Libretto: La belle Hélène

von Jacques Offenbach


Burleske Oper(ette) in 3 Akten



Personen:
PARIS, König Priam's Sohn (Tenor)
MENELAS, König von Sparta (Bariton)
HELENA, dessen Gattin (Sopran)
AGAMEMNON, König der Könige (Bariton)
ORESTES, dessen Sohn (Tenor)
PYLADES, dessen Freund
CALCHAS, Grossaugur des Jupiter
ACHILLES, König von Phtiolides (Bass)
AJAX I., König von Salamis
AJAX Il., König von Locrien
PHILOCOMUS, Diener im Tempel des Apollo
EUTHYCLES, Schlosser
BACCHIS, Helena's Vertraute
LEAENA und PARTHENIS, Gespielinnen des Orestes

CHOR
Wachen, Sklaven, Dienerinnen, Volk

ERSTER AKT
Das Orakel.
In Sparta, öffentlicher Platz



CHOR
An den Altar des grossen Zeus eilt freudig' hin:
Er hört das Fleh'n, wenn wir zu seinen Füssen knien.
Du bist der Obergott, dein Bart ist pur von Gold,
Allmächtig bist du auch, sei unsern Wünschen hold.
O grosser Jupiter!
Wir kommen flehend her.
Sei unsern frommen Wünschen hold,
Grosser Zeus!

CHOR
O weint, jungfräuliche Genossen,
Der edelsten Geschlechter Sprossen!
Von erlauchtem Stamm' entsprossen!
Da ein Jüngling heut von uns schied!

HELENA
O Quelle bittern Schmerzens,
Liebeskönigin!
Adonis starb gebroch'nen Herzens,
Die Lieb' auf Erden ist dahin!

CHOR
Die Lieb' auf Erden ist dahin!

HELENA
O göttlich Paar, Idol der Liebe!
Adonis und Venus, Heil sei Euch!
Die heil'ge Glut, die süssen Triebe,
Sie sind dahin ins Schattenreich.
O so lind're die Qualen, die bittern Schmerzen,
Holde Göttin, o schenke uns einen milden Blick,
Sende glühende Liebe in unsere Herzen,
Gib uns Liebe zurück, sie allein nur ist Glück.

CHOR
Sende glühende Liebe in unsere Herzen
Sie allein nur ist Glück.

HELENA
Kein süsser Blick, kein Glutverlangen
Das nüchteren Leben mehr beseelt -
Das arme Herz, es stirbt voll Bangen,
in Todesschlummer liegt die Welt.
O so lind're die Qualen, die bittern Schmerzen usw.

CHOR
Sende glühende Liebe in unsere Herzen usw.

ORESTES
Ich hab' gepichelt wie ein Löwe
Beim Wirt zum blauen Labyrinth -
Bollinger, Jacquesson, Cliquot veuve -
Mit diesen Damen aus Korinth.
Leaena ist's und Parthenis,
Die dich gern kennen lernen wollen.

CALCHAS
Nun, weiter fehlt mir nichts als dles!
Das hätt' ich eher wissen sollen!

ORESTES
Leaena ist's und Parthenis

ALLE
Leaena ist's und Parthenis!
Tsing la la! Tsing la la!
O je ke fa le la la la
Tsing la la! Tsing la la!

ORESTES
Mit diesem lustigen Gesindel
Lebt Prinz Orest fidel und nett.
Und ihr bezahlt den ganzen Schwindel;
Auf Griechisch nennt man das - Budget!
Leaena ist's und Parthenis,
Die dich gern kennen lernen wollen.

CALCHAS
Nun, weiter fehlt mir nichts als dies!
Das hatt' ich eher wissen sollen!

ALLE
Leaena ist's und Parthenis.
Tsing la, la! Tsing la la!
Seht doch Vater Calchas da!
Tsing la la! Tsing la la!

CHOR
Tsing la la! Tsing la la!
Seht doch Vater Calchas da!
Tsing la la! Tsing la la!


Das Urteil des Paris

PARIS
Drei Göttinnen sah einst entbrennen
In einen Streit man lang und heiss:
Wem von den Dreien zuerkennen
Man müsst' der Schönheit ersten Preis.
Evoë! Weiss so 'ne Göttin,
Zu bestricken einen Mann,
Evoë! Was so 'ne Göttin
Wunderkräftig wirken kann!

Ein junger Knabe kam gegangen
Des Weg's, frisch, fröhlich, fromm und frei,
Ein Aepfelchen mit roten Wangen
Trug er und dacht' sich nichts dabei.
Evoë! Weiss so 'ne Göttin,
Zu bestricken einen Mann ... usw.

He, heda, nicht so hastig eilen!
Komm her, du kleiner Springinsfeld!
Dein Aepfelchen sollst du erteilen
Der, die am besten dir gefällt!
Evoë! Weiss so 'ne Göttin,
Zu bestricken einen Mann ... usw.

Die eine sprach: Minerva heiss' ich,
Bin eine Jungfrau zart und rein,
Etwas Blaustrumpf und furchtbar fleissig;
Drum, denk' ich, wird der Apfel mein.
Evoë! Weiss so 'ne Göttin,
Zu bestricken einen Mann ... usw.

Die Andre sprach: Frau Juno bin ich,
Der stolze Pfau ist meine Zier,
Mein Männchen, Zeus, liebt mich herzinnig;
Darum gebührt der Apfel mir.
Evoë! Weiss so 'ne Göttin,
Zu bestricken einen Mann ... usw.

Und die Dritte, ach! die Dritte, sie stand daneben
Und blieb stumm.
Ihr musste ich den Apfel geben,
Calchas! du weisst wohl, warum?
Evoë! Weiss so 'ne Göttin,
Zu bestricken einen Mann ... usw.


Marsch

CHOR
Seht, die Könige der Griechen!
Volk, jetzt sollst du Weihrauch riechen,
Den du ihnen streuen wirst;
Menelaus naht, der witz'ge,
Auch Achill, der junge, hitz'ge,
Agamemnon dann, der Fürst.

AJAX I
Ich bin Ajax, Held im Kriege,
Mein Herz ist hart wie Wachs.

CHOR
Sein Herz ist hart wie Wachs!

AJAX II
Die Feinde stracks ich besiege.
Stracks ich besiege,
Stracks ich besiege,
Bin mutig wie ein Dachs.

CHOR
Ist mutig wie ein Dachs.

AJAX I und AJAX II
Doch einer nicht richten mag's,
Drum heissen wir die zwei Ajax.
Ich bin Ajax, Held im Kriege,
Jax Held im Kriege,
Jux Held im Kriege.
Mein Herz ist hart wie Wachs,
Bin mutig wie ein Dachs.

CHOR
Die zwei Ajax, gross im Kriege,
Ihr Herz ist hart wie Wachs.
Sind mutig wie ein Dachs.

ACHILLES
Achill, voll Mut und voll Hitze,
Sich nicht zu fürchten braucht.

CHOR
Sich nicht zu fürchten braucht.

ACHILLES
Der Feinde Blut ich verspritze,
Weil ich in Styx getaucht.

CHOR
Weil er in Styx getaucht.

ACHILLES
Für mich gibt's nur ein Malheur,
Das kommt von meiner Ferse her.
Achill, voll Mut und voll Hitze,
Sich nicht zu fürchten braucht.

CHOR
Achill, voll Mut und voll Hitze usw.

MENELAUS
Bin Menelaus, der Gute,
Der Mann von Helena.

CHOR
Der Mann von Helena.

MENELAUS
Mir ward oft grauslich zu Mute,
Betrogen ward ich ja.

CHOR
Betrogen ward er ja.

MENELAUS
Doch jetzt sei noch nichts gesagt,
Denn das kommt erst im dritten Akt.
Bin Menelaus, der Gute usw.

CHOR
's ist Menelaus, der Gute usw.

AGAMEMNON
Ein König tritt unter sie,
Er heisst Agamemnon.

CHOR
Er heisst Agamemnon.

Agamemnon
Und wer die Mythologie
Studiert hat, weiss es schon.

CHOR
Studiert hat, weiss es schon.

AGAMEMNON
Ich bin gar ein! grosser Herr,
Zu sagen brauch' ich sonst nichts mehr.
Ein König tritt unter sie ... usw.

CHOR
Ein König tritt unter sie ... usw.


Wiederholung des Chors

CHOR
Es nahet schon im Festgewande
Die Königin vom Griechenlande.
Ihr kennet sie,
Drum nennet sie
Die schönste Frau fürwahr.
Bringt eure Huldigung dar,
Heil sei ihr!


Finale

CHOR
Ehre! Ehre!
Lob sei dem Sieger dargebracht,
Sinnreich hat er es ausgedacht.
Ehre, Ruhm und Lob
Sei dem Sieger dargebracht!

ACHILLES
Wie, ein Schafhirt soll triumphieren?

AGAMEMNON
Wie ist dein Name? Wer weiss, ob's wahr ist.

PARIS
Ist's erlaubt, mich einzuführen?
Ich nenne mich Prinz Paris.

CHOR
Ha, Paris!

HELENA
O Himmel!
Es ist der Apfelmann.

PARIS
Ich bin der Apfelmann.

CHOR
Staunet ihn freudig an,
Es ist der Apfelmann.

MENELAUS
Das ist dir wirklich sehr von Nutzen,
Dass du ein Manu von Rang und Stand;
Denn sieh, die Fürstin tät sich erniedrigen,
Würd' ein gemeiner Flirt
Gekrönt von ihrer Hand.
Nun setzt ihm auf die Krone.

HELENA
O Seligkeit, o Wonne!

CHOR
Hoch, Prinz Paris, Lob ihm und Preis,
Der die Rätsel aufzulösen weiss!

MENELAUS
Und nun noch eins, ich lad' euch! höflich ein,
Dass ihr mir die Ehr' erweiset,
Heut abend unser Gast zu sein.

HELENA
Punkt sieben Uhr wird gespeiset,
Um Sieben wird die Suppe aufgetragen.

PARIS
O, Tochter Jupiters, vergessen werd ich's nicht,
Punkt Sieben komm' ich im griech'schen Frack, wie sich's gebührt.

HELENA
Ha, mein Verhängnis nur hat ihn hierher geführt.

CALCHAS
Das hat sich gar nicht schlecht gemacht.

PARIS
Ich wär' zufrieden, lieber Calchas, glaube mir,
Hätt' ich den Gatten nur schon draussen vor der Tür.
Ich wär' zufrieden, auf mein Wort,
Wär' nur der Gatte auch schon fort.

CALCHAS
Na ja, das mach' ich schon.

PARIS
Und fürstlich sei dein Lohn.

CALCHAS
Phylocomus, jetzt gib acht!

AGAMEMNON
Hört den Donner rollen;
Ha, die Götter grollen!
Alle stehen hier bestürzt und mein Herz erstarrt.

CHOR
Hört den Donner rollen,
Ha, die Götter grollen!
Was ihr Zorn künden wird, jeder ängstlich harrt.

CALCHAS
Vom Wirbel hier bis zu den Zehen
Durchzuckt mich elektrisches Licht,
Mich umsäuselt melodisches Wehen -

CHOR
Hört, was er spricht!

CALCHAS
Der Zorn der Götter!
Steht in des Schicksals Buch;
Hört ihr das Donnerwetter?
Ja, so lautet der Spruch:
Vier Wochen fort von Haus
Muss König Menelaus;
Im Augenblick reis' er nach Kreta!

MENELAUS
Warum soll ich denn grad nach Kreta?

HELENA
Nur fort, mein Freund, schnell nach Kreta!

PARIS
Brav, lieber Calchas, tausend Dank!

MENELAUS
Was Teufel mach' ich denn in Kreta?

ACHILLES und AGAMEMNON
Fort nach Kreta!

AJAX I und AJAX II
Fort nach Kreta!

CHOR
Nur schnell nach Kreta.
Nur fort. Nur fort.
Reise nach Kreta!

HELENA
Es fasst ein Schwindel den König,
Dass er auf Reisen geht.

CHOR
Dass er auf Reisen geht.

HELENA
Und das Gesindel ein wenig
Merkt, um was es sich dreht.

CHOR
Merkt, um was es sich dreht.

HELENA
Mich dauert der arme Mann,
Verhängnis, das hast du getan.
Es fasst ein Schwindel ... usw.

CHOR
Es fasst ein Schwindel den König,
Dass er auf Reisen geht.
Fort, fort! reise nach Kreta!

PARIS
Reise nur fort, ja, reise nur fort,
Schon warten auf dich die Kreter.
Schön ist der Ort, ja, schön ist der Ort,
Nach Hause kommst du später.

CHOR
Reise nur fort, ja reise nur fort usw.

CHOR mit SOLI
Geh, dich schützen die Götter,
Die du stets geehrt,
Selbst bei Blitzen und Wetter
Bleibst du unversehrt.
Fort und zage nicht,
Wenn das Schicksal spricht!
Zieh' froh ins ferne Land hinaus,
Und komme glücklich bald nach Haus!

ZWEITER AKT
Das Spiel - Der Traum
Ein Saal in den Gemächern der Königin


CHOR
O hohe Frau, heut sollst du köstlich
im Schmucke prangen hehr und festlich.
Den Fürsten all' zu Ehr und Lust,
Die heute du empfangen musst.


Romanze

HELENA
Des Gatten Ehre zu bewahren,
Ist braver Frauen höchste Pflicht;
Doch lauern überall Gefahren,
Ausweichen kann man öfters nicht.
Die Mutter fühlte nur Erbarmen,
Es flog ein Schwan verfolgt herbei;
Er suchte Schutz in ihren Armen,
Wer dachte Böses wohl dabei?
Was doch das Herz Aphrodite's bewegt,
Dass sie der Tugend, der Tugend nur Fallstricke legt?

Mein Busen ist erfüllt vom Grimme,
Die Schönheit ist ein Unglück doch!
Die Menschen wollen nur das Schlimme,
Die Götter sind viel ärger noch.
Im Kampfe muss ich bald ermatten,
Weil ich nicht widerstehen kann.
Und werd' ich untreu meinem Gatten,
Ist das Verhängnis Schuld daran.
Was doch das Herz Aphrodite's bewegt,
Dass sie der Tugend, der Tugend nur Fallstricke legt?


Marsch

CHOR
Die vier Kön'ge sind da
Bei der schönen Helena.
Vier der Kön'ge, das ist viel!
Grade wie im Kartenspiel!
Vivat hoch!
Die vier Könige sind da ... usw.

Wiederholung

CHOR
Vier der Kön'ge, das ist viel!
Grade wie im Kartenspiel!
Vivat hoch!

Setze jeder, wenig, viel,
Wie er will! Es leb' das Spiel!
Hurrah! hoch!


Ensemble

ALLE
Nimbus und olympische Macht
Hindern nicht den leisen Verdacht.
Wenn der Augur sich nicht bald tummelt,
So glaub' ich richtig, er beschummelt.

CALCHAS
Jetzt zieh' ich ab!

ALLE
Wohlan, zieh ab!

CALCHAS
Nun ja!
Ich bin schon da.
Seht, für mich schlug die Drei!

ALLE
Drei!

CALCHAS
Drei Talente sind mein und dazu vierzehn Minen.

AGAMEMNON
Es hat mir fast geschienen,
Als ob's nicht richtig sei.

CALCHAS
Hoher Herr! Der Verdacht

AGAMEMNON
Du hast dir einen Spass gemacht.

AJAX II
Hast falsche Karten mitgebracht.

ACHILLES
Durchsucht die Taschen ihm, ich will es.

CALCHAS
Du bist ein Grobian, Achilles!

HELENA
So zu gewinnen ist wohl nicht schwer.

ORESTES
Gib mir mein Geld zurück, dann sage ich nichts mehr.

CALCHAS
Nicht einen Dreier geb' ich her.

ALLE
Das Geld zurück, du saub'rer Herr!

CALCHAS
Rührt mich nicht an, denn unverweilt
Euch sonst der Götter Zorn ereilt.

SOLI und CHOR
Rührt ihn nicht an, denn unverweilt
Euch sonst der Götter Zorn ereilt

SOLI und CHOR
Dich losen Wicht
Fürchten wir nicht,
's Geld gib heraus,
Lasst ihn nicht 'naus!

ORESTES und CHOR
Lasst bekränzen uns mit Rosen
Der Jugend Lust!
Lasst uns küssen, lachen, kosen
Aus voller Brust!
Denket: einmal und nicht wieder
Blühet uns des Lebens Mai!
Nah't das Alter erst, ihr Brüder,
Ist der ganze Spass vorbei!
Lalalalala ... usw.


Duett

HELENA
Ja, ein Traum, schön und mild,
Zaubert vor meine Seele dies reizende Bild.
Süsses Glück, Himmelslust
Füllt mit seliger Wonne die liebende Brust.

HELENA und PARIS
Es ist ein Traum von Lieb' und himmlischem Entzücken,
Wie ihn die Götter schöner nicht auserdacht,
Möge doch nie dieser süsse Wahn entrücken,
Ewig soll währen die reizende holde Nacht!
Ach, meinen Sinnen trau' ich kaum,
Es ist ein schöner Liebestraum.

HELENA
Nun hört, mein Prinz! Doch nein,
Den Prinzen frag' ich nicht, den Schäfer nur allein.
Zu gerne wüsste ich --

PARIS
Holde Fürstin, rede, sprich!
Ich höre dich.

HELENA
Zu sagen wag' ich's kaum;
Doch ja, es ist ja alles nur ein Traum!

PARIS
So sprich!

HELENA
Kann ich an Schönheit mit der Venus mich vergleichen?

PARIS
O Fürstin! Als ich ihr den Apfel musste reichen,
Da wusst' sie mein Herz zu erweichen
Nicht so streng wie du hielt sie auf Etiquette.

HELENA
Ach ja! Du meinst doch wohl ihre Toilette!

PARIS
Die Reize, so himmlisch erhaben,
Nicht neidische Schleier umgaben,
Um ihre Schultern floss der Locken Pracht.
O schöne Helena,
Anbetend stand ich da.

HELENA
Da es doch nur ein Traum ist, sei der Versuch gemacht.

BEIDE
Es ist ein Traum von Lieb' und himmlischem Entzücken,
Wie ihn die Götter schöner nicht auserdacht.

HELENA
Nun denn, antworte schnell!

PARIS
O Helena! wie sag' ich dies Wort?
Und doch -

HELENA
Was denn?

PARIS
Nun, ich muss dir gestehen,
An jener Stelle
Auf Ida's Höhen dort -
Kurz! sie entzückte mich.

HELENA
So ist denn Venus schöner als ich?

PARIS
Nein. Doch Schönheit kalt wie Eis
Verdient noch nicht den Preis.
Die Königin der Liebe,
Sie kennt die süssen Triebe.
Sie spendet Himmelslust
In die irdische Brust.
Als sie mich geseh'n
Bebend vor ihr steh'n,
Gab sie mir zum Gruss einen Kuss.

HELENA
Einen Kuss?

PARIS
Und da, ich muss gesteh'n,
Erschien sie mir so reizend schön.

HELENA
Da es doch nur ein Traum ist, sei der Versuch gemacht.

BEIDE
Es ist ein Traum von Lieb'... usw.


Finale

MENELAUS
Herbei! Ihr Fürsten all! herbei!

HELENA
Nun wird sich's zeigen!

PARIS
In solchem Fall ist's gut, zu schweigen.

HELENA
O Schicksalspech! o Schicksalspech!

MENELAUS
Ich glaub', er leugnet gar noch frech!

ORESTES
Lasst bekränzen uns mit Rosen
Der Jugend Lust!
Lasst uns küssen, lachen, kosen
Aus voller Brust!
Denket: einmal und nicht wieder
Blühet uns des Lebens Mai!
Nah't das Alter erst, ihr Brüder,
Ist der ganze Spass vorbei!

ALLE
Lalalalalala... usw.

AGAMEMNON
Oho! Menelaus!

MENELAUS
Ja Menelaus! Ich bin zu Haus.

MENELAUS
Seht hier mein braves Weib, mit dem Herrn bei Nacht,
Versammeln sich zu einem Stelidicheine.
Während lustig und froh ihr sitzt beim Weine,
Hat sie mir so - die Ehre bewacht.

ALLE
Hat sie ihm so die Ehre bewacht!

ACHILLES, AJAX I und AJAX Il, AGAMEMNON und CALCHAS
Verliere, Freund, nicht die Geduld,
Ein wenig bist du selber Schuld.

MENELAUS
Ich wäre Schuld?

ALLE SOLI
Ja, ihr seid Schuld!

MENELAUS
Ich?

HELENA
Ein Eh'mann, der zum eig'nen Herd
Von fernen Reisen heimgekehrt,
Die Vorsicht nicht vergessen mag,
Zu schreiben früher einen Tag.
Dann findet er zu jeder Zeit
Sein Weib auch zum Empfang bereit.
Drum ein galanter Ehemann
Zeigt früher seine Ankunft an.

CHOR
Drum ein galanter Ehemann
Zeigt früher seine Ankunft an.

HELENA
Und will es grad' das Missgeschick,
Dass er so plötzlich kommt zurück,
So sei er so honett und fein,
Und tret' nicht gleich in's Zimmer ein.
Er wart' ein wenig; auf die Art
Wird ihm vielleicht Verdruss erspart.
Drum ein galanter Ehemann
Klopft immer an der Türe an.

CHOR
Drum ein galanter Ehemann
Klopft immer an der Türe an.

MENELAUS
Ein and'res Mal will ich das tun.
Aber rächt an diesem Verführer mich nun.

AGAMEMNON
Hinaus! Hinaus! aus dem Gemach!
Ha, Verräter! Dich treffe Schmach!

PARIS
Nur Helena zu Liebe kam ich her,
Und weist ihr mir auch jetzt die Türen,
Muss ich später sie entführen.
Ihr Herren ja! so steht es im Homer!

CHOR
Das ist zu keck!
Verräter, schnell hinweg!

HELENA
O teurer Freund, entziehe dich der Schmach;
Mein Herz bleibt ewig dein, ich folge dir nach!
Entflieh' ihrer Wut,
Hier ist es nicht geheuer,
Sonst fliesset das Blut
Des Jünglings, der mir teuer.

CHOR
Entflieh' uns'rer Wut,
Du schnödes Ungeheuer!
Sonst fliesset dein Blut;
Die Schmach bezahlst du teuer.

PARIS
Gleich einem Turme,
So trotze ich kühn
Jeglichem Sturme,
Weil Paris ich bin.
Wer wollte sagen,
Wenn Venus befiehlt?
Bald wird sie schlagen,
Die Schäferstunde lusterfüllt.

CHOR
Hinweg! hinweg! Entflieh uns'rer Wut,
Du schnödes Ungeheuer!
Sonst fliesset dein Blut;
Die Schmach bezahlst dit teuer.

AGAMEMNON
Fühle - - -
Schlagen dieses zornentbrannte Herz.
Wühle - - -
Galle, Wut und Schmerz.

Chor
Fühle - - -
Schlagen dieses zornentbrannte Herz.
Wühle - - -
Galle, Wut und Schmerz.

PARIS
Im Herzen toben Gefühle - -
In diesem Schreckensgewühle - - -

ALLE SOLI
Im Herzen toben Gefühle - -
In diesem Schreckensgewühle - - -

ALLE
Entflieh' uns'rer Wut,
Du schnödes Ungeheuer!
Sonst fliesset dein Blut;
Die Schmach bezahlst du teuer!

ALLE
Ja, dir Verräter folgt die Schmach
Auf allen deinen Schritten nach.

DRITTER AKT
Die Entführung.
Am Strande des Seebades zu Nauplia



CHOR
Ja Tanz und Lust,
Nur Wein und Spiel belebt die Brust.
Was soll Minerva uns, die Weise?
Wir drehen uns im frohen Kreise.
Gott Bacchus nur ist unser Mann;
ihm schliesst sieh freundlich Venus an.
Heil, Bacchus! Heil, Venus! Heil!

ORESTES
Venus mit heissen Liehesflammen
Entzündet das Herz im Nu,

CHOR
Venus mit heissen Liebesflammen
Entzündet das Herz im Nu,

ORESTES
Eine jede von den Damen
Hat fast täglich Rendez-vous.
Wollt' ihr Gatte sie verdammen,
Rufen wir ihm lachend zu:
Fort nach Kreta mit dem Tropf!
Dort in Kreta setzt man ihm zurecht den Kopf!

CHOR
Fort nach Kreta mit dem Tropf!
Dort in Kreta setzt man ihm zurecht den Kopf!

ORESTES
Selbst Agamemnon, mir so teuer,
Ist schon der Verzweiflung nah!

CHOR
Selbst Agamemnon, ihm so teuer,
Ist schon der Verzweiflung nah

ORESTES
Für das tolle Liebesfeuer
Ist dann keine Hülfe da.
Höre ich die alte Leier,
Sag' ich lachend dem Papa:
Fort nach Kreta mit dem Tropf!
Dort in Kreta setzt man ihm zurecht den Kopf!

CHOR
Fort nach Kreta mit dem Tropf!
Dort in Kreta setzt man ihm zurecht den Kopf!


Lied

HELENA
Ich schuldbewusst? Du kannst es wagen,
Mich des Verbrechens anzuklagen?
Mich, die noch nie verletzt der Ehre Band,
Mich, die dem schönsten Prinzen widerstand;
Und warum? Zu glauben ist es kaum,
Weil mich in jener Nacht beschlich ein Traum.
Er stand vor mir, begeistert und entzückt;
Es war ein Traum.
ich fühlte mich dem Weltenall entrückt;
Es war ein Traum, es war ein Traum.
Er war so schön, er fleht zu meinen Fiissen,
Er bat um einen Kuss, ich musst' ihn küssen;
Es war ein Traum.
Ja es war ein Traum,
Es war ein schöner süsser Traum.

Was der Traum mir auch bescheret,
Dein vergass ich dennoch nicht,
Und die Treu' hab' ich bewähret,
Streng' erfüllet meine Pflicht.
Als ich aus dem Traum erwachte,
Ach - meines Gatten ich gedachte.
Ach - alles war verschwunden,
Und der Traum war aus;
Dich hab' ich gefunden,
Schöner Menelaus!

Was der Traum mir auch bescheret,
Dein vergass ich dennoch nicht,
Und die Treu' bah' ich bewähret,
Streng' erfüllet meine Pflicht.
Und nun lass' mich in Ruh',
Quäl' und reiz' mich länger nicht,
Lass' das ungestüme und das läst'ge tolle Fragen;
Ungeduld ist's im Nu,
Was aus meiner Seele spricht,
Denn sonst müsst' ich dir am Ende noch Sottisen sagen!

Wie er da steht,
Der Mann, gar so blöd,
Und jämmerlich wie ein Kind,
Gerad' als könnte er nicht lünfe zählen!
Ach! Da seht ihn nur an, dieser Mann wagt es,
Mich, das Muster einer braven, treuen Frau, zu quälen,
Nicht ein Wort mehr von der Sache.

Ha! Genug der Schmach und Schande,
Die Erinnerung jenes schönen Traumes mir zu trüben;
Denn sonst fürchte meine Rache!
Ernstlich wäre ich im Stande,
In den schönen, lieben Prinzen dann mich zu verlieben,
Und was das Verhängnis mir gebeut,
Ich mach' es gleich zur Wirklichkeit!
ich meide dich und dieses Reich
Und geh' mit Paris durch sogleich!
Schweig', schweig', schweig!

Ach! lieber Mann, lass' dich belehren,
Musst mir keinen Traum mehr wehren;
Du allein bist, lieber Mann,
Wenn ich träumte schuld daran...
Ja! Du allein bist schuld daran! Ach! Du allein!


Terzett (Trio patriotique)

AGAMEMNON
Es liegt dein Vaterland in Sklavenketten,
Ha, Fluch der Tyrannei.
Du lebst beglückt an deines Weibes Seite
Und scherst dich einen Teufel drum!

CALCHAS
So sieh doch nur, um was sich's handelt!

AGAMEMNON
Die Männer, verrückt sind sie schier,
Die Weiber, sie sind wie verwandelt,
Sie weisen dem Ehemann die Tür.

MENELAUS
Ja, was kann denn ich da dafür?

AGAMEMNON und CALCHAS
Ganz Griechenland fällt dem Fluch zur Beute,
Man bringt die Ehemänner um.
Du lebst beglückt an deines Weibes Seite...usw.

MENELAUS
Ich leb' beglückt an meines Weibes Seite
Und schere mich den Teufel drum.

CALCHAS
Die schreckliche Kalamität
Schon bis ins Unendliche geht.

AGAMEMNON
Vor unsern Blicken öffnet sich ja grausend
Ein Abgrund tief und fürchterlich;
Man zählt die Opfer schon nach Tausend.

CALCHAS
Ein Rettungsmittel nur zeigt sich;
Geh', spring hinein und opfere dich!

AGAMEMNON
Und Griechenland ganz sicherlich
Bedankt für seine Rettung sich.

CALCHAS
Wie sittenlos, wie unmoralisch
Geht es jetzt zu in Griechenland!
Ein Luxus, fast schon orientalisch;
Es ist bei Gott 'ne Sünd und Schand!
Die Freuden masslos bacchanalisch,
Das ganze Volk aus Rand und Band!
Denke daran,
Dass das länger nicht mehr dauern kann!

Indess sonst, züchtig und gemessen,
Ein Menuett den Ball begann.
Bei dem man nimmermehr vergessen
Den Anstand und die Sitte kann:
Sieht man wie rasend und besessen,
Jetzt Beine werfen im Cancan.
Denke daran,
Dass das nicht länger so dauern kann!

MENELAUS
Ich denke daran, dass das...usw.

AGAMEMNON und CALCHAS
Denke daran, dass das ... usw.

AGAMEMNON
O, rette dieses Land!

CALCHAS
O, zaudre länger nicht!

BEIDE
Dies Opfer heischt die Ehr' und Pflicht.
O Bruder, (König,) zaudre länger nicht!
Ha, er wankt! Nicht länger widerstrebe!

MENELAUS
Ich bebe!

AGAMEMNON und CALCHAS
Ja! Opfre dem Lande dich freudevoll,
Verzehret dich Gram auch und herbe Pein;
Denk', allen Gatten der Zukunft soll
Ein glänzendes Beispiel dies sein!

MENELAUS
Es scheint mir, ihr seid alle beide toll;
Mein Weib, das gehört doch nur mir allein.
O! Allen Gatten der Zukunft soll
Ein warnendes Beispiel dies sein.
Jetzt, Himmeltausend Donnerwetter!
Seid doch endlich einmal still!
Was kümmere ich mich um die Götter;
Wenn Venus schon ein Opfer will,
So nehme sie ihren eignen Mann!

AGAMEMNON und CALCHAS
Ha, er frevelt, hört ihn nicht an!
Ja! Opfre dem Lande dich freudevoll,
Verzehrt dich Gram auch ... usw.

MENELAUS
Es scheint mir, ihr seid alle beide toll;
Mein Weib, das gehört ... usw.



CHOR
Die Galeere
Von Cythere
Kommt dort an.
Seht sie nah'n!
Kein Gedränge!
Lass' die Menge
Venus' Kahn
Würdig empfah'n!
Die Galeere
Von Cythere ... usw.



CHOR
Ganz Griechenland liegt auf den Knien,
Venuspriester, um dich anzufleh'n,
Mag, nachdem die Göttin uns verziehn,
Gnade ergeh'n.

PARIS
Erfahre, Volk von Griechenland, vor allen,
Ein solch Willkommen kann mir nicht gefallen.
Das Schreien und das Lamentieren macht mir Pein,
Der Chorgesang könnt' lustiger und muntrer sein.
Drum, wer der Göttin dient, vernehme den Befehl:
Nichts als Tanzen und Singen, und immer fidel!
La, la, la, la, la ... usw.

CHOR
Nichts als Tanzen und Singen und immer fidel!
La, la, la, la, la ... usw.

PARIS
Wohl gibt es Moralisten auf der Erde,
Die faseln nur von Jammer und Beschwerde;
Nur Toren sind's, die sich nicht dem Vergnügen weih'n,
Ein Ehemann soll lustig, guter Dinge sein.
Drum, wer der Göttin dient, vernehme den Befehl:
Nichts als Tanzen und Singen, und immer fidel!
La, la, la, la, la ... usw.


Finale

CHOR
Seht, dort kommt sie selber,
Ha, sie blickt himmelwärts.
O Gott, wie sie schön ist,
Selbst in ihrem Schmerz.

HELENA
Welche Laute habe ich vernommen?
Ha, wo hörte ich sie nur?

MENELAUS
Hier steht der Venus Gross-Augur;
Seine Göttin befiehlt, nach Cythera sollst du kommen,
Den Zorn der holden Venus versöhnt dieser Schritt.

HELENA
Der Antrag kommt von dir -
Ha, verschone mich damit.

PARIS
Ich selber sprech' mit ihr.

ORESTES
Das wird ihm wenig nützen, scheinet mir.

AGAMEMNON und CALCHAS
Welch Mittel gäb' es noch,
Sie zu beruh'gen doch?

PARIS
So hör', durch meinen Mund
Tut dir die Göttin kund:
Ja, ich selbst komm' von Cytheren,
Deinen Paris sieh' in mir.

HELENA
Was hör' ich?

PARIS
Willst du meinen Wunsch gewähren,
Steig' zu Schiff und fort von hier!

HELENA
Durch Ehre und Pflicht bin ich gebunden.

MENELAUS
Ich will es so! Gehorch' im Nu!

AGAMEMNON und CALCHAS
Es sind ja nur fünf kleine Stunden.

HELENA
Ha, mein Verhängnis ruft mir zu.

CHOR
Gehorsam beweise; nur schnell auf die Reise! Fort!

MENELAUS
Geh' hin, all wo dich Cythere längst erwartet schon.

ORESTES
Besteige froh die Galeere!

CALCHAS
Dahinter steckt etwas.

CHOR
Und schiff' auf ihr davon!

AGAMEMNON
Jetzt fort, denn der Zug geht bald
Noch zwei Minuten Aufenthalt.

HELENA und PARIS
Nun wohl, so wird es vollbracht,
Wenn's euch Vergnügen macht.

PARIS und CHOR
Geh' hin, wo dich Cythere längst erwartet schon,
Besteige froh die Galeere,
Schiff' an Freundes Hand in das Wunder-Land,
Wo die Liebesgöttin den Gram verbannt!

PARIS
Halt, Menelaus, noch ein Wort!
Helena siehst nimmer an dem Ort!
Nach Troja führ' ich meine Beute fort.
Paris bin ich!

CHOR
Ihn so zu belügen,
Ihn so zu betrügen,
Welch ein Verrat!

AGAMEMNON
Volk von ganz Hellas, höre und gib acht!

DAS VOLK
Wir hören.

AGAMEMNON
Die Schmach, die über unser Haus gebracht,
Zu rächen,
Des list'gen Feindes Übermut und Macht
Zu brechen,
Mach' ich mobil mein ganzes Kriegesheer,
Nebst Bürgerwehr,
Und zieh' mit ihm in den trojan'schen Krieg.
Zeus geb' uns Sieg!

DAS VOLK
Hurrah!

AGAMEMNON
So folgt ihr freudig mir nach Troja?

ALLE
O ja!

CHOR
In den Krieg!
Auf, zum Sieg!
Wir platzen vor Mut!
Wir bersten vor Wut!
Wir dürsten nach Blut!
Hurrah!
Es lebe der Krieg, der trojanische Krieg!