt eroberte,
dessen Staub liegt heute schon in einer Urne.
Ach, so wird jeder Mensch aus Lehm geboren,
und das Ende ist ein Stein.
Elendes Leben! Oh, wie vergänglich bist du!
Ein Hauch erschafft dich, und ein Atemzug zerstört dich.

(Curio tritt ein.)

Rezitativ

CURIO
Ein edles Mädchen
wünscht Cäsar, dem Römer, zu huldigen.

CÄSAR
Sie soll hereinkommen.

(Als Lydia verkleidet, tritt Kleopatra mit Gefolge ein.)

KLEOPATRA
Mit vielen anderen Mädchen
diene ich Kleopatra,
ich heisse Lydia und wurde in Ägypten
als Kind einer vornehmen Familie geboren;
doch Ptolemäus,
der grausame Thronräuber, nahm mir meinen Besitz.

CÄSAR
(Wie viel Schönheit in einem einzigen Gesicht!)
Ist Ptolemäus solch ein Tyrann?

CURIO
(Wenn Cornelia mich verachtet,
will ich fortan, zu Lydia bekehrt,
mein Herz diesem schönen Antlitz weihen.)

KLEOPATRA
(kniet weinend vor Cäsar nieder)
Vor dir, vor ganz Rom,
flehe ich betrübt, niedergeschlagen und weinend
um Gerechtigkeit.

CÄSAR
(O Gott! Wie reizend sie ist!)
(Er hebt Kleopatra auf)
Unglückliches Mädchen,
bald gehe ich zum Königshof:
Noch heute will ich mich dort um dein Los kümmern.
(Welch schönes Haar!)

CURIO
(Welch schöner Busen!)
KLEOPATRA
Herr, deine Gunstbeweise
schlagen meine Seele in Bande.

CÄSAR
So wie deine Locken die Herzen.

Nr. 9 - Arie

So lieblich und schön
ist keine Blume auf der Wiese,
dass sie deinem schönen Antlitz
an Anmut und Liebreiz gliche.
Eine Blume preist man nur
um ihretwillen allein,
doch ein ganzer herrlicher Frühling
liegt in dir beschlossen.

So lieblich und schön, usw.

(Er geht mit Curio ab.)


Rezitativ

NIRENUS
Kleopatra, du hast gesiegt;
schon ist Cäsars Herz
deiner Schönheit verfallen und brennt in Liebe zu dir,
sein ganzes Wollen steht in deiner Hand.

KLEOPATRA
Soll Ptolemäus nur ruchlos
nach dem Thron streben,
das Reich meiner Vorfahren
wird mir huldvoll der Liebesgott schenken.

Nr. 10 - Arie

Alles kann eine schöne Frau erreichen,
wenn sie verliebt
spricht oder die Augen bewegt.
Jeder Schuss verwundet das Herz,
wenn diejenige ohne Fehler ist,
die den Pfeil abschiesst.

Alles kann eine schöne Frau erreichen, usw.

(Sie gehen beiseite.)


ACHTE SZENE

Nr. 11 - Arioso

CORNELIA
In deiner Brust, freundlicher Marmor,
ist mein Liebster begraben.

Rezitativ

Doch wie! Willst du auf ewig
feige und verachtet bleiben, Cornelia?

KLEOPATRA
(Ist das Cornelia,
die Gattin des Pompeius?)

CORNELIA
Oh nein! Unter diesen Waffen
werde ich eine Klinge wählen: mit kühner Hand
gegen Ptolemäus, im Palast …

(Cornelia hat gerade ein Schwert aus dem Kriegsgerät ergriffen, als Sextus erscheint.)

SEXTUS
Mutter, halt ein! Was tust du?

CORNELIA
Lass mir diese Waffe!
Ich will an dem Tyrannen
und Mörder meines Gatten
Rache üben.

SEXTUS
Diese Rache steht allein Sextus zu.

(Er nimmt Cornelia das Schwert fort.)

CORNELIA
Oh, süsse Worte! Oh, teure Lippen!
So hast du mit deinen jungen Jahren
schon so viel Mut?

SEXTUS
Ich bin Sextus
und habe das Herz des Pompeius geerbt!

CORNELIA
Mut, mein Sohn, und Kühnheit!
Ich will dir tapfer folgen.

SEXTUS
Doch wer, o Gott, wird uns zu diesem
ruchlosen König führen?

KLEOPATRA
(kommt rasch hervor)
Kleopatra …

NIRENUS
(leise zu Kleopatra)
Gib dich nicht zu erkennen!

KLEOPATRA
Und auch Lydia; um den Nichtswürdigen zu stürzen,
werden sie dich schützen und dir den Weg bahnen.

CORNELIA
Und was veranlasst dich, freundliches Mädchen,
tins deine Hilfe anzubieten?

KLEOPATRA
Die Niedertracht eines tyrannischen Königs, das Recht.
Unter dem Namen Lydia
diene ich Kleopatra;
wenn sie durch deine Tat auf den Thron gelangt,
sollst du glücklich sein und erkennen, wer ich bin.

CORNELIA
Wer wird uns führen?

KLEOPATRA
(deutet auf Nirenus)
Jener, ein treuer Diener der Königin,
kann euch umsichtig zum grossen Ziel geleiten.

SEXTUS
Das ist kein Sohn, der nicht verlangte,
den Tod des Vaters zu rächen.
Ich greife zur Waffe, und bestraft wird der schlimme
Tyrann Ägyptens durchbohrt zu Boden sinken.

Nr. 12 - Arie

Teure Hoffnung, du beginnst
mein Herz zu betören.
Der Himmel steht mir offenbar bei,
das erlittene Unrecht zu rächen.

Teure Hoffnung, du beginnst, usw.

(Cornelia, Sextus und Nirenus gehen ab.)


Rezitativ

CLEOPATRA
Nun versuch nur, mein Bruder,
noch dein Leben zu retten,
denn dir fliegen entgegen
mit Cäsar die Waffen,
mit Sextus und mit Cornelia
ein heil'ges Zürnen.
Glaube nicht, Ptolomäus,
du bliebest noch lange
Herr dieses Reiches.

Nr. 13 - Arie
Schon leuchtet wie ein Stern
die Hoffnung, der ich lebe.
Nun ist mir nicht mehr fern,
der Tag, der sie erfüllt.
Sie strahlt wie tausend Sonnen
und lässt das Herz erbeben,
was Liebe mir gewonnen,
verklärt sich mir zu Bild.

Geht ab.

NEUNTE SZENE
Saal im Palast des Ptolemäus

Rezitativ

PTOLEMÄUS
Cäsar, deiner Hand
reicht das Schicksal grosszügig
ganze Bündel eon Zeptern.

CÄSAR
Ptolemäus, angesichts solcher Freundlichkeit
vermag ich nicht zu sagen, was heller leuchtet:
die Sonne am Himmel, wenn sie den Tag beginnt,
oder Ptolemäus hier auf Erden.
Doch wisse, jede Missetat
verdunkelt auch das hellste Licht.

ACHILLAS
(zu Ptolemäus)
Selbst in deiner königlichen Gegenwart beleidigt er dich.
PTOLEMÄUS
(Unverschämter Römer!)

CÄSAR
(Ich weis, dass er mich versteht.)

PTOLEMÄUS
Die Männer, die du hier siehst,
werden dir die Türen der königlichen Gemächer öffnen
und dir als Führer dienen.
(Gottloser, du kamst in die Arme des Todes.)

CÄSAR
(Seine Miene verrät einen geheimen Betrug.)

Nr. 14 - Arie

Still und verborgen
bleibt der listige Jäger,
wenn er dem Wild nachstellt.
Und wer Böses im Schilde führt,
wünscht nicht,
dass man sein betrügerisches Herz erkenne.

Still und verborgen, usw.

(Er geht mit seinem Gefolge ab.)


ZEHNTE SZENE
(Cornelia und Sextus treten ein.)

Rezitativ

ACHILLAS
Sire, hier kommt Cornelia
mit ihrem Sohn Sextus.

PTOLEMÄUS
(O Amor, welch ein Anblick!)

CORNELIA
Undankbarer! Jenem Pompeius, der deinem edlen Vater
die Königskrone aufs Haupt setzte,
liessest du vor den Augen Roms den Kopf abschlagen?

SEXTUS
Ruchloser! Ich fordere dich zum Zweikampf.
Ich werde mit starker Hand
allen im Königreich hier zeigen,
dass du kein Ptolemäer, sondern ein Schurke bist.

PTOLEMÄUS
He da, Wachen! Nehmt diese
tollkühnen Römer in Haft.

ACHILLAS
Edler Herr, verzeih
ihre blinde Wut!

PTOLEMÄUS
Für den Moinent genügt es mir,
dass dieser unverschämte Knabe
Gefangener im Palast ist.
(Er gibt den Wachen ein Zeichen.)
Jene, die es so dreist
an Achtung für den Herrscher fehlen liess,
soll zur Strafe im Garten des Harems
die Blumen pflegen.
(leise zu Achilas)
So bewahre ich für dich
die schöne Despotin deines Herzens.

ACHILLAS
Ich bin überglücklich!

PTOLEMÄUS
(Wie er sich täuscht!)

(Er geht mit seinem Gefolge ab.)

ELFTE SZENE

Rezitativ

ACHILLAS
Cornelia, deine Augen
halten mein Herz gefangen.
Wenn du meine Liebe
mit freundlichen Blicken ansiehst
und der Hochzeit zustimmst,
werden Mutter und Sohn frei sein.

CORNELIA
Grausamer, eine Römerin
als Gattin eines gewöhnlichen Ägypters?

SEXTUS
Deine Gemahlin?
Oh nein! Eher des Todes …

ACHILLAS
Wohlan! Auf königlichen Befehl
wird der verwegene Knabe
nun als Gefangener in den Palast geführt.

CORNELIA
Ich folge
dem geliebten Kind, meinem teuren Sohn.

ACHILLAS
Du bleibst, und hoffe nicht
auf Erbarmen mit deiner Bitte,
wenn du dich nicht zuvor meiner Liebe erbarmst.

Nr. 15 - Arie
Du bist das Herz meines Herzens,
du bist meine Geliebte, zürne nicht!
Für meine Liebe bitte ich um Liebe
ich verlange nichts als dich.

Du bist das Herz meines Herzens, usw.

(Ab.)


Rezitativ

SEXTUS
Mutter!

CORNELIA
Mein Leben!

SEXTUS
Lebewohl …

(Als die Wachen Sextus fortbringen wollen, versucht Cornelia, ihn am Arm festzuhalten.)

CORNELIA
Wohin, wohin, ihr Unmenschen,
führt ihr meine Seele? Ruchlose, lasst ihn,
dass ich mein Herz, meinen geliebten Sohn zumindest
ein letztes Mal küsse. Weh, welch ein Schmerz!

Nr. 16 - Duett

CORNELIA, dann SEXTUS
Zum Weinen hin ich geboren / Zum Seufzen bin ich geboren
und meinen süssen Trost,
ach, werde ich ewig beweinen.
Da das Schicksal uns verriet,
kann ich auf friedvolle, glückliche Tage
niemals mehr hoffen.

Zum Weinen bin ich geboren, usw.


ZWEITER AKT

ERSTE SZENE
Lieblicher Zedernhain. Im Hintergrund ein Bild des Parnass, in dem der Palast der Tugend verborgen ist

Rezitativ

KLEOPATRA
Hast du alles erledigt, was ich dir auftrug, Nirenus?

NIRENUS
Dein Befehl ist ausgeführt.

KLEOPATRA
Ist Cäsar am Hof angekommen?

NIRENUS
Ich selbst habe ihn geführt,
und er lenkt bereits seine Schritte hierher.

KLEOPATRA
Doch sag, ist das Bild
wie geplant vorbereitet?

NIRENUS
Zwischen den Wolken
erglänzt der hehre Palast.
Doch was hast du vor?

KLEOPATRA
Die Liebe
gab meiner Fantasie
eine ungewönliche Idee ein:
Ich will in einer Verkleidung
jenen zum Gefangenen der Liebe machen,
der mein Herz gewann.

NIRENUS
Wirst du dich ihm zu erkennen geben?

KLEOPATRA
Die Zeit ist noch nicht reif dafür.

NIRENUS
Was soll ich tun?

KLEOPATRA
Warte draussen auf Cäsar;
führe ihn an diesen Ort
und geleite ihn dann in meine Gemächer,
und sage ihm, dass Lydia, um ihm zu berichten,
was ihr König gegen sie ihm Schilde führt,
Cäsar vor Sonnenuntergang erwartet.

(Ab.)

ZWEITE SZENE

Rezitativ

NIRENUS
Von Kleopatra
können Amors Jünger Listen und Ränke lernen.

CÄSAR
(tritt ein)
Wo, wo ist meine Geliebte, Nirenus?

NIRENUS
Herr, Lydia wird bald hier sein.

Sinfonia und Rezitativ
(Verschiedene Instrumente spielen eine liebliche Musik.)

CÄSAR
Still!

NIRENUS
Was ist?

Rezitativ

CÄSAR
Himmel, aus welcher Sphäre
kommt diese wundervolle, betörende Musik?

NIRENUS
Wer dabei nicht schmilzt, hat ein Herz von Stein.

Sinfonia
(Erneut ist Musik zu hören; der Parnass öffnet sich, und man sieht die Tugend auf ihrem Thron, umgeben von den neun Musen.)

Rezitativ

CÄSAR
Julius, was erblickst du?
Und wann stiegen in einem Meer von Licht
die Götter zur Erde herab?

Nr. 17 - Arie

KLEOPATRA
(als Tugend verkleidet)

Ich bete euch an, ihr Augen,
ihr Liebespfeile,
eure Blitze
erfreuen meine Brust.
Um Erbarmen bittet euch
mein trauriges Herz,
das euch stets
sein Allerliebstes nennt.

Rezitativ

CÄSAR
Zeus im Olymp besitzt keine Musik,
die so schön ist wie dieser Gesang.

KLEOPATRA
Ich bete euch an, ihr Augen, usw.

Rezitativ

CÄSAR
Hiege, fliege, mein Herz,
dem süssen Zauber entgegen …
(Während Cäsar auf Kleopatra zueilt, schliesst sich der Parnass, und die Bühne ist wie zuvor.)
Doch wie? Ach, wie eifersüchtig
ist doch der Gott auf mein Entzücken!

NIRENUS
Herr, du hast es gehört, und was denkst du von Lydia?

CÄSAR
So viel Tugend besitzt Lydia?
Ah! Da sie schon mit ihrem Weinen
meine Rüstung durchdrang, erkenne ich wohl,
dass eine solch bezaubernde Schönheit
durch Gesang Fesseln anlegt und durch Tränen verwundet.

NIRENUS
Herr, sei unbesorgt, wenn du in Liebe entflammt bist:
Lydia ist freundlich.
Wenn es dir recht ist,
erwartet sie dich jetzt in ihren Gemächern.

CÄSAR
Lydia verlangt nach mir?

NIRENUS
Und sie wird dich auch
zu Kleopatra führen.

CÄSAR
Bringe mich rasch
in die Arme meiner Geliebten,
dort soll sie meine Qual versüssen.

Nr. 18 - Arie

Wenn auf der lieblichen Blumenwiese
ein Vogel zwischen Blüten und Laub
verborgen ist,
klingt sein Lied
noch angenehmer.
Wenn solcherart die schöne Lydia
ihren frohen Gesang ertönen lässt,
macht sie auf noch reizendere Weise
jedes Herz verliebt.

Wenn auf der lieblichen Blumenwiese, usw.

(Er geht mit Nirenus ab.)
DRITTE SZENE
Garten des Harems, der an ein Raubtiergehege grenzt
(Cornelia erscheint mit einer kleinen Hacke, um die Blumen zu pflegen.)


Nr. 19 - Arioso

CORNELIA
Ach, weint nur, ihr betrübten Augen,
denn für euch gibt es keine Hoffnung mehr.

Rezitativ

ACHILLAS
(tritt ein)
Schönste, weine nicht!
Dein Schicksal wird nicht so hart bleiben.

CORNELIA
Wer zum Seufzen geboren ist, wird immer weinen.

ACHILLAS
Das Versprechen,
Achillas zu lieben,
kann dir die Qua! der Sklaverei ersparen.

CORNELIA
Halt ein! Sprich so nie mehr zu mir!

(Sie wendet sich zum Gehen.)

ACHILLAS
O Gott! Höre! Wohin gehst du?

CORNELIA
Ich fliehe, um dich nicht mehr zu sehen.

VIERTE SZENE
(Die fliehende Cornelia trifft auf Ptolemäus, der sie an der Hand festhält.)

Rezitativ

PTOLEMÄUS
Schönste, nicht so verächtlich!

CORNELIA
Lass mich, nichtswürdiger König!

ACHILLAS
Herr, ich kam hierher,
um diese Grausame, die ich liebe, zu erweichen.

PTOLEMÄUS
Ist sie deinen Worten gefolgt?

ACHILLAS
Sie verachtet mich noch immer, und ich vergehe.

PTOLEMÄUS
(Ich atme auf, o Himmel!)
Schönste, verachte ihn nicht
(Er nimmt Achillas beiseite.)
Nun, mein Freund?

ACHILLAS
Herr, noch heute wirst du
Cäsar tot am Boden, deine Ehre gerächt
und dich als Alleinherrscher sehen.

PTOLEMÄUS
Geh, tu deine Tat, und hoffe;
zur Belohnung erhältst du deine Grausame.
(Ein Narr, wenn er es glaubt!)

Nr. 20 - Arie

ACHILLAS
(zu Cornelia)
Wenn du nicht grausam zu mir bist,
wird mein Herz
dir immer treu sein.
Doch bleibst du erbarmungslos
und änderst dein Verhalten mir gegenüber nicht,
dann hast du nur Strenge zu erwarten!

Wenn du nicht grausam zu mir bist, usw.

(Ab.)


Rezitativ

PTOLEMÄUS
Schönste, verabscheust du jenen so sehr,
der dich um Liebe bittet?

CORNELIA
Ein Verräter
ist der Liebe nicht würdig.

PTOLEMÄUS
So streng?
Aber wenn ein König dich begehrte?

CORNELIA
Ich würde ihm wie eine Furie das Herz zerreissen.

PTOLEMÄUS
Sollte wirklich in diesem Antlitz
kein Erbarmen wohnen? In dieser Brust …
(Er streckt die Hand nach Cornelias Busen aus;
Cornelia weicht entrüstet zurück.)


CORNELIA
Wahnsinniger, bezähme
dein sinnliches Verlangen:
Bedenke, dass ich Cornelia und eine Römerin hin.

(Ab.)

PTOLEMÄUS
So spröde einem König gegenüber? Störrisches Weib!
Ich werde Gewalt anwenden, wenn Bitten nichts fruchtet,
und dir zu rauben wissen, was du mir jetzt verweigerst.

Nr. 21 - Arie

Ja, Erbarmungslose, deine Strenge
weckt den Hass in meiner Brust.
Da du dieses Herz verachtest,
sollst du, Treulose, meinen Zorn spüren!

Ja, Erbarmungslose, deine Strenge, usw.

(Ab.)


FÜNFTE SZENE

Rezitativ

CORNELIA
Auf, warum noch zögern?
Jetzt, wo der Wüstling fort ist,
soll beherzter Mut meine Ehre retten:
Von dieser hohen Mauer
will ich mich den Ungeheuern in den Rachen stürzen
und den Raubtieren zum Frass dienen.
Der Tod birgt für die starke Seele keinen Schrecken!
Lehwohl, Rom! Lebwohl, Sextus! Ich gehe in den Tod.

SEXTUS
(tritt ein)
Halt ein! Was tust du?

CORNELIA
Wee hält mich auf?

SEXTUS
Mutter!

CORNELIA
Mutter? Was sehe ich?
Mein Sohn, Sextus, mein Liebster!
Wie kamst du hierher?

SEXTUS
Um dich dem lüsternen Herrscher zu entreissen,
schlich ich mich, geführt von Nirenus,
heimlich zu dir.

CORNELIA
Mein Sohn, du begibst dich dabei
in viel zu grosse Gefahr.

SEXTUS
Wer Rache will,
hat keine Angst um sein Leben, o Mutter.
Einer wird sterben: Sextus oder der Tyrann.

SECHSTE SZENE

Rezitativ

NIRENUS
(tritt ein)
Cornelia, schlimme Nachricht.
Der König befiehlt,
dass ich dich in seinen Harem führe.

CORNELIA
O Gott!

SEXTUS
Götter, Was höre ich?

NIRENUS
Seid unbesorgt: Ptolemäus hat mir nie misstraut;
ich will euch beide dorthin bringen,
wo der tyrannische König
sich seiner unzüchtigen Lust hingibt;
in seinem Versteck hat Sextus dort
die Rache, die ihm zusteht, in der Hand;
der König, allein und unbewaffnet,
kann keinen Widerstand leisten.

SEXTUS
Ich schulde dir sehr viel.

CORNELIA
Möge der Himmel eine so edle Sache unterstützen!

Nr. 22 - Arie

Seufze nun nicht mehr!
Nicht immer zürnt der Himmel
den Elenden; er übt stets seine Rache,
und sei es auch spät.
Wenn der Himmel wütet, gibt der Seemann
niemals die Hoffnung auf,
und seine Standhaftigkeit
bringt ihm schliesslich die Rettung.

Seufze nun nicht mehr, usw.

(Sie geht mit Nirenus ab.)

Rezitativ

SEXTUS
Das ist kein Sohn, der nicht verlangte,
den ermordeten Vater zu rächen.
Auf denn, bereite dich
zur Rache, starke Seele,
und töte erst jenen, eh du selbst stirbst!

Nr. 23 - Arie

Die aufgestörte Schlange gibt keine Ruhe,
bevor sie nicht ihr Gift
ins Blut des Angreifers fliessen lässt.
Ebenso wagt meine Seele nicht,
sich gross und edel zu nennen,
wenn sie nicht jenes gottlose Herz ausreisst.

Die aufgestörte Schlange gibt keine Ruhe, usw.

(Ab.)


SIEBTE SZENE
Ein Lustgarten

Nr. 24 - Arie

KLEOPATRA
Schöne Venus,
ach, leihe mir
für kurze Zeit
allen Liebreiz
des Liebesgottes!
Du weist doch,
dass mein Anblick
ein königliches Herz
gewinnen muss.

Schöne Venus, usw.

(Sie stellt sich schlafend.)


Rezitativ

CÄSAR
(tritt ein)
Götter, was sehe ich?
Hier ruht meine Schönste im Schlaf?
Geliebte, reizende Lydia,
ach, wenn von all dem Feuer,
das in meiner Brust Ioht,
dir nur ein Funke ins Herz dänge,
dann dürftest du wohl darauf hoffen,
mir eines Tages Braut und Gattin zu sein.

KLEOPATRA
(fährt auf)
Gattin? Ich werde dich lieben bis zum Tod.

CÄSAR
Oho!

KLEOPATRA
Was beunruhigt dich?

CÄSAR
Ein einfaches Mädchen,
eine Dienerin Kleopatras, strebt so hoch hinaus?

KLEOPATRA
Cäsar, sei niche zornig!
Da du mich wach nicht magst,
mich aber lieben sollst, lege ich mich wieder schlafen.

(Sie will auf ihr Lager zurückkehren.)

ACHTE SZENE

Rezitativ

CURIO
(tritt mir gezücktem Schwert ein)
Cäsar, du bist verraten.

CÄSAR
Ich verraten?
(Er zieht das Schwert.)

KLEOPATRA
Was höre ich!

CURIO
Herr, während ich dich in deinen Gemächern erwarte,
höre ich, wie Lärm von Menschen und Schwertern
erschallt und eine Stimme ruft:
Cäsar soll sterben! Und sofort
eile ich zu dir, um dir Meldung zu machen.

CÄSAR
So herrscht also in Ägypten Treulosigkeit?
Schöne, bleibe nur;
diese Gestade bringen uns kein Glück.

KLEOPATRA
Halt, geh nicht fort, wenn du mich nicht töten willst.

CÄSAR
Lass ab, Lydia …

KLEOPATRA
Welche Lydia!
Ich eile in den Kampf; zu deiner Verteidigung
würde Kleopatra selbst in die Hölle hinabsteigen.
(Weh mir, was habe ich gesagt?)

CÄSAR
Kleopatra?

KLEOPATRA
Ja.

CÄSAR
Wo ist sie?

KLEOPATRA
Cäsar, lenke auf mich und niemand sonst
das Licht deiner geliebten Augen:
Ich bin Kleopatra und nicht mehr die falsche Lydia.

CÄSAR
Du bist Kleopatra?

KLEOPATRA
Rasch wird mein königlicher Anblick
die dreiste Kühnheit der Verschwörer zu Fall bringen;
stecke dein Schwert wieder ein, Herr!

(Ab.)

CÄSAR
Curio, angesichts dieser seltsamen Ereignisse
bin ich wie versteinert.

CURIO
Ich bin sprachlos.

CÄSAR
Hast du so etwas je gehört, mein Herz?
Lydia ist Kleopatra? Und du verschmähtest sie?
O Gott!

KLEOPATRA
(kehrt hastig zurück)
Flieh, Cäsar, flieh!
Die Verschwörer eilen schon von deinen Gemächern
im Palast zu diesem Brunnen.

CÄSAR
Wie! Nicht einmal Kleopatra
vermochte dem dreisten Verrat Einhalt zu gebieten?

KLEOPATRA
Der königliche Purpur
ist kein ausreichender Schild gegen Verrat.

CÄSAR
Sie sollen nur kommen, ich bin bereit.
Cäsar hat noch niemals Furcht gekannt.

KLEOPATRA
O Gott! Du zerreisst mir das Herz;
rette dich, o mein Geliebter! Cäsar, flieh!

Nr. 25 - Arie und Chor

CÄSAR
Im Schein der blitzenden Waffen
wird dieses Kriegerherz
Rache nehmen.
Die Kämpferhand
soll nicht durch jene erlahmen,
die ihr Stärke verleiht.

Im Schein der blitzenden Waffen, usw.

(Er geht mit Curio ab.)


VERSCHWÖRER
Cäsar soll sterben, er soll sterben!

Nr. 26 - Accompagnato

KLEOPATRA
Was höre ich? O Gott! Auch Kleopatra wird sterben.
Feige Seele, was redest du nur? Schweig!
Um mich im Kampf zu rächen,
werde ich Bellonas Gestalt,
doch das Herz von Mars besitzen.
Unterdessen, o Götter, ihr Herrscher des Himmels,
beschützt meinen Liebsten,
denn er ist meinem Herzen Trost und Hoffnung.

Nr. 27 - Arie

Wenn du kein Erbarmen mit mir hast,
gerechter Himmel, so sterbe ich.
Beende meine Qualen,
oder ich hauche meine Seele aus.

Wenn du kein Erbarmen nah mir hast, usw.

NEUNTE SZENE
Gemach im Harem

Nr. 28 - Arioso und Rezitativ

PTOLEMÄUS
Schone Göttinnen meines Herzens,
ihr tragt den Himmel in eurem Antlitz,
der Himmel hat keinen schöneren Glanz,
als eure sternengleichen Augen zeigen.
Hier ist ein Ort des Friedens,
an dem ich mein Schwert ablege,
(Er legt sein Schwert auf einen Tisch)
denn im Bereich der Liebe
ist diese schreckliche Waffe unnützer Schmuck.

CORNELIA
(Götter? Was wird aus mir?)

PTOLEMÄUS
Doch da ist Cornelia!
Nimm dieses weisse Leinen
als mein gewohntes Zeichen
für diejenige, die ich bestimme,
des Nachts das königliche Bett mit mir zu teilen.

(Cornelia nimmt das Tuch und wirft es verächtlich auf den Boden.)

SEXTUS
(tritt ein)
(Dies ist die Stunde, o meine Hand!
Dasselbe Schwert, das den Vater tötete,
soll den Gottlosen durchbohren.)

(Als Sextus das Schwert des Ptolemäus nehmen will, wird er von Achillas überrascht, der hereinstürzt und die Waffe ergreift.)

ZEHNTE SZENE

Rezitativ

ACHILLAS
Herr, nimm!

PTOLEMÄUS
Was ist geschehen?

SEXTUS
(Grausame Götter!)

ACHILLAS
Bewaffne dich, jetzt ist nicht Zeit,
sich im Harem mit Liebkosungen aufzuhalten;
verlasse diese Liebesgöttinnen und eile zu Mars!

PTOLEMÄUS
Welch feindliches Schicksal …

ACHILLAS
Während ich noch Cäsar zu vernichten suche,
stürzt er sich auf uns,
doch die Überzahl
bezwingt schliesslich die Tapferkeit eines Einzelnen;
er flieht mit Curio und störet sich plötzlich
von der hohen Brüstung ins Meer,
und einen Augenblick lang sehe ich,
dass Curio untergeht und Cäsar schon tot ist.

CORNELIA
(Cäsar tot?)

SEXTUS
(O Götter!)

ACHILLAS
Dann eilt Kleopatra
zum römischen Lager,
und unter kriegerischen Trompetenklängen
stürmt sie, um Cäsar zu rächen,
mit ihren Leuten bewaffnet auf dein Lager zu.

PTOLEMÄUS
Das Wüten einer feigen Frau
fürchte ich nicht.

ACHILLAS
Du sollst nur nur noch
zum Lohn für soviel Mühen
jene dort zur Gattin geben.

PTOLEMÄUS
Unverschämter! Eine Schönheit ohnegleichen
verlangst du zum Lohn für einen Verrat?

ACHILLAS
Herr …

PTOLEMÄUS
Schweig, und fort mit dir!
Ich bin der König und werde dich zu entlohnen wissen.

ACHILLAS
Ist dies der Dank für meine Dienste?

PTOLEMÄUS
Genug!

ACHILLAS
(Einem Treulosen schuldet man keine Treue.)

(Ab.)

PTOLEMÄUS
Ihr Frauen, geht in eure Gemächer;
ich werde bald siegreich zu euch zurückkehren.

(Er geht mir den Frauen ab.)

ELFTE SZENE

Rezitativ

SEXTUS
Nun ist alle Hoffnung
auf Rache verloren.
Schwert, machtlos erblicke ich dich;
gib mir den Tod, damit ich nicht mehr leide.

(Er zieht das Schwert, um sich zu töten.)

CORNELIA
Halt! Was tust du? Verzweifle nicht, o Sextus,
wenn auch das ruchlose Schicksal den Schlag vereitelt hat.

SEXTUS
Was können wir nun noch erhoffen,
da Cäsar tot ist?

CORNELIA
Mut, Kühnheit!
Nirenus macht dir bereits den Weg frei;
geh ins Lager, dort wirst du den gottlosen Tyrannen wiederfinden,
und beweise ihm dort mit fester Haltung,
dass du dich dem Tod stellst und ihn nicht fürchtest.

(Ab.)

SEXTUS
Ich werde heimlich
jedem Schritt des Tyrannen folgen,
bis ich ihn zugrunde richte
und der Mörder des Vaters
durch die Hand des Sohnes fällt.

Nr. 29 - Arie
Der grausame Tyrann
verdient die Luft nicht,
die er atmet.
Seine Erbarmungslosigkeit
bringt mich in Zorn,
nur sein Tod kann mich besänftigen.

Der grausame Tyrann usw.


DRITTER AKT

ERSTE SZENE
Ein Wald nahe der Stadt Alexandria

Rezitativ

ACHILLAS
Ist dies der Lohn
für meinen langen Dienst, für meine Treue?
Grausamer König, du wirst bald bereuen,
mich gekränkt zu haben.
Auf, mutige Krieger, wir wollen Kleopatra
unsere Dienste anbieten ? und unser Herz,
und unsere Tapferkeit soll unser Zögern wieder gutmachen.

Nr. 30 - Arie

Der Glanz dieses Schwertes
soll den Ruchlosen
gedemütigt niederstrecken.
Der braucht keine Kränkung zu ertragen,
wer das Königreich tapfer verteidigt hat.

Der Glanz dieses Schwertes, usw.

(Ab.)


ZWEITE SZENE

Sinfonia
(Unter den Klängen einer kriegerischen Sinfonia findet die Schlacht zwischen den Puppen Kleopatras und Ptolemäus' statt.
Die Ptolemäer siegen, und nach dem Ende der Sinfonia tritt Ptolemäus mit der gefangenen Kleopatra ein.)


Rezitativ

PTOLEMÄUS
Du bist besiegt, niedergestreckt vom Blitz
meines königlichen Schwertes.

KLEOPATRA
Ptolemäus hat mich nicht besiegt;
mich verriet jenes blinde Schicksal,
das dich ehrlosen, treulosen und gesetzlosen
Tyrann stets beschützt.

PTOLEMÄUS
Oho! So dreist
im Angesicht des Ehrfurcht ggbietenden Siegers?
(zu den Wachen)
Legt sie in Ketten!

(Ein Wachsoldat legt Kleopatra Ketten an.)

KLEOPATRA
Grausamer Verbrecher! Die Götter werden dich strafen.

PTOLEMÄUS
Bringt jene, die ich als Bruder hasse und verachte,
in den Palast; dort soll sie mich
zur Strafe für ihre Vermessenheit
zu Füssen meines Throns auf Knien anbeten.

Nr. 31 - Arie

Ich werde deinen Hochmut zähmen,
der meinen Thron hasst und verachtet,
und ich werde dich gedemütigt sehen.
Wie der aufrührerische Ikarus
wolltest du höher als die Sterne fliegen,
doch ich werde dir die Flügel stutzen.

Ich werde deinen Hochmut zähmen, usw.

(Ab.)


DRITTE SZENE

Rezitativ

KLEOPATRA
Und so verliere ich an einem einzigen Tag
allen Glanz und alle Grösse? Ach, schreckliches Schicksal!
Cäsar, mein schöner Gott, ist vielleicht tot;
Cornelia und Sextus sind waffenlos
und können mir nicht helfen. O Gott!
Mit bleibt keine Hoffnung mehr im Leben.

Nr. 32 - Arie

Ich werde mein so grausames,
schreckliches Schicksal beweinen,
solange noch Leben in mir ist.
Doch wenn ich tot bin, wird mein Geist
den Tyrannen Tag und Nacht überall heimsuchen.

Ich werde mein so grausames, usw.

(Sie geht mitt den Wachen ab.)


VIERTE SZENE

Nr. 33 - Accompagnato und Arie

CÄSAR
Aus den gefährlichen Fluten
trägt mich mein gütiges Schicksal
sicher ans Ufer.
Hier durchtrennt die göttliche Parze
meinen Lebensfaden noch nicht!
Doch wohin soll ich gehen? Und wer wird mir helfen?
Wo sind meine Truppen?
Wo sind die Legionen,
die mir so viele Siege beschert haben?
Soll denn der Herrscher der Welt
allein an diesem einsamen Gestade umherirren?

Ach, ihr Lüfte, habt Erbarmen,
streicht über meine Brust,
um meinen Schmerz, o Gott,
zu lindern.
Sagt, wo ist sie,
was tut die Göttin meiner Seele,
der geliebte, reizende Schatz
meines Herzens.
Doch ringsum sehe ich überall
das unglückselige Gestade
voin Waffen und Leichen bedeckt,
das ist sicher ein schlimmes Omen.

Ach, ihr Lüfte, habt Erbarmen, usw.

(Sextus und Nirenus treten in Rüstung und mit heruntergeklapptem Visier auf.)


Rezitativ

SEXTUS
Vergeblich suche ich Ptolemäus, um mich zu rächen,
mein erbarmungsloses Schicksal verbirgt ihn vor mir.

ACHILLAS
(am Saum des Meeres, tödlich verletzt)
Du hast gesiegt, o Schicksal!

SEXTUS
Welch matte Stimme?

ACHILLAS
Ihr habt gesiegt, o Sterne!

CÄSAR
(Zwei Krieger? Verborgen
will ich sie belauschen
und erfahren, wer sie sind.)

(Er versteckt sich.)
NIRENUS
(zu Sextus)
Das ist Achillas, mit einer Wunde in der Brust.

CÄSAR
(Der Sterbende ist Achillas?)

NIRENUS
(zu Achillas)
Freund, Freund!

ACHILLAS
(zu Nirenus)
O unbekannter Krieger,
der mit Freundesstimme
meinen Namen nennt,
ach, falls das Schicksal dir gewährt,
eines Tages mit Cornelia, der Sonne Roms,
zu sprechen,
sag ihr, dass jener Achillas,
der einst riet, den grossen Pompeius zu töten …

SEXTUS
(Ah, Verbrecher!)

CÄSAR
(Ah, Frevler!)

ACHILLAS
… und, um sie zur Gattin zu gewinnen,
den Anschlag auf Cäsar befahl …

SEXTUS
Ah, Verräter!)

CÄSAR
(Treuloser!)

ACHILLAS
… dass er nur wegen seines Wunsches,
sich eines Tages an König Ptolemäus zu rächen,
in dieser Nacht sein Leben im Kampf verlor.
Nimm dieses Siegel;
ganz in der Nähe warten in einer Höhle
hundert bewaffnete Krieger,
dir auf dieses Zeichen zu gehorchen;
mit ihnen kannst du durch einen unterirdischen Gang
in den Palast eindringen
und Cornelia bald dem Ruchlosen entreissen
und dafür sorgen, dass ich gerächt sterbe.

(Er gibt Sextus das Siege! und stirbt.)

NIRENUS
Er ist tot, der Treulose ...

SEXTUS
Wirf jetzt
den schändlichen Leichnam
des Verräters ins Meer.

FÜNFTE SZENE

Rezitativ

CÄSAR
(tritt hervor und entreisst Sextus das Siegel)
Her mit diesem Siegel!

SEXTUS
(hebt das Visier)
O Götter!

CÄSAR
Was sehe ich!

SEXTUS
Herr!

CÄSAR
Du, Sextus?

SEXTUS
Und wie, Cäsar,
entkamst du lebend und unversehrt
der Parze?

CÄSAR
Ich gelangte schwimmend aus Ufer.
Sorge dich nicht; ich eile zum Palast
und werde mir mit diesem Siegel Zugang verschaffen.
Nirenus folgt mir mit dir:
Entweder entreisse ich Cornelia und Kleopatra ihrem Los,
oder ich sterbe.

Nr. 34 - Arie
Der Wildbach, der vom Berg herabstürzt,
reisst alles nieder, was sich gegen ihn stellt.
Ebenso mache ich es mit jedem,
der sich mir widersetzt:
Mein Schwert wird ihn niederstrecken.

Der Wildbach, der vom Berg herabstürzt, usw.

(Ab.)


SECHSTE SZENE

Rezitativ

SEXTUS
Wir dürfen hoffen, Cäsar lebt.

NIRENUS
Folge ihm, o Sextus.

SEXTUS
Achillas tot? So beginnt der Himmel nun tatsächlich, mich zu rächen.
Ja, ja, mir sagt das Herz,
dass ich die ersehnte Ehre wiedererlangen werde.

Nr. 35 - Arie

Die Gerechtigkeit hält auf ihrem Bogen
schon die Rachepfeile bereit,
um einen Verräter en strafen.
Wenn der Pfeil erst spät trifft,
erwartet das treulose Herz
nur umso grausamere Strafe.

Die Gerechtigkeit hält auf ihrem Bogen, usw.

(Er geht mit Nirenus ab.)


SIEBTE SZENE
Gemach der Kleopatra

Nr. 36 - Accompagnato

KLEOPATRA
(umgeben von ihren weinenden Mädchen)
Ihr, einst meine getreuen Mägde,
weint nun vergeblich, ihr gehört mir nicht mehr.
Der abscheuliche Bruder,
der mir die Herrschaft nahm,
entreisst euch mir und wird mich töten.
(Man hört Waffenlärm hinter der Bühne.)
Doch was ist das für ein Waffenlärm?
Ach ja, ihr gehört mir nicht mehr;
bald werdet ihr Kleopatra sterben sehen.

Rezitativ

CÄSAR
(begleitet von Soldaten, tritt mit gezogenem Schwert ein)
Ich kämpfte den Weg frei,
um dich zu retten, o Liebste!

KLEOPATRA
Bist du Cäsar oder ein Geist?

CÄSAR
(zu den Wachen)
Ihr dort, fort jetzt, abscheuliche Werkzeuge
eines erbarmungslosen Tyrannen!
Cäsar befiehlt es, gehorcht auf der Stelle!

(Die Wachen gehen ab.)

KLEOPATRA
Ah!Jetzt erkene ich dich,
mein Herzallerliebster,
an deiner Kühnheit und Stärke wieder!
Nein, geliebter Cäsar, du bist kein Geist.

(Sie läuft zu ihm, um ihn zu umarmen.)

CÄSAR
Liebste, ich drücke dich an meine Brust;
unser Schicksal hat eine neue Wendung genommen.

KLEOPATRA
Wie kommt es, dass du unversehrt bist?

CÄSAR
Ich werde später Zeit haben,
dir genau zu berichten, wie ich überlebte.
Du bist frei. Geh zum Hafen
und sammle die versprengten Truppen,
dort wirst du mich wiedersehen:
Mars ruft mich zu grössten Heldentaten auf diesem Boden.
Und nicht nur Ägypten, sondern eine Welt zu erobern,
genügt allein die Kühnheit meines Herzens.

(Er geht mit den Soldaten ab.)

Nr. 37 - Arie

KLEOPATRA
Wenn ein Schiff, in Sturm zerschmettert,
doch noch den rettenden Hafen erreicht,
gibt es keine anderen Wünsche mehr.
So ergeht es auch dem Herzen in Qualen und Tränen;
jetzt, wo sie Trost findet,
ist die Seele wieder glücklich.

Wenn ein Schiff, im Sturm zerschmettert, usw.

ACHTE SZENE
Thronsaal des Ptolemäus

Rezitativ

PTOLEMÄUS
Cornelia, es ist nun all der Zeit,
dass du Erbarmen mit einem schmachtenden König hast.

CORNELIA
Du hoffst vergeblich auf meine Gunst.
Wie könnte ich
meinen toten Gatten vergessen?

PTOLEMÄUS
Ägyptens Herrscher will dir ein neuer Gatte sein.
Liebste, ich drücke dich an meine Brust …

(Er will sie umarmen.)

CORNELIA
Zurück, Unwürdiger, und bedenke,
dass Cornelia Römerin ist.

PTOLEMÄUS
Ich habe nichts mehr zu fürchten:
Cäsar ist tot, Kleopatra zu meinen Füssen,
jetzt folge ich nur noch meinem eigenen Willen.

(Er will sich ihr erneut nähern.)

CORNELIA
Wenn du auch niemanden fürchtest,
so fürchte doch diese Klinge,
denn an mir allein ist es jetzt,
den toten Gatten zu rächen!

(Sie zieht einen Dolch hervor. Als sie sich auf Ptolemäus wirft, um ihn zu töten, stürmt Sextus mit gezogenem Schwert herein.)

NEUNTE SZENE

Rezitativ

SEXTUS
Halt ein, o Mutter!
Wende dich zu mir, Tyrann!

PTOLEMÄUS
(zieht das Schwert)
Ich bin verraten, o Götter!

SEXTUS
Wisse, abscheuliches Untier, zu deiner Qual:
Die Götter haben Cäsar sicher und unbesiegt
vor dem Verrat bewahrt, und er befreite Kleopatra
von den ungerechten Ketten. Er kommt selbst hierher; ich eile ihm voraus
und verlange das Blut, das Sextus zusteht.

PTOLEMÄUS
Du wirst deine wahnwitzige Vermessenheit gleich bereuen.

(Sie kämpfen; Ptolemäus wird verwundet und bricht tot zusammen.)

CORNELIA
Jetzt erkenne ich in dir wahrhaft den Sohn des grossen Pompeius
und drücke dich an meine Brust.

SEXTUS
Dort liegt der tote Tyrann;
nun, Vater, hast du, wenn auch bezwungen, doch gesiegt.

(Ab.)

Nr. 38 - Arie

CORNELIA
Meine Seele hat nichts mehr zu fürchten,
nun da sie gerächt ist;
ja, jetzt wird sie glücklich sein,
ich beginne, frei zu atmen.
Jetzt soll sich mein Leiden
in reine Freude verwandeln,
denn alles Klagen ist müssig,
wenn der Himmel mir Hoffnung gibt.

Meine Seele hat nichts mehr zu fürchten, usw.

(Ab.)


LETZTE SZENE
Der Hafen von Alexandria

Sinfonia
(Cäsar und Kleopatra erscheinen, gefolgt von Ägyptern mit Trompeten und Pauken.
Nach dem Ende der Sinfonia treten Curio und Nirenus, dann Sextus und Cornelia ein.
Ein Page trägt das Zepter und die Krone des Ptolemäus.)


Rezitativ

NIRENUS
(zu Cäsar)
Curio hat gesiegt, Ägypten ist dein;
an diesem Meeresstrand
feiern alle Cäsar
als Herrscher der Welt und römischen Kaiser.

CÄSAR
(zu Nirenus)
Für seine treuen Dienst soll Nirenus
angemessen belohnt werden;
(zu Curio)
Curio, deine Kampfeskraft ist schon berühmt.
Doch hier kommt Cornelia?

SEXTUS
(kniet nieder)
Herr, hier kniet zu deinen Füssen
der Sohn von Cornelia und Pompeius;
er hat die tiefe Beleidigung
des ungeheuren Verrats mit seinem Schwert gerächt
und Ptolemäus blutig getötet.

CÄSAR
Ist Ptolemäus tot?

CORNELIA
Wäre Sextus nicht rechtzeitig
zu meiner Verteidigung herbeigeeilt,
so wäre Cornelias Ehre in Gefahr gewesen.

CÄSAR
Den Vater zu rächen, ist das Recht des Sohnes;
erhebe dich, Sextus,
dass ich dich als Freund an die Brust drücke.

SEXTUS
Ich will dir stets treu dienen.

(Sie umarmen einander.)

CORNELIA
Hier sind die königlichen Attribute
des toten Tyrannen; ich überreiche sie dir.

(Sie reicht Cäsar Krone und Zepter des Ptolemäus.)

CÄSAR
Schönste Kleopatra,
dieses Diadem, das du hier siehst, steht dir zu:
Ich setze es dir aufs Haupt.
Als Königin Ägyptens
wirst du dem Volk Regeln und dem Thron Gesetze geben.

KLEOPATRA
Cäsar, diese Herrschaft verdanke ich dir allein.
Als tributpflichtige Königin
werde ich in dir den römischen Kaiser verehren.

CÄSAR
(Amor, wer sah je so schöne Locken?)

Nr. 39 - Duett

KLEOPATRA und CÄSAR
Liehster!/Schönste! Etwas Liebenswerteres
als dein schönes Antlitz
kann es nicht geben.
in dir/In mir wird niemals
eine Liebe oder eine Treue leuchten,
die nicht mir/dir gilt.

Liebster!/Schönste! usw.

Rezitativ

CÄSAR
Möge Ägypten jetzt
in einem friedlicheren Zustand
seine neue Freiheit geniessen:
Cäsar wünscht, dass der Ruhm den grossen Namen Roms
von einem Pol zum anderen verbreite.

Nr. 40 - Chor und Duett

CHOR DER ÄGYPTER
Nun sollen wieder schöne Freude und Lust
in unsere Herzen einkehren;
die Brust ist von allem Leid befreit,
und jeder wendet sich nun wieder dem Vergnügen zu.

KLEOPATRA und CÄSAR
Süsse Zufriedenheit wird mein Herz empfinden,
wenn du mir stets treu bist;
so schwand der bittere Schmerz aus dem Herzen,
und es bleiben dort nur Liebe, Treue und Vertrauen.

CHOR DER ÄGYPTER
Nun sollen wieder schöne Freude und Lust, usw.
Übersetzung: Reinhard Litthje