Libretto: Rusalka

von Antonin Dvorák


Personen:
DER PRINZ (Tenor)
RUSALKA, eine Nixe (Sopran)
DIE FREMDE FÜRSTIN (Sopran)
DER WASSERMANN (Bass)
JEZIBABA, eine Hexe (Alt)
EIN HEGER (Bariton)
DER KÜCHENJUNGE (Sopran)
DREI ELFEN (Sopran und Alt)

Elfen und Nixen, Hochzeitsgäste und Jäger



ERSTER AUFZUG

Wiesengrund am Ufer eines Sees. Ringsum Wälder, unweit des Seeufers die Hütte der Waldhexe. Vollmond. Auf einer alten Weide, die ihre Zweige über den See neigt, sitzt Rusalka in traurigem Sinnen.

DREI ELFEN
tanzend auf dem Wiesengrund
Hei-ja he,
Vollmond steht über'm See!
Wassermännchen, klüglich achte,
wie der Mond sich hebt schon sachte,
eben dir ins Fenster lachte,
hei-ja hein,
in dein silbern Kämmerlein!
Hei-ja he,
Mondschein leuchtet über'm See!
Lüftchen tanzt am Uferrande.
Wassermännchen lockt zum Strande,
Wassermännchen, Hampelmännchen,
hei-ja ho,
Wasserbläschen steigen froh.

Der Wassermann taucht aus dem See auf und reibt sich die Augen

Hei-ja he,
Wassermännchen über'm See!
Wassermännchen möchte freien,
wer von uns soll ihm sich weihen,
ihn erringen und erzwingen,
he, he, he,
dass die Alte von ihm geh'!
Sie umtanzen den Wassermann

WASSERMANN
Schön willkommen hier am Uferrand!
Wie, es ist traurig dort im Waldrevier?
Hab' hier am Grunde manches Perlenband
und volle Säcke gold'ner Fischelein -
springe ans dem Schilfe,
hasch' mir eine Sylfe,
packe es am Beinchen,
zieh' herab das Kleinchen,
schnell herab zu mir!
Hascht nach ihnen

ELFEN
Wassermännchen, hei-ja fein,
fang' uns nur, dann sind wir dein!
Hei-ja he.
Fängst du bald ein Elfchen hier,
kriegst du einen Kuss von ihr!
Doch die Alte dann zu Haus,
Wassermännchen, denk', o Graus!
reisst dir alle Haare aus!
Hei-ja ho.
Sie laufen davon

WASSERMANN
Ausgelassnes Treiben,
ohne Sitt' und Tugend!
Über Felder, durch die Wälder -
ach, die Jugend! Jugend!

RUSALKA
Wassermännchen, Väterchen!

WASSERMANN
Ei, zum Kuckuck, Kleine -
trocknest du die Netze mir
in des Mondes Scheine?

RUSALKA
Wassermännchen, Väterchen,
du verweilst nie lange,
lasse mich nicht so allein,
traurig ist mir, bange!

WASSERMANN
Wieso denn bange?

RUSALKA
Voll von Traurigkeit!

WASSERMANN
In unserm Kreise?

RUSALKA
Traurig jederzeit!

WASSERMANN
Unten in den lust'gen Reih'n?
Sag, wie kann's da traurig sein?

RUSALKA
Fort von euch möcht ich, dahin geht mein Streben,
ich möcht ein Mensch sein und im Lichte leben.

WASSERMANN
Kann ich es glauben, fällt dir sonst nichts ein?
Mit Menschen leben, willst du sterblich sein?

RUSALKA
Du erzähltest ja die unbekannten Sagen,
sie hätten Seelen, die wir nicht haben,
und diese Seele steigt hoch zum Glanz des Lichts,
dort strahlt sie ewig, bleibt vom Mensch auch nichts!

WASSERMANN
Bleib von Mutterwellen sanft umschlungen,
eine Seele nie begehre, sie ist voll der Sünden!

RUSALKA
Und voll der Liebe!

WASSERMANN
Wie du Antwort gibst!
Das klingt, als ob du einen Menschen liebst?

RUSALKA
Oft kommt er her zu mir,
steigt in des Sees Wogen,
gerne verweilt er hier,
von mir sanft angezogen.
Unsichtbar bleibe ich,
sehen darf er mich nicht.
Ich müsste Mensch erst sein
mit einer Menschenseele,
so lieb als ich ihn hab',
wie ich ihn möcht' umfangen,
nehm' er mich in den Arm
und stille mein Verlangen!

WASSERMANN
Wehe, Tochter, mir wird's Herze schwer, Nacht für Nacht
werden deine Schwestern dich beweinen! -
Helfen kann dir keine Macht.
Menschenliebe trennt dich von den Deinen!

RUSALKA
Wassermann, so hör' mich doch,
er muss mich erst sehen -
rate mir, ich frag' dich,
wie kann das geschehen?

WASSERMANN
Wehe dir, dass dich Verblendung schlug,
verloren, verkauft an Menschentrug!
Nutzlos wär's locken dich auf den Grund -
ruf' die Hexe zu finst'rem Bund,
wehe dir, Rusalka, wehe!
verschwindend
Wehe! Wehe! Wehe!
Verschwindet unter dem Wasser

RUSALKA
Silberner Mond du am Himmelszelt,
strahlst auf uns nieder voll Liebe.
Still schwebst du über Wald und Feld,
blickst auf der Menschheit Getriebe.
Oh Mond, verweile, bleibe,
sage mir doch, wo mein Schatz weile.
Sage ihm, Wandrer im Himmelsraum,
ich würde seiner gedenken: mög' er,
verzaubert vom Morgentraum,
seine Gedanken mir schenken.
O leucht ihm, wo er auch sei,
leucht ihm hell, sag ihm, dass ich ihn liebe.
Sieht der Mensch mich im Traumgesicht,
wach' er auf, meiner gedenkend.
O Mond, entfliehe nicht, entfliehe nicht!
Der Mond verlischt
Wie es mich schauert, schauert!
Ruft wehmütig
Jezibaba, Jezibaba!

WASSERMANN
im Wasser
Wehe dir, Rusalka, wehe!
Wehe! Wehe! Wehe!

RUSALKA
dringend
Jezibaba!

HEXE
tritt aus der Hütte und sieht sich nach allen Seiten um
Weinen, Klagen, Jammerlaute,
ei, wer stört hier eh's noch graute?

RUSALKA
Jezibaba, hilf mir bitte,
löse mich aus Nixen Mitte!

HEXE
Etwas spür' ich, etwas merk' ich -
Wer ruft mich? Komm zeig dich und sprich!

RUSALKA
Rusalka, die Nixe klaget.
Dich um Rat und Hilfe fraget!

HEXE
Eine Nixe? Zeig' dich schnelle,
tauch hervor nur aus der Welle!

RUSALKA
Kann nicht hervor, Wasserwogen
halten mich hinabgezogen!

HEXE
Reiss dich los und hurtig schnelle
eil' zu meiner Hütte Schwelle!
Lass sie, Woge, frei sich rühren.
Füsschen festen Boden spüren!

Rusalka springt herab ans Ufer und wankt auf die Hexe zu mit schweren, ungewohnten Schritten

HEXE
Stützet sie, Füsschen fein. Traget sie, Füsschen klein, -
sieh', nur sieh', die Füsschen klein, können schon gehen fein!

RUSALKA
sinkt entkräftet der Hexe zu Füssen
Jezibaba, hilf mir, hilf!
Deiner ew'gen Weisheit Licht
tiefster Geheimnisse Dunkel bricht,
der Menschen Zukunft siehst du im Traum,
zählst die Gestirn im Weltenraum,
der Erde Gifte, die Kraft des Mondesscheins
braust du zum Heiltrank, und bannst der Krankheit Keim.
Weisst zu verbinden, weisst zu zerstören,
weisst zu besänftigen, weisst zu betören.
Menschen in Geisterleib, Geister in Menschgestalt
wandelt im Augenblick deiner Macht Allgewalt,
schreckst wohl die Nixlein klein nächtlicher Welle,
nützest der Kräuter Kraft zum Menschenheile,
für uns wie für die Menschen dort in der Wunderwelt
rätselhaft bist du, niemandem gleichgestellt,
ewiges Leben ward dir zu Teil -
O Zauberweib, hilf mir zum Heil!

HEXE
Mir bekannt, wohlbekannt,
d'rum kommt man zu mir gerannt!
Höre doch, hör' mich wohl,
wenn dein Glück ich machen soll:
Perlen fein, Schönheit dein,
helf ich dir, sag' was wird mein?

RUSALKA
Was ich hab', sei dein,
aber lass ein Mensch mich sein!

HEXE
Weiter nichts? Gar nichts mehr?
Darum kamst du zu mir her?
Langweilt dich dein Wasserleben?
Menschenart willst du erstreben?
Liebeleien, Tändeleien,
süssen Kosens Narreteien? -
Mir bekannt, wohlbekannt,
d'rum kommt man zu mir gerannt!

RUSALKA
Dass mein Glück ich nicht verfehle -
gib mir Menschenkörper, Menschenseele!

HEXE
Wohl es sei,
Teufel steh' mir bei!
Doch, du gibst mir, holde Maid,
dein durchsichtig Nixenkleid! ,
Und erfüllt sich nicht dein Wunsch
nach Menschenglück
kehrst du unter Schmerz und Tränen
in die Tiefen hier zurück!
Wenn sie dich verrät, die du erstrebst, die Wonne,
musst du fort von Erden, fort von Licht und Sonne!
Eh' du sie erreichst, leiden wirst du schwer,
du darfst nicht reden, hast keine Sprache mehr!
Willst stumm sein, sag,
stumm für den, den du liebst so sehr?

RUSALKA
Wenn seine Seele die meine liebt,
trägt sich's leicht, dass es keine Worte gibt!

HEXE
Dein ist er, dein,
doch merk' dir fein:
Wenn in Wassermanns Reich dich heimtreibt die bittere Not,
ist das zugleich auch deines Liebsten Tod!
Wird er durch Zaubereien dein,
muss er zugleich mit dir verloren sein!

RUSALKA
Nimmt am Zauber unsre Seele Schaden:
keine Liebe möge uns begnaden!

HEXE
Also komm, komm geschwind,
foIg' ins Hüttchen mir, mein Kind!
Feine Säfte will ich brauen,
Nixchen soll sie wohl verdauen.
Schweigsam sei dann, sprich kein Wort,
abra, cabra, fort!

Sie treten in die Hütte ein, im Fenster erglüht ein roter Schein. Ein Strom von Funken schlägt zum Kamin heraus. Im Kessel hört man es zischen. Die Elfen hören das Geräusch, laufen aus dem Wald hervor und gucken ängstlich durch das Fenster in die Hütte hinein.

HEXE
in der Hütte beim Herde zaubernd
Abra, cabra, fort,
sieh' den weissen Nebel dort!
Drachenbluts ein Tropfen,
Herzen, die noch klopfen,
Tröpflein Taubengalle
gut in jedem Falle!
Spring, mein Kater, spring herzu,
rühr' die Brühe um im Nu!
Abra, cabra, fort,
fürcht' dich nicht an diesem Ort!
Dies ist deine Mitgift,
trink' und lerne leiden,
denn die Zung' verstummt,
musst dich so bescheiden!
Spring, mein Kater, holla hein!
Giess den scharfen Trank ihr ein!
Abra, cabra, fort,
Schweigsam sei dann, sprich kein Wort!

Das wilde Gezisch in der Hütte wird nach und nach schwächer. Die Feen verschwinden. Unterdes heitert sich der Himmel auf, von der Ferne hört man Waldhörnertöne. Über dem See erscheint die Morgenröte.

PRINZ
aus dem Walde hervorkommend den Bogen in der Hand
Das Jagen lasst nun, geht zurück aufs Schloss,
seltsamer Zauber narrt den Jägerblick,
sitzt er nicht schon im Herzen mir! -
Geht nur nach Haus, ich bleibe hier!

Die Jäger gehen ab, der Prinz lässt sich am Ufer des Sees nieder, dann, aufschauend, sieht er die vor ihm stehende Rusalka. Rusalka kommt aus der Hütte, barfuss, im aschgrauen Kleide eines armen Kindes. Ihr schönes goldiges Haar hängt aufgelöst lang herab. Sie ist stumm.

PRINZ
aufspringend
Holdester Traum du, süss und mild,
bist du ein Mensch, bist ein Märchen?
Kamst du ein seltenes Wild zu hegen,
das bald wär' meinem Pfeil erlegen?
Suchtest du meine Nähe,
Schwesterlein weisser Rehe?
Oder willst selbst du, so süss und rein,
köstliche Beute des Jägers sein?

Rusalka streckt ihm die Hände stumm entgegen, sie kann nicht sprechen

PRINZ
Schliesst ein Schwur die Lippen dir,
oder ist stumm gar dein Mund?
Tut erst im zartesten Liebeskuss
mir deine Seele sich kund!
Was mich mit Zauberkraft wundersam angerührt,
durch Gebirg und Tal lockend hierher geführt,
es ist jetzt offenbar und stimmt den Sinn mir mild,
seh' ich dich vor mir steh'n, holdestes Zauberbild!
Was dich bewegt im Herzensgrund,
holde Erscheinung, wenn du gut mir bist,
so gib es durch ein Zeichen kund!

Rusalka fällt in seine Arme

NIXEN
unter dem Wasser
Schwestern, eine fehlt in uns'ren Reih'n!
Rusalka erschrickt, rafft sich auf und lauscht dem Gesange
Schwesterlein, wo magst du sein?
Rusalka zittert vor Angst

WASSERMANN
unter dem Wasser
Weit von hier, für uns verloren!

NIXEN
Schwesterlein, wo bist du, Schwesterlein?

Rusalka in höchster Angst schmiegt sich in die Arme des Prinzen

PRINZ
Du bist ein Traumbild, das entschwindet,
wie vor der Nacht entflieht das Licht, -
allein so lang der Zauber uns bindet,
du, schönes Märchen, schwinde nicht!
Die Jagd ist aus - ich halte warm
Mein weisses Reh beglückt im Arm!
Mein Märchen du, bleib stets mir nahe,
du holder Traum, komm, folge mir!

Der Prinz führt Rusalka auf sein Schloss

ZWEITER AUFZUG

Schlosspark. Im Hintergrunde rechts Säulengang und Festsaal. Im Vordergrunde links unter alten Bäumen ein Weiher. Es beginnt zu dämmern, später wird es Nacht.

HEGER
kommt mit dem Küchenjungen
Hör' doch, hör' mich, liebes Bübchen,
sage schnelle mir ins Ohr!
In der Küche, in den Sälen,
was ist das für ein Rumor?
Schall ist's, wie von Trompeten,
da verlässt mich der Humor!
Kochen, braten, schmoren, sieden,
sage, Bub', was geht hier vor?

KÜCHENJUNGE
Werdet's schon erleben,
hier wird's bald was geben!
Bis zur Nacht vom frühen Morgen,
heisst es um das Fest sich sorgen.
Hörtest du nicht, sahest du nicht,
was sich Schlimmes hat ereignet?
Tief im Walde fand der Prinz ein Hexenweib
und jetzt, stell' dir das vor, nimmt er sie zur Frau!
Aus dem Wald, voll Unbedacht,
hat er sie hierher gebracht.
Niemandem ist sie bekannt,
ahnt man auch, wo er sie fand!
Stumm ist sie wie Fische,
sitzt ganz bleich bei Tische,
geht umher als wie im Traum -
nein, so ein Weib erwählt' ich kaum!

HEGER
Also ist's doch wahr und richtig,
was man spricht und plaudert?
Das erschreckt mich tüchtig!
Unser guter, junger Pinz verzaubert!
Mich lehrt die Erfahrung
so was ist nicht sauber,
hinter dieser Neigung
steckt gewiss ein Zauber!
Schütz' uns Gottes Gnaden!
Auch in uns're Wälder
Mög' sich nachts nicht wagen,
wer kein Dämon selber.
Soll nicht dein Gewissen leiden,
sollst den Hexenwohnort meiden,
Wassermann im Teiche lauert,
du verschwindest unbetrauert.
Siehst du gar die Elfenweibchen
ohne Hemdlein, ohne Kleidchen,
packt dich gleich der Liebe Gier -
Gott im Himmel helfe dir!

KÜCHENJUNGE
ängstlich
Oheim! Ach mich gruselt's!

HEGER
Wirklich, 's ist kein Wunder, nein,
Gott soll allen deinen
Sünden gnädig sein!

KÜCHENJUNGE
Der Prinz, sonst so liebenswert,
furchtbar ist sein Sinn verkehrt!
Würdest ihn wohl kaum erkennen,
geht dir wie im Traum umher,
Opferkerzen lässt schon brennen
seine Amme sorgenschwer.
Der Herr Pfarrer hat's vemommen,
warnen ist er gleich gekommen,
doch der Prinz, der sagt nein,
hält sie fest, sein Weib zu sein.

Läuft nach der anderen Seite davon.
Der Prinz erscheint mit Rusalka, die prächtig gekleidet, aber immer noch traurig und bleich ist.


PRINZ
Seit Tagen weilest du schon hier,
scheinst mir ein Traum, ein Märchen wohl,
ich schaue tief ins Auge dir,
doch ein Geheimnis bleibst du mir!
Warum lässt der Liebe Zaubermacht
dein Herz für mich entbrennen?
Willst du erst zur Hochzeitsnacht,
dass du mich liebst, bekennen?
Stets bleibst du kühl, mein süsses Herz,
und bist nicht zu erwärmen,
du zeigst mir nicht, ob Lust und Scherz,
dich rührt in meinen Armen.
Vergebens dräng ich, dass die Lippe spricht.
Bin ich verzaubert, du verspürst es nicht!
Wärst du auch kälter noch wie Eis und Stein,
mein musst du werden, mein allein!

FÜRSTIN
Bei den letzten Worten kommt sie aus dem Hintergrunde, und mit bösem Hasse betrachtet sie den Prinzen.
Nein, mich treibt nicht Liebe,
nur der Hass treibt mich an,
das fremde Weib zu trennen von dern Mann,
und wenn der junge Tor sie dennoch freit,
sei er verflucht in Ewigkeit!
Die Fürstin kommt herunter
Erinnert sich der Prinz auch noch daran,
dass Wirt er sei, und nicht nur Freiersmann?
Verführerisch.
Sagt, wollt an Eurem Glück ihr ganz vergeh'n,
soll Euer Gast hier ganz verlassen steh'n?

Sie tritt zwischen den Prinzen und Rusalka

PRINZ
erbebt, sobald er die Fürstin erblickt
Ach, Ihr habt recht mich zu tadeln,
dass er des Gastes Recht so wenig achtet,
denn jeden Mann kann's doch nur adeln,
wenn er Euch zu dienen trachtet.

FÜRSTIN
spöttisch Rusalka ansehend
Und Eure Liebste, teuer Eurem Herzen,
schweigt sie auch zu solchen gar galanten Scherzen?

Rusalka blickt schmerzlich erregt nach der Fürstin

FÜRSTIN
bissig
Bedarf es bei ihr gar der Worte nicht,
da sie mit Euch ja nur durch Blicke spricht?

PRINZ
verlegen
Und doch vergass ihr Blick es, mich zu mahnen,
dass Euer Wirt sein Amt sehr schlecht geübt.
Erlaubt mir, meinen Fehler zu sühnen,
damit er nicht die alte Freundschaft trübt.

Reicht der Fürstin den Arm. Rusalka tritt hervor zum Prinzen und fasst ihn krampfhaft bei der Hand

PRINZ
Was soll die Angst, dies Zittern und dies Beben?
Geh eilig in das Schloss und schmücke dich zum Fest!
Er führt die Fürstin weg

FÜRSTIN
im Abgehen zu Rusalka
Oh, macht Euch schön für ihn im reichsten Kleid:
mir gilt die Ehre, Euch doch seine Liebe!

Rusalka blickt den beiden schmerzerstarrt nach. Sie will nachstürzen, um den Prinzen zurückzuhalten, geht dann aber traurig und gebrochen durch den Säulengang ab. Indessen wird es immer dunkler und Dämmerung bricht herein. Der Mond geht auf. Lichter flammen auf. Im Hintergrund festliche Bewegung, die Gäste versammeln sich und bilden Gruppen. Später Gesang und Tanz.

Festliche Musik

WASSERMANN
hebt sich aus dem Teiche und betrachtet das freudige Treiben im Festsaal
Wehe dir, Rusalka, wehe!
Warum. gabst du dich Menschen hin?
Lässt dem Menschen du dein Herz,
flieht dich für immer Lust und Scherz!
Wärst du ein Mensch auch tausendmal,
Nixenblut bleibt dir allzumal,
liebt dich ein Mensch auch noch so sehr,
festhalten kannst du ihn doch nimmermehr!
Wehe dir, Rusalka, wehe!
Menschenart wird dir zum Fluch!
Traurig und still ist der See,
sehnt sich nach deiner Umarmung!
Doch kehrst du einst zur Flut zurück
hast du verscherzt dein Nixenglück,
kehrst erdenmüd' du einmal heim,
wirst du ein todbringend Irrlicht dann sein!
Wehe dir, Rusalka, wehe,
dich stürzt in Unheil Menschenart!

CHOR
in der Loggia und in dem Garten
Blümelein weiss am Wegesrand
blühten wohl still bescheiden,
Bursche ritt froh im Sonnenbrand,
ritt ja zu Hochzeitsfreuden.
Säume nicht, Knabe, eil' zur Braut,
eile zum süssen Kosen,
eh' noch die Nacht herniedertaut,
blühen dir rote Rosen.
Blümelein weiss, sie welkten sacht
unter dem Kuss der Sonne,
während der roten Rosen Pracht
schmückte das Lager der Wonne.

Der Prinz erscheint hie und da während des Festes und macht der Fürstin den Hof, ohne Rusalka zu beachten

WASSERMANN
Wehe dir, Rusalka, wehe!
Dich stürzt in Unheil Menschenart!
Wehe! Wehe!
Träumend im Walde ruht der See,
stumm wird er dich umkosen.

Da stürzt Rusalka aus dem Festsaal in den Park heraus und wendet sich verzweifelt dem Teich zu

WASSERMANN
überrascht
Rusalka, kennst du mich?

RUSALKA
der Sprache wiederum mächtig, schreit plötzlich heftig auf
Väterchen, Väterchen, wehe!

WASSERMANN
So kam ich denn her auf euer Schloss,
und finde dich nur in Tränen?

RUSALKA
Hilf mir doch, hilf mir doch, sag ein Wort,
Todesangst hat mich umfangen!
Wehe, ach, warum. ging ich von euch fort,
weh' meinem Erdenverlangen!
Wehe! Wehe!
Menschenschönheit liebt er sehr,
war ich denn so vermessen?
- Er kennt mich nimmer, nimmermehr,
Rusalka ist vergessen!

WASSERMANN
Hat dich verstossen, der dich geliebt?
Finde selbst, was dir Lind'rung schafft,
suche Trost in deiner eignen Kraft!

RUSALKA
Vergebens, vergebens, vergeblich der Schmerz,
ach nimmer winkt mir Tröstung lind,
was hilft mir Schönheit, Anmut, Herz,
bin ich nur halb ein Menschenkind!
Er kennt mich nimmer, nimmermehr,
Rusalka ist vergessen!
Ihr loh'n im Auge wilde Gluten,
das Erdenfeuer heiss entbrannt,
ich kam aus kühlen Fluten
hab' niemals Erdenglut gekannt!
Von euch verstossen, ewig von ihm verbannt,
jeglichem Sein und Leben abgewandt
Nicht Frau, nicht Nixe, bittere Not,
ich kann nicht leben, noch bin ich tot!

Der Prinz tritt mit der Fürstin aus dem Festsaal in den Park

RUSALKA
Siehst du, da sind sie! Wie vertraut -
Väterchen, Väterchen! Steh' mir bei!

FÜRSTIN
zum Prinzen
Euch glüht im Aug' ein heimlich' Feuer,
und süsse Worte schlürf' ich ein,
Ihr sagt, ich sei Euch lieb und teuer -
o Trauter, sprecht, wie kann das sein?
Wohin floh Eure bleiche Braut,
die namenlos hat Euch sich anvertraut?
Entfloh sie, um nur nicht zu schau'n,
wie warm Ihr huldigt and'ren Frau'n?

PRINZ
Wo sie ist? Das weiss Gott allein!
Doch lass von jenem Weib uns schweigen.
Will ohne sie jetzt glücklich sein,
o Zauberin, sei du mein Eigen!
Ein Rätsel ist mir jetzt die Macht,
die ihr über mich verliehen,
die Glut will ich, die Ihr entfacht,
den bleichen Mondstrahl lasst mich fliehen!

FÜRSTIN
Bis meine Glut Euch wild versengt,
und ich die Sinne Euch entzückt,
ob Ihr dann nicht wieder drängt
zu jener Schönen, die Euch berückt?
Bis Euch umarmen zarte Glieder,
der stummen Schönheit Kühle fühlt Ihr wieder -
kann das entfesseln Euer Blut?
O schade, schade um die Glut!

PRINZ
leidenschaftlich
Und sollt' dem Paradies,
dem ew'gen ich entsagen -
für dich, o du süsse Frau,
wollt' alles ich ertragen!
Jetzt, jetzt erst fühle ich es ganz,
wonach mein Herz geschmachtet,
als es in wilder Glut
nach Nixenliebe getrachtet!

FÜRSTIN
O sag' nichts mehr, ich seh' es wohl,
dass meinen Sinn du willst betören -
du weisst nicht, ob dein Herz,
soll jener oder mir gehören.

PRINZ
umarmt die Fürstin
Was blieb von der Verwirrung,
die sie in mir entfacht?
Zu End ist die Verwirrung,
wenn deine Gunst mir lacht!

Rusalka verlässt plötzlich ihr Versteck und stürzt verzweifelt dem Prinzen in die Arme

PRINZ
entsetzt
Eiskalt und schaurig weht's von dir,
du kalte Schönheit, fort von mir!
Stösst sie von sich

WASSERMANN
erscheint in voller Mondbeleuchtung über dem Wasser und ruft mit geisterhafter Stimme
Flieh nur in and're Arme, Wicht!
Ihrer Umarmung entgehst du nicht!
Er ergreift Rusalka und zieht sie mit sich in die Tiefe

PRINZ
sinnenverwirrt und in Todesangst
Grausen erfasst mich schauerlich!
Rette mich, rette mich, rette mich!
Stürzt der Fürstin zu Füssen

FÜRSTIN
mit wildem Auflachen
Tief in der Hölle dunkelste Nacht
deiner Erwählten, folge nun nach!
Geht stolz ab

DRITTER AUFZUG

Wiesengrund am Ufer des Sees, wie im ersten Akt. Es geht auf den Abend zu und der Himmel umwölkt sich, später flammt das Abendrot auf, schliesslich heitere Mondnacht. Rusalka sitzt auf der Weide wie zu Beginn des ersten Aktes, doch ist sie ganz farblos und bleich, ihr Haar fahl, die Augen erloschen.

RUSALKA
Fühllose Flut ohne Mitleid,
zieh mich in deinen Schoss hinein.
Kalte Wellen, eilt heran
mein Grab zu sein!
Nirgends daheim, grausam verbannt
aus der Schwestern frohen Reih'n,
der der Liebe Glücksstern entschwand,
ewig soll ich verdammt nun sein.
Was kann ich tun? Stets nur weinen,
da er mich kalt von sich stiess.
Nirgends Heimat, da das Wasser wie
das Land mich von sich wies.
Schwanden hin die sanften Nächte
stiller Träume Widerschein.
Kalte Wellen, zieht mich hinab,
zögert nicht, mein Grab zu sein!

HEXE
kommt aus der Hütte
Ei, ei! Mein Nixlein schon zurück?
Nun, nun, das war ein kurzes Glück!
Wie bleich, ei, sind die Wängelein,
bist wieder traurig und ganz allein?
So schmeckten nicht die Küsschen fein,
die Lieb' gar brachte Qual dir und Pein?

RUSALKA
Ach Jezibaba, sieh mein Elend an:
verloren ist alles, es flucht mir jedermann!

HEXE
Da der Liebste treulos, kalt verlassen dich -
ist die alte Hexe gut, zu retten dich?
Nach dem GIück der Menschen, nach der Erdenglut
Möcht'st du zu den Schwestem wieder in die Flut?
Nun ich weiss ein Mittel, geb' dir guten Rat -
sicherlich gelingt es, der Teufel hilft zur Tat!
Menschenblut nur kann dir helfen,
dich vorn Schmerz befrei'n,
selbst töten musst du deinen Liebsten,
dann wirst frei du sein!
Wieder froh, wieder frei wirst du wie ehe,
und vergisst, wie dich verriet die Welt -
dessen Blut nun fliessen muss,
damit dir Recht geschieht.
Alle Qual wird dich verlassen,
wieder glücklich wirst du sein,
doch der Liebste muss sein Leben
lassen, du musst mutig sein!

RUSALKA
entsetzt
Jezibaba, wehe, welche Tat!

HEXE
reicht ihr ein Messer, welches sie im Busentuch verborgen hat
Das Messer nimm, fass Mut und folg' dem Rat!

RUSALKA
wirft das Messer in den See
O welches Grauen! Lass mich, geh!
Will ewig leiden Erdenqual, Menschenweh,
mein Herzensleid will tragen ewig ich
und HöIlenqualen fürchterlich,
gern trag ich Qual und Pein -
nur er, er soll gerettet sein,
ohne Mass soll er glücklich sein!

HEXE
lacht höhnisch auf
Und du wolltest sein ein Menschenkind
mit deinem Herzchen sanft und lind?
Armselige Nixe, wie bist du dumm!
Angstvoll und hilflos schaust du herum!
Geh, geh, geh, leide nur in Ewigkeit,
vergeh' in Sehnsucht um dein Menschenleid!
Hinkt in die Hütte ab

RUSALKA
Unendlich Herzeleid, ewige Einsamkeit!
heimatlos, glückberaubt, schwind ich hin,
Mein Liebster, wehe, weh dir,
ewig fern von mir.

Sie versinkt in den See

DIE NIXEN
unter dem Wasser
Du entflohest zur Menschenwelt,
liessest uns're frohen Reih'n -
dich ein böser Zauber hält,
kannst nicht unser sein!
An der Gruft verfluchtem Ort
such' dir and're Schwestem dort,
in der Nixen frohen Reih'n
kehrst du nimmer ein!

Stille. Im Westen röten sich die Wolken

HEGER
aus dem Hintergrunde mit dem Küchenjungen
Wie, du zitterst? Schnicken, Schnurren,
wichtigere Gäste kennt sie!
Geh', klopf an, meld' ohne Murren,
was dir aufgetragen heute:
sag', die AIte möge kommen,
da des Prinzen Sinn benommen,
da ein spukhaft Zauberwesen
jüngst bei uns im Schloss geweilt,
und wir bitten, dass sie hilft,
dass sie uns'ren Prinzen heilt!

KÜCHENJUNGE
sich wehrend
Oheim, ach, ich kann nicht,
lahm ist mir das Bein -
ach, ihr guten Götter,
geh' doch selbst hinein!
Ach, mich packt das Fieber,
s wird ganz übel mir -
Oheim, mir wär's doch lieber,
dass sie's hört von dir.

HEGER
Himmel, willst du schweigen?
Wozu solch' Geflenn!
Doch ich will dir zeigen,
dass ich Furcht nicht kenn'!
Holla, holla! Jezibaba!

HEXE
kommt aus der Hütte
Nun, wer lärmt hier? Nun, wer schreit da?

Der Küchenjunge versteckt sich hinter dem Heger

HEGER
Ans dem Schloss schickt man Botschaft dir,
dass mit klugem Rat du helfest hier!

HEXE
Und zum Lohne für mein kluges Raten?
Schickt man mir hier den kleinen Teufelsbraten?
Füttem muss ich ihn erst rund und dick,
eh' er brät, der dürre Galgenstrick!

Greift nach dem Küchenjungen

KÜCHENJUNGE
wehrt sich verzweifelt
Hexe fürchterlich! Lass mich, lass mich!
Oheim, braten will sie mich!

HEXE
kichernd
Ha, ha, ha, ha,
ei, du dummes Bübchen,
mag'res Eselein,
wärst zum dünnsten Süppchen
viel zu schlecht und klein!
Ehe ich dich brate,
wachse und gedeih'!
Doch jetzt lass mich hören,
was die Botschaft sei!

KÜCHENJUNGE
ängstlich
Krank ist unser Prinz an Seele und Leib,
denn es hat sein Herz verzaubert so ein teuflisch Weib!
Als den Prinzen sie an sich gebannt,
Ist sie tückisch, heimlich ihm davon gerannt.
Hat mit Zauber unser ganzes Schloss berühret -
ward vom Teufel selbst zur Hölle sie entführet!

WASSERMANN
plötzlich aus dem See auftauchend
Verdammt seid alle,
verflucht ihr Menschenpack.
Sie fuhr zur Hölle? Sie hat verzaubert euch?
Verlogene Heuchler, er selbst verriet sie,
er stiess ins Unglück sie!

HEGER
stürzt in höchster Angst davon
Der Wassermann! Der Wassermann!

KÜCHENJUNGE
hinter ihm her
Oheim! Oheim! Grosser Gott, Oheim!

WASSERMANN
mit schrecklicher Stimme
Ich schwör' euch Rache, so weit mein Arm nur reicht!

HEXE
Ha, ha, ha, ha! Ha, ha, ha, ha!

Sie humpelt in ihre Hütte ab. Indessen erlischt die Abendröte, es wird dunkel und bald geht der Mond auf Auf der Waldwiese sammeIn sich die Waldfeen

ERSTE ELFE
tanzend
Mein goldnes Haar ist mein,
kleiner Käfer schmückt es nachts mit Demantschein,
meine weissen Händlein Iösen flink das Bändlein,
und der Mond bestreut es fein mit Silberschein.

ZWEITE ELFE
tanzend
Mein Füsschen zart und klein,
springet gar behende über Moos und Stein,
springet durch die Aue, dass der Mond es schaue.
Tau gibt ihm die Strümpfchen und die Schühchen fein.

DRITTE ELFE
tanzend, mit den anderen zwei
Mein weisses Kôrperlein
dreht sich so behende, nachts im frohen Reig'n,
wohin ich auch gehe, mich im Tanze drehe,
hüllt der Mond mit seinem Scheine mich sanft ein.

PRINZ
kommt aus dem Wald gelaufen, verwirrt
O mein weisses Rehlein!
Wo bist du?
Himmel und Hölle, euch ruf ich an,
was habt ihr meinem Lieb getan?
Gottheit und Teufel beschwöre ich -
Liebste komm, ich bitte dich!
Geliebte, komm!

Der Mond kommt langsam aus den Wolken

RUSALKA
erscheint im Mondlicht über dem See
Kennst du mich, Liebster mein?
Denkst du noch, Liebster, denkst du mein?

PRINZ
erhebt sich in höchstem Entsetzen
Bist du ein Geist, so töte mich!
Bist du ein Weib, so rette mich!

RUSALKA
Tot nicht, noch lebend, nicht Frau, nicht Nixe,
irr' ich umher in Herzensnot.
Träumte von Glück einst, wenn auch voll Bangen
weil solchem Glück Verderben droht -
einst war dein Lieb' ich, durfte dich herzen,
jetzt bringt mein Kuss dir nur den Tod!

PRINZ
Kann ohne dich nicht leben hier -
Kannst du, Geliebte, vergeben mir?

RUSALKA
Warum, warum musst ich dein Eigen sein,
der treulos rnich dann fortstiess?
Jetzt bin ich nur ein bleicher Schein,
der dir deine Qual vermehrt!
Mich macht zur Spukgestalt dein flatterhafter Sinn:
als Irrlicht zieh mit Allgewalt ich dich zum Abgrund hin!
Sag, warum du die Treue brachst,
mir, die dich innig liebte?
Du suchtest Leidenschaft, die mir fremd,
Umarmung voll Blut, wenn jetzt dich mein Kuss berührt,
dann bist du verloren!

PRINZ
Gib mir den Todeskuss!
Gönn mir den letzten Gruss,
stoss mich nicht von dir,
Iass mich bei dir sein!

RUSALKA
Ach! Alles warst du mir, du allein -
o warum musstest du treulos sein?
Du mein Lieb, kennst du das Gebot,
küss' ich dir jetzt den Mund so rot,
dass du versinkst in Nacht und Tod!

PRINZ
Alles von dir soll willkommen sein.
Küss mich, und ewig bin ich dein.
Gönn' mir den letzten Liebesgruss,
gib mir, mein Lieb, den Todeskuss!

RUSALKA
Ja, dein Wunsch soll erfüllt dir sein,
bringe es dir auch Todespein,
dich schliessen diese Arme ein!

PRINZ
Deine Umarmung macht von Schuld mich frei,
ich sterbe glücklich, dass endlich Frieden sei!

WASSERMANN
Was nützt es dir, dass er verdirbt,
dass er in deinem Kusse stirbt!
Rusalka, du bist verloren! Wehe!

RUSALKA
Um der Liebe willen, die uns beide eint,
um der Tränen, die wir zwei geweint,
glaube ich, dass Gott unser gedenkt,
und uns gnädig sein Erbarmen schenkt!

Rusalka taucht in den See