Libretto: Apollo et Hyacinthus

from Wolfgang Amadeus Mozart


Apoll und Hyazinth



Personen:
OEBALUS, König von Lakedämonien (Tenor)
MELIA, Oebalus' Tochter (Sopran)
HYACINTHUS, Oebalus' Sohn /Sopran)
APOLLO, Gastfreund des Oebalus (Alt)
ZEPHYRUS, Hyazinths Vertrauter (Alt)

Intrada

ERSTER AKT

Rezitativ

HYAZINTH
O Freund, schon ist alles bereit. Schon wird sich, hoffe ich, mein Vater mit meiner geliebten Schwester zum Opfer, das er angeordnet hat, einfinden.

ZEPHYR
Irr' ich nicht, so ist's Apoll, dem Ihr huldigt.

HYAZINTH
Er ist's.

ZEPHYR
So feierliche Opfer bereitet also Oebalus für Apollo? Weiss er denn nicht, dass noch andere Götter im Himmel sind? Ist also für Semeles Sohn, für Juno, Venus, Diana, Mars, Vulkan, für das mächtige Haupt, den Fürsten der Himmlischen, euer Weihrauch nicht nötig?

HYAZINTH
Wir opfern allen Göttern, Zephyr, keiner geht unbeschenkt aus unseren Tempeln; diesen Tempel aber hat Apoll seiner Ehre vorbehalten. Der Vater verehrt ihn als eine mächtige Gottheit, und nach dem Beispiel des Vaters auch ich.

ZEPHYR
Mein Teurer! Wie gern würde ich mein Herz dir darbringen, wenn du mir mein Apoll wärest!

HYAZINTH
Du lieber Zephyr, warum verwechselst du mich mit Göttern? Der Verehrung achte ich mich nicht für würdig; aber ich weiss wohl, die allzugrosse Liebe zu Hyazinth hat dir diese Worte abgerungen.
Oebalus und Melia treten auf.
Doch sieh! Mein Vater mit meiner Schwester.

OEBALUS
Sage, mein Sohn, ist Opfer und Feuer bereit?

HYAZINTH
Siehe, mein Vater, nach deinem Wunsch ist alles bereit und harrt deiner Ankunft.

OEBALUS
Recht so: der Opferdiener lege also Feuer an den Herd, reichlicher Weihrauch laste auf dem Altar, und der Rauch des Opfers steige zu den Wolken.

MELIA
Ach, mein Vater! Mit schwarzen Wolken steigt ein drohendes Unwetter auf, den ganzen Himmel überzieht die Nacht.

OEBALUS
Heran! Kein längeres Zögern duldet Apoll, er fordert von uns Weihrauch und Opfer. Vor euren Gebeten wird das grause Wetter entfliehn und das freundliche Antlitz der Sonne diesem Land wieder leuchten ... Wohlan! Und sprecht mit mir die Gebete.

Nr. 1 - Chor und Oebalus

CHOR
Gottheit aus Latonas Schoss!
Hör' der Flehenden Gebet,
dreifach würdig du der Ehre,
die sie dir wetteifernd weihn:
deine Güte, deine Huld
folge ihnen immerdar.

OEBALUS
O Apoll, schütze
stets und würdige
deines Lichtes
mein Land Lakonien.

CHOR
Gottheit aus Latonas Schoss! usw.

Ein Blitz löscht das Feuer und zerstört den Altar.

Rezitativ

MELIA
Wehe! Wir sind verloren! Die Gottheit weist unsere Gebete zurück!

OEBALUS
Hat jemand von euch vielleicht den Gott beleidigt?

MELIA
Nein, Vater! Ich bin mir keiner Schuld bewusst.

HYAZINTH
Immer habe ich diesen Gott verehrt.
(Zephyr, ich fürchte, die Worte, die du vorhin gesprochen hast, haben diesen Zorn entzündet.)

ZEPHYR
(Hyazinth, wenn du mein Freund bist, verheimliche dem Vater, verschweige die Worte, die wir vorhin gesagt!)

OEBALUS
Erloschen das Feuer, gestürzt der Altar, verschmäht das Opfer! Grosses Unheil weissagt uns das. Wehe! Von diesem Blitzstrahl erschüttert, zittere ich am ganzen Leibe!

HYAZINTH
Ermanne dich, Vater! Schuldlos ist dein Herz; was kannst du also von der guten Gottheit Böses befürchten? Der Blitz hat dich nicht verletzt, Keiner von uns, so viele wir da sind, ist gestürzt. Wir leben, und alle beglückt Gesundheit wie vorher: der Gott wollte mit diesem Blitz die Erde erschrecken, damit seine Macht der Welt mehr offenbar würde und Gottesfurcht, verbunden mit Vertrauen, in uns sich erhalte.


Nr. 2 - Arie

HYAZINTH
Oft schrecken die Götter,
stehen auf und drohen,
täuschen Krieg vor,
der uns ängstigt,
schleudern Pfeile,
die nicht treffen;
aber nach gespieltem Wetter
lachen sie und scherzen wieder.

Wie durch Huld,
so auch durch Schrecken
binden sie an sich die Völker:
jetzt auf Liebe,
jetzt auf Strenge
ruhet ihre Herrlichkeit.

Oft schrecken die Götter, usw.

Rezitativ

OEBALUS
Ach, mein Sohn, was du sagst, ist wahr, und doch fürchte ich, Apoll könnte durch diese Flamme Oebalus verderben.

Apollo tritt auf.

APOLLO
Apollo hört, o glaubet, eure Bitten, und er verspricht diesem Lande seine Hilfe, wenn ihr ihn nur aufnehmen wollt, den Verbannten, der den Zorn des blitzeschleudernden Jupiter hassen gelernt hat.

OEBALUS
Wie? ... Der Gott, leibhaft gegenwärtig, in diesem Gewand eines Hirten sich verbergend, wünscht in unser Land aufgenommen zu werden?

HYAZINTH
Siehst du, Vater! Wie doch die Himmlischen gern mit uns spielen! Schon bringt der Gott nach der schlimmen Verwundung die Heilung und beglückt dein Königsschloss durch seine Gegenwart.

MELIA
O wie glückverheissend ist das Gestirn, mit dem dieser umwölkte Tag uns erquickt, indem Apoll selbst als erwünschter Gast unser Haus besucht! … O welche Anmut! Welche Schönheit! ... Welche Würde! … Welcher Glanz und welche Hoheit strahlt von allen seinen Gliedern!

APOLLO
Melia! Was siehst du an dem Hirten, das eines so hingerissenen Staunens würdig wäre?

MELIA
Ich sehe ...

APOLLO
Was siehst du? Sprich, Schöne!

MELIA
Ich sehe den schönen Apollo, dem ich schon lange mit meinem Vater mein Herz geweiht habe.

APOLLO
Das du geweiht, das Herz, nimm auch fürderhin nicht zurück! Von allen Gaben der Erde sagt mir diese am meisten zu.

ZEPHYR
(Hyazinthl Wie sehr fürchte ich die Gegenwart des Gottes!)

HYAZINTH
(Auch ich zittere vor seiner schreckenerregenden Hoheit.)

APOLLO
Hyazinth, du wirst immer einen dir zugetanen Freund in mir haben, wenn du den Gott lieben kannst!

HYAZINTH
O grosses Wunder, wenn du Hyazinth Freund sein kannst!

ZEPHYR
(Weh, nun nimmt mir Apollo den geliebten Knaben.)

OEBALUS
Glücklicher Tag! Heilige Gottheit! Tritt ein in mein Haus, und wenn du es für würdig erachtest, darin zu verweilen, so bleib lange, ich bitte dich, bei uns.

APOLLO
Glaub mir, du wirst in mir einen dir geneigten Gott haben.

Nr. 3 - Arie

APOLLO
Bald hüt' ich, Apollo,
als Hirte die Herden
und stehe und wache,
gestützt auf den Stab:
bald will ich's nicht mehr,
kehre ein bei Königen,
bald flöss' ich den Sterblichen
Heiltränke ein.

Betrübte zu trösten
und Kranken zu helfen,
das ist's, was einzig
Apollo bekümmert:
und bleib' ich bei euch hier
und bleib' ich euch gnädig,
kein König wird glücklicher
dann sein als du!

ZWEITER AKT

Rezitativ

OEBALUS
Dem Gott, der dreifach unserer Verehrung würdig ist, wirst du, mein Kind, ich zweifle nicht, deine Liebe weihen?

MELIA
Was sprichst du, Vater? ... Apollo sollte mich, die Sterbliche, auf ehelichem Lager sich verbinden wollen?

OEBALUS
Zweifle nicht daran, Apollo begehrt dich zur Gattin, und ich - aber du entscheide dich frei, meine Tochter - ich habe ihm auf seine Bitte gern meine Einwilligung zugesichert.

MELIA
Kannst du glauben, Vater, dass ich ihm mein Ja verweigern werde? Welches Mädchen würde einen Gott als Gatten, eine so hohe Ehre, verschmähen und ihrem Glück im Weg stehen, wenn sie nicht töricht wäre und ihrer Sinne nicht mächtig?

OEBALUS
Du handelst klug, meine Tochter, wenn du dich für diese Ehe entscheidest; denn so werden dein Bruder und dein Vater, so werden meine Enkel durch ein göttliches Los ausgezeichnet und unser Haus durch diese Hochzeit zu einem Götterhaus.

MELIA
Sage, wo hält Apoll sich auf? … Könnt' ich doch schon seines unvergleichlichen Gesprächs mich erfreuen!

OEBALUS
Mit deinem Bruder übt er sich, und mit Zephyr, im Hain im Diskuswerfen. Aber ich hoffe, er wird bald zurückkommen und in meiner Gegenwart um dein Jawort bitten.

MELIA
Er bitte nur! Er wird alles haben, was sein Herz begehrt.

Nr. 4 - Arie

MELIA
Lust und Scherzen und göttlicher Ehren
Genuss erwartet mich,
wenn Hymen, der treffliche,
mit Fackeln und Kränzen
das beglückende Eheband
knüpft und Freuden schenkt.

Schon werd' ich Göttin heissen,
wenn ich den Gott liebe;
durch Sterne werd' ich schweifen,
auf Wolken treten:
und Städte und Reiche
werden mich verehren,
Faune und Satyrn mich anbeten.

Lust und Scherzen und göttlicher Ehren, usw.

Zephyr erscheint.

Rezitativ

ZEPHYR
O König! Um das Heil deines Sohnes ist's geschehen; Hyazinth liegt zu Boden gestreckt!

OEBALUS
Weh mir! Welch allzuschlimme Nachricht! Ist er tot? Wie geschah's?

ZEPHYR
Vom Diskus getroffen ist er hingestürzt,

OEBALUS
Wer hat nicht gefürchtet, meinen Sohn zu töten?

ZEPHYR
Apollo.

OEBALUS
Ich erzittere!

MELIA
Ihr Himmlischen, wie? Der Gott, der mich glücklich machen wollte, sollte meinem Bruder den Tod gebracht haben? Wer soll dir das glauben?

ZEPHYR
Ich spreche die Wahrheit, ich war Zeuge, als er tödlich getroffen wurde. Kaum war Hyazinth hingestürzt, da floh ich davon, dass nicht ähnliches Unheil mein Haupt treffe.

OEBALUS
So also, Gottheit, schlägst du Schuldlose? ... Die Huld, mit der ich dich aufgenommen habe, verdiente sie durch den Tod meines einzigen Sohnes gebüsst zu werden? ... Gedenkst du, falsche Gottheit, auch Melia so dem Vater zu entreissen?

MELIA
Oh, fern von mir sei, Vater, ihn als Gatten zu wählen und dem Gott, der mit dem Blut meines Bruders befleckt ist, zum Ehebund die Hand zu reichen!

ZEPHYR
(Was hör' ich? An Ehe denkt der Gott? Begehrt er auch die geliebte Melia mir zu rauben? Er, der Hyazinths Liebe mir entrissen, sollte mich auch ihrer Liebe berauben?)

OEBALUS
Zephyr! Was hat den Ruchlosen zu diesem Verbrechen bewogen?

ZEPHYR
Ich weiss nichts. Am lieblichen Ufer des Eurotas weilte dein Sohn, und als er sah, dass sein Diskus dem Ziel am nächsten gekommen war, da rief er: »Mein Diskus, seht, ist weiter als der eure und hat das Ziel erreicht.« Da schleudert Apollo seinen Diskus und lenkt ihn auf des Knaben Haupt. Getroffen stürzt der zu Boden. Ich zweifle nicht, dass die Wucht des Diskus ihn tödlich verletzt hat.

OEBALUS
Hat der Gott kein Bedenken, so zu rasen, dass er den ihm wohlgesinnten Oebalus seines Nachkommen beraubt? So sei die mir feindliche Gottheit aus meinem Reiche verbannt. Auf, Zephyr! Treibe den Schuldigen fort, eh' er noch mehr und Schlimmeres mir antut!

ZEPHYR
König! Dein ist das Reich: du selbst treibe den Ruchlosen hinaus. Dich hat er durch den Tod deines Sohnes gekränkt. Ich fürchte mich vor dem Gott, der den Blitz auf mein Haupt schleudern könnte.
(Ich hoffe, er treibt ihn hinweg, damit mein Anschlag verborgen bleiben kann; ich bin es ja, der den Mord begangen hat!)

OEBALUS
Ich gehe! Ihr bleibet! Wenn der Gott kommt, heiss ihn fortgehen, mein Kind, den grausamen! Ich gehe zum Eurotas-Ufer, meinen Sohn zu sehn, ob er noch lebt. Vielleicht wird mir Apoll begegnen, der Gott, der meinem Reich so feindlich ist.

Er geht ab.

ZEPHYR
(Es geht nach Wunsch, mein Plan gelingt, nun bleibt mir die geliebte Melia.)

MELIA
Ich verstehe nicht, warum Apoll, durch nichts beleidigt, den einzig von ihm geliebten Hyazinth getötet haben sollte. Wie könnte er mich, die Schwester, lieben, wenn er vorher seine Hand mit dem Blut meines Bruders besudelt?

ZEPHYR
Geliebte! Wundere dich nicht, dass Apollo ein solches Verbrechen begangen hat; du kennst den Ruchlosen nicht: er ist schlau, grausam, unbeständig und leichtfertig: darum wurde er ja aus dem Himmel verbannt, damit er durch sein Wüten die Eintracht der Götter nicht störe.

MELIA
Besseres zu glauben von einem so grossen Gott gebietet die Vernunft.
(Und doch ist mein Herz ungewiss, und Furcht und Hoffnung wechseln in meiner Brust.)

ZEPHYR
Melia! Was wälzest du in deinem Herzen? Ah, verwirf den Bräutigam, an dessen Hand das Blut deines Bruders klebt. Beglücke Zephyr, dessen Treue du kennst.

MELIA
Jetzt beschäftigt mich das Schicksal meines Bruders, nicht eine Hochzeit mit Zephyr.

ZEPHYR
Du Harte! Kannst du Zephyr so verachten?

Nr. 5 - Arie

ZEPHYR
Sieh! zwei erblickst du:
den Liebenden, den Mörder,
den Helfer, den Wüterich;
wem reichst du die Hand?
Apoll wird dich töten:
Zephyr wird dich lieben.
Wer die Rechte benetzt
mit dem Blute des Bruders,
noch mehr wird er wagen
an der zarten Schwester:
wen wählt kluge Wahl?

Rezitativ

ZEPHYR
Ha! Der Gott! Schau hin! Er lenkt seinen Schritt hierher; Melia, was tun wir? Sag, wo finden wir Zuflucht? Ich fürchte mich vor dem Grimmigen.

MELIA
So gibst du mich allein preis? Bleib! Bewährt sich so die Treue, derer du dich rühmtest?

ZEPHYR
Schütze mich, ich flehe dich an, vor dem Gott! Ich bin unschuldig!

Apollo tritt auf.

APOLLO
Da bist du, Mörder! Unerhörten Betruges Meister! War's nicht genug, dass du mir meinen Freund Hyazinth geraubt hast? Versuchst du, Schurke, zugleich auch meine Braut mir zu nehmen und mehrst dein Verbrechen, Lügner, durch neue Verbrechen? Ruchloser! Erfahre sogleich, was die Gottheit, dir zürnend, vermag! Erfahre die Rache des liebenden, aber auch Verderben bringenden, mit Gerechtigkeit Verderben bringenden Gottes! Ihr Winde, heran! Aeolus, schliess den Verbrecher ein in deine Höhle!

ZEPHYR
Was ist? Weh mir!

Zephyr wird in einen Wind verwandelt und fortgetragen.

MELIA
Was tust du, Gott, in deinem Grimme! Willst du meines Vaters Reich entvölkern? Der Bruder ist tot, nun bringst du auch Zephyr um? Tyrann! Jetzt wirst du noch Melia und den König vernichten?

APOLLO
O Liebe!

MELIA
Wie! Du wagst mich Liebe zu nennen? Grausamer!

APOLLO
Wenn es dir nicht zuwider ist, mich anzuhören …

MELIA
Es ist zuwider, schweige! Verlass auf der Stelle unser Reich! Mein Vater gebietet es, damit du nicht noch mehr Unheil anrichtest!

APOLLO
(O lege doch endlich den Blitz aus der Hand, Vater der Götter! Wie lange wird dein Zorn mich Unseligen verfolgen?)

Nr. 6 - Duett

MELIA
Entweiche, du Böser! Mich freut's,
wenn der Tyrann mich verlässt!
Pah! Du Frecher,
der das Recht bricht!
Entweiche! Entweiche,
denn ich fürchte mich vor dir!

APOLLO
O glaube doch, treu ist und milde
Apollo, voll Liebe zu dir.
Einen Schuldlosen,
Harte, verwirfst du!
Einen Freund verlierst du,
wenn du mich verschmähst.

Soll ich, hilflos gegen des Himmels Groll,
auch auf Erden den Verbannten spielen?
Ich will bleiben!
Bis der Zorn, der das Herz verwundet,
der grimmige, sich gelegt hat,
verberg ich mich,

MELIA
Entweiche, usw.

DRITTER AKT

Rezitativ

HYAZINTH
Er nicht ...

OEBALUS
Wer also, mein Sohn? Wenn du deinen Vater liebst, sage, wer dein Mörder ist!

HYAZINTH
Zephyr ... Ach! wenn doch ... der Gott ... da wäre! ...

OEBALUS
O weh! Jetzt stirbt er! ...

HYAZINTH
O Vater! Der Tod … ist … bitter!

OEBALUS
Mein Sohn!

HYAZINTH
Vater! ... Ah! Leb wohl! ...
Er stirbt.

OEBALUS
Hyazinth! … Mein Sohn! ... Sein Leben ist zu Ende ... Er atmet nicht mehr! ... »Apollo ist unschuldig«, hat er gesagt. »O Vater, glaube mir, er nicht! Zephyr ist an meinem Tod schuld.« So also gehst du mit mir um, Zephyr, du Erzlügner! So scheust du dich nicht, den Gott selbst eines so grossen Verbrechens zu bezichtigen und mich, deinen König, zu betrügen? Blutdürstiger, mit deinem eigenen Blut werde ich dich dein Verbrechen büssen lassen! ... Sollte ich den Tod meines Sohnes ungerächt lassen?

Nr. 7 - Arie

OEBALUS
Wie auf tobendem Meer ein Schiff über Berge,
durch Täler der Wogen geschleudert wird,
bald steht es oben, den Wolken nahe;
bald schwimmt es tief unten, dem Tartarus nah:
so ergiesst sich vom rachedrohenden Herzen
die Galle durch meinen Leib, meine Adern, meine Glieder;

Wut reisst mich empor;
Schmerz drückt mich nieder.
Zorn und Rachedurst
schütteln mich unablässig.

Wie auf tobendem Meer usw.

Melia erscheint.

Rezitativ

MELIA
Wohin ich mich wende, überall habe ich die entsetzlichen Taten des grausamen Gottes vor Augen. Zuerst hab' ich Zephyrs Ende gesehen, jetzt sehe ich meinen Bruder, den schuldlosen, in seinem Blute liegen.

OEBALUS
Was kommst du hierher, meine Tochter, ohne Begleitung? Ist der Mörder schon entflohen?

MELIA
Dem hab' ich befohlen, augenblicklich unser Reich zu verlassen: der ruchlose Gott hat sich nicht gescheut, auf Mord neuen Mord zu häufen.

OEBALUS
Was sagst du, meine Tochter? Von welchem Mord sprichst du?

MELIA
O König! Er hat den Freund dahingerafft, Zephyr, und ihn vor meinen Augen von den Stürmen zerreissen lassen.

OEBALUS
Oh, gerecht ist Apollo, wenn er das Verbrechen straft, das der verräterische und unbarmherzige Zephyr dem Gott zugeschoben hat! Er ist der Urheber des Mordes, Tochter, nicht Apollo: Zephyr hat nicht gezögert, den Diskus auf deinen Bruder zu schleudern.

MELIA
Aber woher, Vater, konntest du das erfahren?

OEBALUS
Mein Sohn hat es mir gesagt, denn ich fand ihn noch lebend. In meinen Armen ist er verschieden.

MELIA
Weh mir! Wie, Vater? Warum hast du dann befohlen, dass der Gott dein Reich verlasse?

OEBALUS
Vom Schmerz bewegt, Tochter, und durch Zephyrs Hinterlist betrogen hab' ich das befohlen, ich erinnere mich. Wer hätte ein so ruchloses Verbrechen von Zephyr befürchtet?

MELIA
O Vater! Nun sind wir alle ganz und gar verloren! Der Gott, auch der Gott hat uns verlassen. Glaub' mir, er wird eine solche Schmach nicht ungestraft lassen.

OEBALUS
Wie, Tochter? Du glaubst, der Gott habe uns schon verlassen?

MELIA
Ich zweifle nicht, denn ich selbst habe Apollo aufgefordert, dein Reich zu verlassen, unser Haus zu meiden. Dass ich ihn doch zurückrufen könnte!

OEBALUS
Wehe! Was für unheilvolle Schickungen kommen heute über uns!

Nr. 8 - Duett

OEBALUS
Der Sohn tot, der Gott,
ohne dass ich es will,
ohne dass ich es weiss,
beleidigt, verlässt uns.
Ohne Gottes Schutz
wird das Reich nicht lang bestehen:
o Gott, ich flehe, lass
dich umstimmen,
kehre zu uns zurück!

MELIA
Der Bruder tot,
auf dein Geheiss,
zu meinem Schmerz
verlässt mich der Verlobte.
Braut ohne Bräutigam,
ich bitte dich,
wen soll sie lieben?
Strafe nicht die Geliebte!
Gottheit, ach, kehre zurück!

Apollo tritt auf.

Rezitativ

APOLLO
König! Die Liebe zu Hyazinth zwingt mich zurückzukehren. Verzeih, dass ich als Gott es wage, dein Reich durch meine Gegenwart zu beglücken! Lerne, was die Gottheit vermag! Hyazinth, steh auf! Bedecke dein Grab mit der Blume, die dir gleicht und nach dir heisst.

Hyazinths Leiche versinkt, die Stelle bedeckt sich mit Hyazinthen.

OEBALUS
Was sch' ich? … Dem Leib meines Sohnes entspriessen Blumen? ...

MELIA
O allmächtige Gottheit! Vor Scham errötend bekenne ich mich schuldig. Auf Zephyrs Wort, auf meines Vaters Befehl habe ich alles getan, was ich getan habe.

OEBALUS
Gütiger Gott, vergib! Unwissend, wer den Mord vollbracht, hab' ich dem Schurken Zephyr vertraut und geglaubt, dass durch deine Schuld mein Sohn den Tod gefunden. O wieviel Unheil hat der Ruchlose über mein Reich gebracht, wenn du nicht Gnade übst!

MELIA
O Gottheit! Glaube nicht, dass ich dich verschmäht habe, weil ich dich weggehn hiess. Unklug war ich, allzu leichtgläubig, und der Zorn entriss mir Worte, die der Schmerz über den Tod meines Bruders mir eingab.

APOLLO
Sei getrost, o König! Apoll wird dein Reich nicht meiden. Er bleibt und wird bleiben, wenn du dein Versprechen wahr machst.

OEBALUS
Ich verstehe! Sieh, meine Tochter, der Gott würdigt dich, zu seiner Gemahlin dich zu wählen.

MELIA
Soll ich glauben, dass er, ein Gott, Melia lieben kann?

APOLLO
O glaube! Selbst Jupiter pflegt oft sterbliche Frauen zu lieben; denn Sache der Götter ist es zu lieben, die eure, geliebt zu werden.

MELIA
Gottheit, sieh deine Magd, die an Stelle ihres Vaters ihr Herz dir anträgt.

OEBALUS
Siehe, wenn eine sterbliche Braut dir gefallen kann, Apollo, so empfange meine Tochter aus meiner Hand und bleibe für immer in meinem Reich. Hyazinth ist tot; ein anderer Hyazinth wirst du mir sein, wenn du dich herablässt, als mein Schwiegersohn bei uns zu verweilen.

APOLLO
Oebalus! Mit Freuden empfange ich von dir Melias Hand und werde dir immer freundlichen Beistand leisten.

MELIA
So strahlt deine Gerechtigkeit, Gott, heller hervor.

OEBALUS
So entgeht dem Unschuldigen nicht der gebührende Lohn.

APOLLO
So werden künftige Geschlechter deine Milde preisen.

Nr. 9 - Terzett

APOLLO
Endlich nach stürmischen
Wettern und Blitzen,
Grollen des Donners
Grünt uns der Friede
Und tut sich auf.

MELIA
Nach schneidenden Schmerzen
vereint uns der Liebe entzückender Bund.
Nach glücklicher Fügung
kröne uns die Ehe und richte dich auf.

OEBALUS
Nach wütenden Kämpfen
vereint euch der Liebe entzückender Bund.
Nach erwünschter Fügung
krönt euch die Ehe und richtet mich auf.

APOLLO
Nach Schreckens Gespenstern
vereint uns der Liebe entzückender Bund.
Nach erwünschter Fügung
kröne uns die Ehe und richte dich auf.