Libretto: Rinaldo

von Georg Friedrich Haendel


ERSTER AKT

ERSTE SZENE
Die Stadt Jerusalem ist besetzt, ein Stadttor ist ersichtlich und bewaffnete Soldaten.
In einer Ecke sieht man das Lager der christlichen Armee.
Goffredo gefolgt von Almirena, Rinaldo, Eustazio und der Wache.


GOFFREDO
Wir sind bald am Ende unseres Leidens angelangt,
O grosser Rinaldo!
Hier in diesem ruhmreichen Lager der Palmen
Bleibt uns nur noch
Eine letzte Messe abzuwarten.
Von unserer Heimat
Zeigt sich der Schein der Sonne,
Um mit ihren ruhmvollen Strahlen
Die letzten Momente von Sion
Und unseren Sieg zu erleuchten.

Arie

Auf diesen steilen, spitzen Bergen
Hat nur der Ruhm seinen Tempel,
Und ohne Freude oder Vergnügen
Lernt das edle Herz zu verachten.

RINALDO
Herr, auf deinen Wunsch
Und dank dieses gut bewaffneten Armes
Ist das Heer des aufrührerischen Asien dem Todeskampf nahe.
Nur die Erwähnung deines ruhmvollen Namens
wird dieses Mauerwerk und diese heidnischen Türme zerstören.
Es bleibt mir nur noch, o grosser Prinz,
Durch meine rasche Vermählung mit der schönen Almirena
Dieses glückliche Herz mit der Einigung von Tugend und Kraft zu ergänzen.

GOFFREDO
Kein feindliches Heer kann dich bezwingen,
O grosser Held! Auf den Ruhmespfaden
Halte nicht an.
Besiege Sion und glaube meinen Worten:
Almirena wartet als schöne Belohnung auf dich.

ALMIRENA
Rinaldo, mein Geliebter, kämpfe!
Jede Verzögerung steht dem schönen Schicksal
Des kriegerischen Ruhmes im Wege.
Sei leidenschaftlich im Kampf,
Befreie Sion von seinem unwürdigen Joch,
Und lass die Liebe In unseren Herzen
An Stelle unserer kriegerischen Leidenschaften treten.

Arie

Kämpfe, siege, mein Herz bereitet sich,
Deinen Wert zu belohnen.
Ich werde wie der Spiegel des Ruhmes sein,
Der für Dein grosses Herz strahlt.

EUSTAZIO
Die guten Ratschläge, behalte sie
Tief in deinem Herzen,
Tapferer Krieger!

RINALDO
Gross ist deine Macht, selbst mit verbundenen
Augen könntest du siegen

Arie

Jede Verzögerung ist für einen Liebhaber
Eine schmerzvolle Folter.
Vom Bangen besiegt,
Wandert sein Geist, um ihn zu reizen
Oder um die Macht seines Geistes zu beweisen.



ZWEITE SZENE
Eine Trompete erklingt, um den Herold, der von der Stadt gesandt worden ist, anzukündigen; von zwei Wachen begleitet nähert sich Goffredo.

HEROLD
Herr,
Der mit den Sternen am Himmel wetteifert, ich bringe dir
Die Empfehlung meines ruhmreichen Monarchen,
Der um eine Unterredung ersucht.
In aller Redlichkeit und Aufrichtigkeit,
da er an Eure Ehre glaubt.

GOFFREDO
Lass ihn kommen, wenn es ihm gut erscheint.
Lass ihn in aller Sicherheit kommen.

EUSTAZIO
Das ist also der Grund dieses noblen, königlichen Besuchs.

Arie

Im Rad des Schicksals
Dreht sich die Hoffnung.
Aber wenn ein Herz voll Tugend ist,
Ist es beständig.

DRITTE SZENE
Argante verlässt die Stadt in einem triumphalen, von Pferden gezogenen Wagen, begleitet von einem festlichen Gefolge von Wachen zu Fuss und zu Pferde. Er nähert sich Goffredo, der ihnen entgegenkommt.

ARGANTE

Arie

Die Schlangen von Alkecton zischen
Und der gefrässige Scilla bellt,
Dass mich das Echo durchfährt,
Dass mir die Angst das Herz beklemmt,
Dass ein Funke Wehmut
Mein Herz mit Sorge erfüllt.
zu Goffredo
Goffredo, bis jetzt
Warst du vom Glück begleitet.
Aber das Glück ist unbeständig und du könntest seine Gunsten verlieren.
Wenn du weise bist, höre auf meinen Rat
Und mildere unsere Probe:
Verschiebe den Kampf.
Nur drei Tage ohne Kampf
Können gleichzeitig
Zu deinem Guten sein und zu meiner Ehre.

GOFFREDO
Derjenige, der die Heldentaten
Auf Tugend und Recht aufgebaut hat.
Fürchtet den Umschwung des Schicksals nicht.
Du, der in stolzem Ton um einen Gefallen bittet,
Bekommst mein Einverständnis,
Da es weniger Beschämung
Für ein grosses Herz ist,
Zu geben als zu betteln.

Arie

Nein, dieses Herz
Darf nicht unzufrieden sein.
Nur Ruhe und Sanftmut
Können es aufheitern.
Wie gross ist die Freude
Eines edlen Herzens,
Das zum Ruhm zurückkehrt.

VIERTE SZENE
Argante allein

ARGANTE
Die Ungewissheit des Krieges
Bedrückt mein Herz.
Aber meine Gedanken schweifen umher
Und ich frage mich, ob Armida,
Meine Geliebte und treue Begleiterin,
In den Sternen
Die Zeichnung des Schicksals lesen kann
Um die Schläge des Feindes
Nichtig zu machen.

Arie

Komm, meine Liebe, komm, um mich zu stärken.
Nur ein Blick von dir
Kann mich schon glücklich machen
Und den Schmerz in meinem Herzen vertreiben.

FÜNFTE SZENE
Armida, auf einem in der Luft schwebenden Wagen von zwei feuerspeienden Drachen gezogen, denen Rauch aus dem Maul strömt.

Arie

ARMIDA
Schreckliche Furien!
Umringt mich,
Folgt mir,
Mit eurem grausamen Aussehen!
Der Wagen kommt auf den Boden herunter,
Die Drachen ziehen ihn zu Argante,
Der vortritt,
Um Armida zu empfangen.

ARGANTE
Du kommst gerade zur rechten Zeit,
Liebe, um meine verstörte Seele zu stärken;
Ich, der brüderlich
Auf deiner Seite steht,
Erwartete ungeduldig deine Rückkehr.
Die Tyrannen sind
Mit einer kurzen Waffenruhe einverstanden.
Kann Asien wieder in Hoffnung leben?

ARMIDA
Signor, die Rätsel des Schicksals
Sind reichlich verworren.
Ich habe, dank meiner reizvollen Anmut,
Aus den verborgensten Tiefen
Auf meine brennenden Fragen
Diese wohlwollende Antwort erhalten:
"Wenn dem feindlichen Lager
Die Hilfe des grossen Rinaldo
Entzogen würde,
Müsste die Hoffnung für Asien
Durch eine augenblickliche Verzweiflung ersetzt werden.
ARGANTE
Ich eile, den Frevier zu ersticken.

ARMIDA
Ich unterbreche dich sofort, mein Lieber,
Es ist allein in meiner Macht,
Den Helden der feindlichen Armee zu entführen.

ARGANTE
Ich gehe. Dir
Und nur dir vertraue ich.

Argante geht hinaus.

Arie

ARMIDA
Je mehr ich bekomme, umso mehr erwarte ich.
Niemand darf daran zweifeln.
Durch meine Kraft und grosse Macht
Kann ich die Welt bezwingen.

SECHSTE SZENE
Ort der Wonne mit Brunnen und Vogelhäusern, in denen Vögel singen und flattern.

ALMIRENA
Kleine Vögel, die singen,
Zephire, die blasen,
Erfüllt von eurem Liedchen,
Sagt mir, wo ist mein innig Geliebter.
Mein verehrter Freund,
Komm und sprich mein Herz selig.

Rinaldo tritt ein

RINALDO
Zum Klang dieser schönen Lippen
Wird meine brennende Liebe entfacht.
Die heftige Flamme
Vergrössert sich in mir
Und wird für dich, schönes, liebes Licht,
Ein Feuer in meinem Herzen.

ALMIRENA
Schöner Stern der Liebe,
Deine schönen Augen erleuchten den Himmel.

RINALDO
Nur für dich, meine Göttin,
Brennt dieses heftige Feuer
Meiner Seufzer.

ALMIRENA
Zu meinem Leiden
Zeigst du gelassene Ruhe.

RINALDO
Mein Herz lebt in dir
Und meine Seele wird verzehrt.

Duett

Auf deinem Gesicht lächeln
Die lieblichen Zärtlichkeiten,
Auf deinen Lippen
Lächeln die Liebeleien.
Das schöne Feuer deines Blickes
Ist wie tausend Stacheln
Für den liebevollen Funken
Der Hoffnung.

SIEBTE SZENE
Armida entreisst Almirena den Händen Rinaldos und will sie entführen

ARMIDA
Für den Wert meines Armes,
Lass von diesem edlen Preis ab.

ALMIRENA
O Gott! Was geht vor!

RINALDO
Ich lasse nicht von Almirena ab,
Selbst wenn mit dem Blitz in der Hand
Der Donner es von mir verlangte.

ARMIDA
Welch hochmütige Leidenschaft!

Rinaldo und Armida ziehen ihre Säbel und nehmen die Stellug zum Duell ein, aber zum Klang des Kampfes zieht eine schwarze Wolke nieder, beladen mit schrecklichen Ungeheuern, die Feuer, Flammen und Rauch mit viel Geräuschen speien und die Armida und Almirena durch die Luft entführen. Sie hinterlassen zwei Furien, die, nachdem sie sich über Rinaldo lustig gemacht haben, im Boden verschwinden.

RINALDO
allein
Liebe Freundin, verehrte Geliebte,
Wo bist du?
Komm auf meinen bittenden Ruf hin zurück!
Auf eurem Altar von Erebe
Unter der Fackel meiner Verachtung
Fordere ich Euch heraus, o König der Geister.

ACHTE SZENE
Goffredo, Eustazio und Rinaldo sind unbeweglich, erschöpft, die Augen auf den Boden gerichtet.

GOFFREDO
Welche aussergewöhnliche Bestürzung
Paralisiert deine Sinne, tapferer Ritter?

EUSTAZIO
Welche übermenschliche Macht
Konnte das Feuer deiner Seele erschüttern?
Dein Arm
Bringt den Blitz auf das Schlachtfeld.
Du liessest dich wie von einem Blitz
Von dunklen Gedanken niederschlagen!

RINALDO
Die Bestürzung
Und der Schmerz, der meine Sinne überfällt,
Sind so gross, dass ich mich kaum klar ausdrücken kann!
Hier in einem unschuldigen Ton
Gebe ich meine innigen Gefühle
Der schönen Almirena preis,
Als die wutentbrannte (o schmerzender Gedanke) Amazone
Versuchte, mich meiner einzigen Freude zu berauben.
Undankbares Herz, die Erinnerung an dich
Erfüllt mich nur mit Schmerz.
Der Gedanke an deine verwunschene Verzauberung
Erweckt in mir den Grimm.
Ich greife also zum Säbel,
Um meinen Schatz zu verteidigen.
Wenn ein Chor von schwarzen Geistern
Mir in einem Augenblick
Feind und Geliebte entreisst;
Ohne Zweifel aus Versehen,
Als er ihre göttliche Schönheit sah
Glaubte Pluto, sie sei Proserpina.

GOFFREDO
Ein grabender Schmerz durchzieht meinen Geist!

EUSTAZIO
Welch aussergewöhnliches Versehen!
Doch trotz des grausamen Vorfalls
Tröste dich, mein Bruder Rinaldo, und schöpfe Hoffnung:
Am Fusse des Berges, in einer Grotte,
Befindet sich ein Mann, der in den Sternen lesen kann,
Und von dieser Macht Gebrauch macht.
Er liest von Steinen und Kräutern:
All das ist mir fremd
Und wir müssen zu ihm eilen, um Rat zu holen.

GOFFREDO
Mein Herz fürchtet sich nicht!

EUSTAZIO
Die Hoffnung wird uns eine fröhliche Begleiterin sein.

Arie

Wert und Tugend vereint
Ziehen wir in den Triumph
Von der unwürdigen Sklaverei
Werde ich die gute Seele retten.

Goffredo und Eustazio gehen hinaus.

NEUNTE SZENE

RINALDO
allein
Ein Funke Hoffnung
Gibt meiner schmerzenden Seele Frieden.
Ja, meine Geliebte,
Ich eile, um die Verräter zu strafen.
Liebe des Erbarmens, gib mir deine Flügel!

Arie
Wind, Stürme, leiht mir
Eure Flügel Himmel,
Gott, rüste meine Arme
Gegen die, die meine Liebe betrüben.


ZWEITER AKT

ERSTE SZENE
Ein grosses ruhiges Meer, in dem sich die Sonne spiegelt.
In der Nähe des Strandes liegt ein Boot vor Anker; am Ruder sitzt ein Geist in Form einer schönen Frau.
Zwei Meerjungfrauen tanzen auf dem Wasser.


EUSTAZIO
Wir sind nahe am Ziel,
Um Rast zu machen,
Die uns für die Schmerzen belohnt;
Damit sich das Herz beruhigt
Und der Schmerz verklingt
Von dem, der zu hoffen weiss.

ZWEITE SZENE
Goffredo, Rinaldo, Eustazio

RINALDO
Er könnte Steine zum Weinen bringen,
Der, der (im Schatten des blinden Schmerzes)
Versucht, aus dem Mitleid einen Funken
Freude zu gewinnen.
Wie weit ist der Weg noch?

GOFFREDO
Und wann werden wir
Die Schwelle des Magiers erreichen?

EUSTAZIO
Dieser ausgetrocknete Fluss ist
Nicht weit von diesem verhängnisvollen Ort.
Und in wenigen Augenblicken
Kommen wir der Lösung dieses Vorfalls nahe.

DRITTE SZENE
Gerade als sie sich aufmachen, die Reise fortzusetzen, bittet die "Donna", die auf dem Schiff war, Rinaldo einzutreten.

DONNA
Im Namen der zärtlichen Wünsche Almirenas
Tritt ein, Rinaldo, in dieses erhabene Schiff.
Sie ist es, die mich stösst, sie wartet auf dich
Dort an einem einsamen Ufer,
Traurig, allein und verraten;
Was bedeutet der Sieg?
Bringe ihr die Flamme inmitten der Wellen.

Während alle durch diese Einladung von Verwirrung wie erstarrt bleiben, tanzen und singen die Meerjungfrauen.

MEERJUNGFRAUEN
In Mai
Eurer schönen Jahre
O verliebte Herzen,
Immer beständig
Verliebt euch!
Die Ehre ist ein falscher Grund
Und auch die Beklemmung.
Allein glücklich sind die,
Die ein gutes Herz besitzen.

RINALDO
Welche geheimnisvolle Kraft
Zwingt mich, diesem Auftrag Folge zu leisten!

Er verbleibt einen Augenblick in Gedanken versunken und entschliesst sich schliesslich ganz plötzlich, in das Schiff einzutreten, aber Goffredo und Eustazio halten ihn an.

RINALDO
Ja Almirena, mein Leben,
Ich komme zu dir.

GOFFREDO
O grosser Krieger, ich unterbreche dich,
Zügle deine Leidenschaft.

EUSTAZIO
Welch eine schändliche Prüfung!

RINALDO
Ich hoffe, zittere und glaube zur gleichen Zeit.

Während er nachdenkt, verlangt die "Donna" abermals nach ihm und er versucht von Neuem in das Innere des Schiffes zu gelangen; er wird jedoch von Goffredo und Eustazio aufgehalten.

DONNA
Tritt eilig ein, Rinaldo.

RINALDO
Ja, Almirena, ich eile zu dir.

GOFFREDO
Und dein Ruhm?

RINALDO
Was soll's …

EUSTAZIO
Und deine Vernunft?

RINALDO
Ist wie weggeblasen.

GOFFREDO
Bezähme deine Aufregung.

RINALDO
Das kann ich nicht.

EUSTAZIO
Denke an die höllische Bestimmung.

RINALDO
Ich fürchte sie nicht

GOFFREDO
Sion ruft nach dir.

RINALDO
Und meine innig Geliebte wartet auf mich.

EUSTAZIO
Erebe erwartet dich!

GOFFREDO
Die Geister stellen dir eine Falle.

RINALDO
Ich werde sie mit diesem Arm bestrafen, selbst die Hölle.

Arie
Ich schlage den dreiköpfigen Zerberus zu Boden
Mit diesem Eisen,
Um somit die grosse Tat
Von Alcide zu erneuern.

Er tritt gewaltsam ins Schiff ein und die "Donna" lenkt das Schiff eilig ins offene Meer.
Die Meerjungfrauen singen und tanzen solange das Schiff in Sicht ist und verschwinden dann im Meer.
Eustazio und Goffredo, die der Szene mit den Augen gefolgt sind, bleiben bestürzt zurück.


EUSTAZIO
Signor, welchd seltsame Leidenschaft!
Die Verführung den wirbelnden Wellen vorzuziehen
Hat seinen eigenen Ruhm!

GOFFREDO
Da haben wir den unwürdigen Sieg
Des Barbaren Acheron.
Aber mein Herz fürchtet nicht
Einem solchen Schmerz gegenüberzustehen!
Meine Tochter, o Gott, ist verloren!
Der Held entflohen!
Hoffnung, Tugend, lasst mich nicht im Stich!

Arie

Mein Herz, sag mir?
Wo siegen, wo sterben,
Ja, ich warte auf dich:
Ruhm, der nicht versagt
Wo Hoffnung ist,
Kann ich auf den Frieden warten.

VIERTE SZENE
Ein feenhafter Garten des Palastes, den Armida verzaubert hat.

ALMIRENA, ARGANTE
Abscheuliche Armida!
Dessen höllische Macht
Mich aus meinem himmlischen Glück gerissen hat!
Und dies mit ewigem Schmerz
Mein Leben in eine unerträgliche Qual einschliesst!

ARGANTE
OSchönheit, beschatte nicht
Die süsse Klarheit deiner himmlischen Augen,
Die mein Herz mit Zärtlichkeit berauschen.
Du bist die Königin meines Herzens!
Schreibe mir deine Gesetz vor,
Mit deiner herrischen Macht.

ALMIRENA
Ach! Das ist nicht wahr!

ARGANTE
Im Namen meiner Treue,
Was braucht es, um dich zu überzeugen?

ALMIRENA
Meine Freiheit.

ARGANTE
Welch grausame Anordnung!

ALMIRENA
Lass mich also weinen.

Arie

Lass mich weinen
Über mein grausames Schicksal
Und seufzen
Für meine Freiheit!
Mein Schmerz begründet
Meine Klagen
Mein Mitleid,
Mein Leiden.

ARGANTE
Genug, du bist die einzige,
Die von mir bekommt was sie verlangt,
Mit deinem verliebten Mund.
Alles erlischt
Bei einem einzigen Blick auf deine anmutigen Wangen.

FÜNFTE SZENE

ARMIDA
allein

Mit Loorbeer bekränzt
Ist mein siegreiches Haupt.
Rinaldo, der gewaltigste, mächtigste Schreck der Armee Asiens,
Als gedemütigtes Brandopfer.
Von dem Gipfel des Hochmuts
Wird er als Opfer zu Boden fallen.
Führt ihn zu mir, ihr Geister!

SECHSTE SZENE
Zwei Geister geleiten Rinaldo im Beisein von Armida

RINALDO
Verräterin, ein aussergewöhnliches Herz
Hat genug Kraft,
Um die Hölle herauszufordern;
Gib mir Almirena zurück,
Oder du zahlst es mir mit diesem Eisen.

ARMIDA
Wie kühn du zu Armida sprichst!

RINALDO
Du wirst noch unerbitterlicheren
Qualen ins Auge sehen müssen.

ARMIDA
Du bist mein Gefangener.

RINALDO
Glaubst du eine solche Seele an Ketten legen zu können?

ARMIDA
Dein Leben liegt in meiner Hand!

RINALDO
Eine grosse Seele
Fürchtet den Tod nicht!

ARMIDA
abgewandt
Ich weiss nicht, was in diesem schönen Gesicht
Mein Herz entflammt.

RINALDO
Ich bitte dich, gib mir Almirena zurück!

ARMIDA
abgewandt
Eine unbekannte Zuneigung beklemmt mein Herz mit Liebesschmerz.

RINALDO
Gib sie mir zurück, Hartherzige,
Gib mir Almirena zurück.

ARMIDA
abgewandt
Sollte mein Herz in Liebe entbrennen
Für einen verhassten Feind?

RINALDO
Mein Grimm ist gross genug
Um die höllische Verschmähung niederzukämpfen.

ARMIDA
abgewandt
Ich bin besiegt;
Ich dachte nicht, dass er so gutaussehend ist.
zu ihm)
Rinaldo, in diesem Eden
Flüstert jedes Lüftchen von Liebe.
Die Welle, der Vogel, die Blume
Laden dich zur liebevollen Umarmung ein.
Lass deinen verschlossenen Ärger fallen.
Du bist nicht mehr der Besiegte,
sondern du hast Armida besiegt.
Ich liebe dich, o Teurer.

RINALDO
Ich hasse dich!

ARMIDA
Nimm mein Herz.

RINALDO
Um es zu ersticken.

ARMIDA
Ich gebe dir tausend Freuden.

RINALDO
Und ich dir tausend Schmerzen.

ARMIDA
Werden dich meine Gebete erweichen?

RINALDO
Ich verschmähe sie.

ARMIDA
Haben meine Seufzer keine Macht?

RINALDO
Sie vergrössern nur meinen Grimm.

ARMIDA
Die Hölle gehorcht mir.

RINALDO
Ich verachte dich.

ARMIDA
Vergiss nicht, wer ich bin!

RINALDO
Eine Tyrannin!

ARMIDA
Bist du entschlossen?

RINALDO
Zur Rache!

ARMIDA
Aus Mitleid!

RINALDO
Ich eile dir entgegen, o mein Herz

Er will sie verlassen.

Duett

ARMIDA
Warte!

RINALDO
Nein, du Herzlose!

ARMIDA
Armida ist treu.

RINALDO
Hartherzig und treulos, lass mich gehen.

ARMIDA
Vor dem Tod!

RINALDO
Ich könnte nicht mehr leiden.

ARMIDA
Willst du, dass ich mir das Leben nehme?

SIEBTE SZENE
Armida verwandelte sich in Almirena.

ARMIDA
Du bist grausam; du hast die
Ruhe aus meinem Herzen genommen.
Nur ein Blick von dir könnte meine Schmerzen mildern!

RINALDO
Was sehe ich, mein Herz, bist du es wirklich?
Komm und tröste meine verirrte Seele.

ARMIDA
Du treulose Natur.
Eine neue Liebe hast du entfacht
Und diejenige, die dich liebt lässt du im Stich?

RINALDO
Nein, du allein bist
Der Grund meiner Seufzer und nur
Die hartherzige Armida ist Schuld an der Verachtung.

ARMIDA
Drücke mich an dein Herz!

RINALDO
Ach, ich bin glücklich verliebt!

Während sie sich umarmen, verwandelt sich Armida zurück; Rinaldo flieht.

RINALDO
Grässliche Sphinx,
Erkalte mein Herz!
Jupiter, schiess deinen Pfeil!
Kein himmlischer Gram könnte schlimmer als dieser sein.

Armida verwandelt sich von neuem in Almirena.

ARMIDA
Komm in meine Arme!

RINALDO
Meine Güte!

Er nähert sich ihr, um sie zu umarmen und hält schliesslich ein.

RINALDO
Was tust du Rinaldo?
Vielleicht verbirgt sich hinter diesem
Paradiesischen Gesicht die Hölle?

Arie
Ich brenne, zittere und schaure
Vor Verachtung und Grimm.
Ich hoffe, doch fürchte gleichzeitig
Einen höllischen Fehler.

ACHTE SZENE
Armida, allein, nimmt ihre Gestalt wieder an

ARMIDA
Somit haben die momentanen Bande,
Die vielversprechenden Freuden,
Die Schrecken der Hölle
Nicht genug Kraft, um den Himmel zurückzuhalten?
Und du folgst dem Himmel, o mein Gott?
Ist es eine unheilvolle Trophäe einer unglücklichen Liebe?
Nein! O Grimm, rühr dich auf in mir
Gegen den untreuen Rinaldo!
Bringe ihn zu meinen Füssen, bewusstlos.
Ja! Aber was tu ich da? Töte ich meine Liebe?
Ach, mein schwacher Geist!
Einem Verräter wird noch Obdach zugestanden?
Grimm, geh und
Finde neue Qualen und Strafen!
Ihn töten; ja ... oder nein! Er sieht zu gut aus!

Arie

O Grauen!
Klage,
OTreuloser, durch meine Sehnsucht
Werde ich dir die Herzlosigkeit beweisen.

NEUNTE SZENE
Armida verwandelt sich in Almirena in dem Augenblick als Argante eintritt.

ARMIDA
Ich werde mich nochmals
An diesem Ort in Almirena verwandeln,
Was diesen windigen Rinaldo zwingen wird,
zu seiner Liebe zurückzukehren.

ZEHNTE SZENE
Argante tritt ein

ARGANTE
Verehrte Almirena,
Jede kurze Trennung,
Die deine Schönheit meiner Seele aufzwingt,
Ist eine grausame Pein.
Armida sieht Argante hochmütig an.
Du, dessen leuchtende Strahlen
Die Sterne schimmern lassen,
Die mir wohlwollenden Einfluss voraussagen?
Armidas Blick wird noch hochmütiger
Meine verehrte Seele, sei versichtert,
Ich werde dich sehr schnell aus dem Netz
Der grausamen Armida erlösen.
Armida, ganz erstaunt, sieht ihn nicht an.
Sag, sei nicht so bestürzt,
Mein Leben und mein Glaube stehen zu deinen Diensten.

Während Argante sie umarmen will, nimmt Armida wieder ihre Gestalt an und fällt wütend über ihn her.

ARMIDA
Verräter! Sag, ist das die
Belohnung für meine Liebe?

ARGANTE
Himmel! Was sehe ich?

ARMIDA
Ich, die dir mein Herz geschenkt hat!

ARGANTE
Das bestreite ich nicht.

ARMIDA
Ich, die die bösen Geister
Zu deinen Diensten aus der Hölle gelassen hat!

ARGANTE
Das ist wahr.

ARMIDA
Mich verraten!

ARGANTE
Entschuldige einen Funken blinder Liebe!

ARMIDA
Du wirst die Funken meines Zornes sehen!

ARGANTE
Beruhige dich!
ARMIDA
Nein!

ARGANTE
Der Schmerz, den ich empfinde, ist Strafe genug.

ARMIDA
Nein.

ARGANTE
Also gut, du stolze Rachegöttin, ich liebe Almirena!

ARMIDA
Ich entziehe dir die Hilfe meiner Geister.

ARGANTE
Tu das, wenn du willst.
Mein Säbel genügt mir,
Deine Dämonen bedeuten mir nichts.

Argante geht aufgebracht hinaus.

Arie
Ich will bekriegen und besiegen
Diejenigen, die mich mit ihrer Hochmut beleidigen.
Ich will meine Schinder besiegen.
Um diesen Verräter niederzuschlagen,
Soll sich das Feuer in mir entfachen,
Dass es mir die Kraft Gottes gibt.


DRITTER AKT

ERSTE SZENE
Ein grauenvoller Berg mit Wasserfällen, am Gipfel sieht man das von Armida verzauberte Schloss, das von einer grossen Anzahl von Ungeheuern aller Art bewacht wird.
In der Mitte der Mauer sieht man einen Säulengang mit Kristallsäulen und aller Art wertvoller Steine.
Am Fuss des Berges befindet sich die Grotte, in der der Zauberer lebt. Goffredo und Eustazio betrachten den schrecklichen Anblick des Berges.


EUSTAZIO
Es sieht so aus, als ob die Erde
In die Höhe schnellen wollte, um den Himmel zu bekämpfen.

GOFFREDO
Bruder. sind wir am Ende unserer Erschöpfung?

EUSTAZIO
Hier ist also die langersehnte Wohnstätte des Weisen.

GOFFREDO
Endlich kommen wir näher!

Eustazio ruft nach dem Zauberer, sobald sie an der Öffnung der Grotte angelangt sind.

EUSTAZIO
Du, dem die Sterne erlauben,
Hinter die Geheimnisse der sonderbarsten
Geschehen zu kommen,
Den Lauf der Dinge anzuhalten und aller Art
Gefallen zu erweisen;
Wegen einer grossen Angelegenheit
Sind wir gekommen, um Rat zu holen.

ZWEITE SZENE

DER ZAUBERER
Der Grund eures Kommens
An diesen fernen Ort
Ist mir bereits bekannt.
Rinaldo und Almirena
Sind Gefangene, am Gipfel
Dieses grauenvollen Berges
In den unwürdigen Eisen
Der Verräterin Armida.
Das Entkommen wird nicht
Ohne übernatürliche Macht möglich sein,
Um die Ungeheuer zu vernichten,
Die den Eingang dieses höllischen Palastes bewachen.

GOFFREDO
Ich werde ihn mit meinem Säbel öffnen.

EUSTAZIO
Gehen wir und die Tugend begleite mich.

GOFFREDO
Folgt mir, meine Treuen!

EUSTAZIO
Ich gehe voran.

Goffredo und Eustazio ziehen ihre Säbel und gefolgt von ihren Soldaten erklimmen sie den Berg; der Zauberer ruft sie zurück.

DER ZAUBERER
Haltet an, ihr Braven.
Sonst werdet ihr von
Einem entsetzlichen Meer verschluckt werden.

Goffredo, Eustazio und ihre Soldaten sind schon nahe am Gipfel, als sie auf eine ganze Truppe abscheulicher Ungeheuer mit grässlichen Gesichtern stossen. Ein Teil der Soldaten kehrt verschreckt um, eine andere Gruppe von Ungeheuern versperrt ihnen jedoch den Weg und inmitten der Verwirrung öffnet sich der Berg und Flammen und Qualm schiessen lärmend heraus. Schliesslich kehren Goffredo, Eustazio und ein Teil der Soldaten zu dem Zauberer zurück.

GOFFREDO
Ein Fluss von
Dunklem Grauen kam hernieder

EUSTAZIO
Wir leiden unter dem Gewitter von Achéron.

DER ZAUBERER
Tapfere Kämpfer, versucht nicht,
Diese höllische Macht mit irdischen Kräften
Zu überkommen.
Diese Zauberstäbe, die ich euch gebe,
Werden die Ungeheuer zum Fliehen bringen.
Geht guten Fusses
Und habt Kraft, alles anzuhalten,
Selbst den Einfluss der Sterne.

GOFFREDO
Bruder, ans Werk!

EUSTAZIO
Ich brenne von Ungeduld, uns stark
genug zu sehen, um unsere heilige Aufgabe
erfolgreich zu Ende zu führen.

Sie erklimmen abermals den Berg und der Zauberer beobachtet den Fortgang und singt, um ihnen Mut einzuflössen. Die Ungeheuer, wie zuvor, kommen ihnen entgegen, aber dank der Zauberstäbe werden sie vertrieben. Sie erreichen den Gipfel, berühren das Eingangstor des Palastes Armidas mit ihren Zauberstäben und in einem Augenblick verschwinden die Mauern, der Berg, alles, in einem unheimlichen Lärm. Man sieht also ein aufgewühltes Meer. Goffredo und Eustazio halten sich an einem Felsen fest und es gelingt ihnen, das andere Ufer zu erreichen.

DER ZAUBERER
Geht ihr Braven,
Stellt euch ohne Bangen
Den Todesängsten!
Lasst euch von der Tugend leiten
Wie ein teuer Begleiter durch dieses Grauen.

Sobald der ganze Zauber abgeklungen ist, kehrt der Zauberer in seine Grotte zurück.

DER ZAUBERER
O ewige Macht der Tugend,
Die sich über die Hindernisse des Bösen lustig macht.

DRITTE SZENE
Der Garten Armidas, die einen Dolch auf Almirenas Herz hält, um sie zu töten.

ARMIDA
Sterbe unter diesem Stich!

ALMIRENA
O Himmel!

RINALDO
Aus Mitleid halt ein!

ARMIDA
Lass das Gift deiner Rache
Dein Herz verletzen.
Räche meine verachtete Liebesglut,
Brandopfer der Liebe, Opfer der Hochmut.

RINALDO
Und für meine Tränen!

ARMIDA
Mein Gram schürt das Feuer.

RINALDO
Ihre Unschuld!

ARMIDA
Ihr schönes Gesicht klagt den Verstoss an.

RINALDO
Im Namen der Liebe, für die du entbranntest!

ARMIDA
Sie ist völlig verklungen.

RINALDO
Durchsteche zuerst mein Herz!

ARMIDA
Es wird vor Schmerz bluten!

RINALDO
Sende einen Donner, o Himmel!

ARMIDA
Zuerst soll dein Blut fliessen.

Während Arrmida sich auf den Stoss vorbereitet, greift Rinaldo nach seinem Säbel und stürzt auf sie zu, um sie zu töten;
plötzlich jedoch kommen ihr alle Geister aus dem Boden zur Hilfe.


RINALDO
Du unterliegst meinem Arm,
Grausame Verräterin!

VIERTE SZENE
Goffredo tritt in den Garten während der unten aufgeführten Unterredung.

ARMIDA
Wie können Sie es wagen,
Uns nicht einmal hier von Ihren Blicken zu verschonen?
Rachegöttinnen, eilt herbei, und unter der Erde
Rächt die unheilige Hölle gegen diejenigen hier.

Goffredo und Eustazio berühren den verzauberten Garten mit dem Stab und sofort verwandelt er sich in eine grosse Wüste. Im Hintergrund sieht man die Stadt Jerusalem auf einem Hügel erbaut: eine grosse Strasse führt von dem Stadttor in vielen Windungen zur Szene hinunter.
Goffredo, Eustazio und Rinaldo stürzen aufeinander zu, um sich zu umarmen und als AImirena dasselbe tun wollte, hält Armida sie an und versucht abermals, sie mit ihrem Degen zu erstechen.


GOFFREDO
Tapferer Rinaldo

RINALDO
Ehrenvoller Prinz!

EUSTAZIO
Lass mich dich an mein Herz pressen.

RINALDO
Lass mich dich umarmen

ALMIRENA
Hilfe!

Rinaldo nimmt seinen Säbel, geht auf Armida zu, doch als er zustossen will, verschwindet sie in einer Spalte im Boden.

RINALDO
Du versuchst noch, Grausame, meine Liebe zu quälen?

GOFFREDO
Meine Tochter!

ALMIRENA
Mein Vater!

EUSTAZIO
Meine Liebe!
RINALDO
Mein Herz!

GOFFREDO
Der Schmerz ist verflogen,

ALMIRENA
Die Freude kehrt zurück!

EUSTAZIO UND RINALDO
Alle Qualen sind vorüber,

ALLE VIER
O Glück! O Glück!

GOFFREDO
Bekämpft die Furien der Hölle,
Jetzt bleibt nur noch, die irdischen Grauen zu bekämpfen.
Wenn hier im Orient die Sonne aufgehen wird, um die Welt zu erleuchten,
Bruder, halte die Armee bereit,
Dass Sion stürzt.
Und du Rinaldo!
Durch deine sanfte Liebe ermutigt,
Wasche deinen Säbel im Blut der Untreuen.

Arie
Soll aus meinem Geist
Glück entspringen,
Und die Ruhe
Soll mein Herz erfüllen.
Das Glück wird
Unermesslich sein
Unsere Siegespalme
Zu ernten.

Goffredo und Eustazio gehen hinaus.

RINALDO
Der Augenblick meines Ruhms ist gekommen,
Belebt von der Liebe, dem Ruhm und der Erinnerung.

Arie
Ein Feuer von zwei Winden
Und zwei Flammen geschürt,entflammt mein Herz.
Ruhm ist sein Gegenstand
Und eine starke Liebe sein Ursprung.

FÜNFTE SZENE
Argante (am Fuss des Hügels) gefolgt von drei Generälen.

ARGANTE
Die in diesen Mauern eingeschlossenen Kräfte
Sollen ihr Heldentum beweisen.
O edle Helden!
Und zum letzten Versuch aufspringen;
Dass heute jeder einzelne
Den Wert seiner Waffe und seines Mutes beweise,
Sodass unsere Feinde,
Von unserer Kraft besiegt,
Ihrem unvermeidlichen Schicksal erliegen.

SECHSTE SZENE
Armida tritt ein

ARMIDA
Um meine Demütigung noch zu vergrössernn
Stehe ich nochmals einem Verräter gegenüber?

ARGANTE
Mein Ärger kommt zurück
Beim Anblick deiner hochmütigen Gegenwart.

ARMIDA
Alecton hilf mir, der Beleidigung meiner gekränkten
Liebe ins Auge zu sehen.

ARGANTE
Deine Kränkung bedeutet mir nichts!

ARMIDA
Ich verachte dich.

ARGANTE
An diesem Tag des Ruhmes
Flüchte und versuche nicht, die Helden zu erweichen.

ARMIDA
Mein starker Geist
Weiss den Ruhm zu beherrschen

ARGANTE
Ich vertraue auf den Endsieg!
Ich bitte dich untertänig um Verzeihung.

ARMIDA
Das wehre ich dir nicht ab.

ARGANTE
Ich erkläre mich schuldig.

ARMIDA
Ich danke dir dafür.

ARGANTE
Die Liebe hat mich verwirrt.

ARMIDA
Sie hat auch mich irregeleitet.

ARGANTE
Nur einen kurzen Augenblick.

ARMIDA
Mich auch, ich liebte Rinaldo.

ZUSAMMEN
Umarmen wir uns,
Um unseren Fehler wieder gut zu machen.

Sie umarmen sich

ARGANTE
Wir bereiten uns für den letzten Abgang vor.

ARMIDA
Der vernichtete Feind
Soll die Trophäe für den Tod sein.

ARGANTE
Lasst die Trompeten ertönen
In alle Winde, zum Kampf!

ARMIDA
Und der Himmel, die Erde, die Hölle und die Naturelement
Sollen unsere Verbündeten sein.
Man hört den Klang verschiedener Militärinstrumente und man sieht die Armee, die vorbeimarschiert, Argante und Armida grüsst, und die Stadt verlässt.

ARGANTE
Soll dieser Lanzenwald
Die unwürdigen Ungeheuer durcheinanderbringen und zerstören.

ARMIDA
Unsere Beleidigung
Soll mit einem Blutbad gerächt werden.

ZUSAMMEN
Lasst uns eilen, um in diesem Kampf zu helfen,
Der Triumph für unseren Grimm sein wird.
Die einstige Sanftheit
Möge in unsere Herzen zurückkehren.

SIEBTE SZENE
Goffredo, Rinaldo, Almirena

GOFFREDO
All diese Schicksalswenden
So plötzlich und verschiedenartig
Haben nach und nach mein Herz mit Schmerz erfüllt.
Die Bestürzung wandelt sich nun in Glück um.

ALMIRENA
Nach so grausamen Ereignissen
Weiss ich nicht, ob ich träume oder noch schlafe.

RINALDO
Der Sturm ist vorüber,
Geniessen wir die Ruhe, meine zärtliche Freundin.

ALMIRENA
Zum süssen Wind deiner Seele.

Arie

Die treue Liebe
Bringt
Die Glückseligkeit
Und das Vergnügen.
Die Beharrlichkeit
Allein kann nur
Den Glanz
Der Gefühle eines noblen Herzens schätzen.

ACHTE SZENE
Eustazio

EUSTAZIO
Signor, unser Feind
Nähert sich unserem Lager
Mit barbarischen Schreien;
Ein Verlangen nach brennendem Ruhm
Breitet sich in unserem Lager aus
Und nur ein Befehl von dir
Könnte diese Leidenschaft zügeln.

GOFFREDO
Hier der ruhmvolle Tag,
Ein Tag, der nach Ruhm verlangt.
RINALDO
Hier die Lorbeeren,
Die unsere Armee krönen.

ALMIRENA
Hier für dich das Licht, der Ruhm
Und die Liebe erleuchten ihre Fackeln.

GOFFREDO
Bruder, du hast die ehrenvolle Aufgabe
Unser Lager zu hüten
Und Almirena zu beschützen
Gegen die Leidenschaft der Feinde!

RINALDO
Ich lege dir meinen süssen Schatz ans Herz.

EUSTAZIO
Bruder Rinaldo, ich stehe zu deinen Diensten.
Sion wird heute
Die Tugend und Grösse
Durch den heiligen Glauben triumphieren sehen.
Soll die Glückseligkeit
Die Belohnung für unsere grossen Herzen
Und unsere Seelen sein.

NEUNTE SZENE
Man hört die ganzen militärischen Instrumente der Christen, und die Armee, in feierlicher Anordnung zu Fuss und zu Pferde, zieht an Goffredo und Rinaldo vorbei und grüsst militärisch.

RINALDO
Du, o grosser Prinz
Kämpfe an der Front mit deiner Armee.
Ich werde umgehen und
Sion zu Fall bringen.
Es wird heute dein sein
Durch die Tugend meines Säbels.

GOFFREDO
Nur ein Held wie du
Kann ein so schwieriges Unternehmen erfolgreich führen.
Ich stimme deinem Rat bei,
Du stehst mir nur um weniges nach.

Goffredo geht hinaus.

RINALDO
Lass meine Seele unter den süssen Strahlen glänzen.

Arie

Die fröhliche Trompete
Verlangt von mir, dass ich siege.
Der Ruhm und die Liebe
Werden den Krieger und den Liebhaber glücklich machen.

ZEHNTE SZENE
Argante geht mit seiner Armee hinaus und lässt sie in der Anordnung zum Kampf aufstellen.
ARGANTE
Meine treuen Freunde, hier
Eine Armee von tausend Brigaden.
Sehr berühmt, aber weniger stark,
Von der niedrigsten Sorte.
Streckt sie nieder, schlagt sie zu Boden,
o meine tapferen Ritter.
Erspart keinen dieser Frevler,
Diese Diebe unseres Volkes,
Und opfert ihre Seelen Pluto.

ELFTE SZENE
Goffredo tritt mit seiner gesamten Armee ein, zum Kampfe aufgestellt.

GOFFREDO
Tapfere Krieger,
Hier der letzte Tag
Eurer Aufgabe.
Sollen alle unsere Wünsche
Erhört werden.
In einer einzigen Schlacht
Haben wir die Tapferen besiegt,
Da nur ein schönes Ende
Ein Werk krönen kann.

Eine ordentliche Schlacht spielt sich ab, die auf beiden Seiten ausgeglichen bleibt. Rinaldo aber, der die Stadt schon eingenommen hat, kommt mit seinen Truppen den Hügel hinunter und greift den Feind in der Flanke an. Die Feinde flüchten, von den Soldaten Rinaldos getrieben.

GOFFREDO
Nur aus dem Frieden
Wird die Siegesfreude
Geboren.
Doch ein verliebtes Herz
Sättigt sein Verlangen
Und unterwirft es dem Sieg.

ZWÖLFTE SZENE
Rinaldo führt Argante an Ketten herein.

RINALDO
Goffredo. hier ist der stolze
Unterworfene und Gefangene.

ARGANTE
Argante ist besiegt,
Aber im Herzen Argantes
Bleiben die Gedanken erhalten
Und werden ihn nicht verlassen.

GOFFREDO
Rinaldo, dieser grosse Erfolg
Ist die Frucht deines Könnens.

LETZTE SZENE
Eustazio und Almirena führen die gefangene Armida herein.

EUSTAZIO
Mein Bruder, hier die Grausame,
Die unser Lager zerstören wollte
In einem letzten Anflug von Bosheit.

ARGANTE
Himmel, wen seh ich da!

ARMIDA
O Gott, was ist das!

RINALDO
Meine Liebe, hier ist die Erklärung der ganzen Verwirrung

ALMIRENA
Ich bin erleichtert.

GOFFREDO
Ihr sollt eure Belohnung
Für euren Mut haben.

EUSTAZIO UND GOFFREDO
Der Ruhm soll
Eure Herzen erfüllen.

RINALDO und ALMIRENA
Die Freude soll
Unsere Liebe erfüllen!

Sie umarmen sich.

ARMIDA
Eine stärkere Gottheit
Hilft ihnen.

ARGANTE
Oder einfach das Glück.

RINALDO und ALMIRENA
Nur du stärkst meine Seele.

ARMIDA
Nein, der Himmel hat beschlossen,
Mein höllisches Feuer mit
Seinem heiligen Wasser zu löschen.
Unwürdiger Stab, ich werde dich vernichten!

Sie zerbricht ihren Zauberstab.

ARGANTE
Ich werde deinem Rat folgen,
Meine Freundin.

ARMIDA
Ich nehme euren Glauben an.

RINALDO
O! Göttliche Gnade

ALMIRENA
O! Glückliches Schicksal.

EUSTAZIO
O! Vollendeter Sieg.

GOFFREDO
Ich gebe euch eure Freiheit zurück.

ARGANTE
Süsse Freundin, ich umarme dich.

ARMIDA
Komm und teile meinen Thron mit mir.

DER CHOR
Nur die Tugend desjenigen ist zu besiegen,
Der zum Groll fähig ist.
Glücklich soll derjenige sein,
Der kein eitles Ziel verfolgt.