Iphigenie auf Tauris
ERSTER AKT
Zunehmend stürmische See: Felsen zu beiden Seiten.
Die Vorhalle zum Tempel der Diana
ERSTE SZENE
Iphigenie und die Priesterinnen beten für die Besänftigung des Sturms
Introduktion und Chor
IPHIGENIE
Ihr Götter, besänftigt euch wieder!
Euch rührt unser Flehn, unser Schmerz.
O donnert auf Strafbare nieder!
Kein Laster befleckt unser Herz.
CHOR DER PRIESTERINNEN
Ihr Götter, besänftigt euch wieder! usw.
IPHIGENIE
Sind diese Gestad' euch verhasset,
So wollen wir gerne sie fliehen.
O winkt uns, ihr Götter, und lasset
Nach andren Gestaden uns ziehn.
CHOR DER PRIESTERINNEN
Ihr Götter, besänftigt euch wieder! usw.
IPHIGENIE
Von euren geweihten Altären
Verbannet die heilige Wut!
Lasst künftig nicht mehr euch zu Ehren
Vergiessen der Schuldlosen Blut!
CHOR DER PRIESTERINNEN
Ihr Götter, besänftigt euch wieder! usw.
Der Sturm hat sich gelegt
IPHIGENIE
Die Götter, denen wir geflehet
Sind wieder ausgesöhnt mit uns.
Die Ruhe kehrt zurück, doch tief in meiner Brust,
Weh mir, rast noch das Ungewitter.
ERSTE PRIESTERIN
Wie, Iphigenie, welch Unglück fürchtet sie?
ZWEITE PRIESTERIN
Wo kommt der Schauder her, der deine Seele ergreifet?
IPHIGENIE
O Himmel!
ERSTE PRIESTERIN
Rede doch, geliebteste Prinzessin!
Ein Schicksal haben wir, fern von dem Vaterlande,
Geführet so wie du an diesem Jammerort,
Sprich, nahmen wir nicht stets an deinem Kummer teil?
IPHIGENIE
Ich sah in dieser Nacht die Burg der Ahnen wieder.
Ich fühlte schon des Vaters Segenskuss
Vergass bei dessen Süssigkeit
All seine Grausamkeit und fünfzehn Qualenjahre.
Der Boden zittert unter mir,
Die Sonne flieht erzürnt aus der verhassten Gegend,
Ein Feu'r durchglänzt die Luft, der Donner rollet hinab,
Und der Palast stürzt ein, ergriffen und verzehret.
Und aus den Trümmern, aus dem Rauch
Kommt eine Stimme zärtlich klagend:
Dies Klagen rühret mich, es dringt mir an die Seele!
Hin flieg ich, wo es sich erhob.
Mein Vater, weh mir, den seh ich fliehend,
Und blutig und durchbohrt. Ich sah ein Schreckensbild,
Das mordgierig ihn verfolgte:
das Schreckensbild war meine Mutter.
Sie reichet mir ein Schwert und dann verschwindet sie.
Ich will enifliehn: man ruft «O bleib! Es ist Orestes!,
Und einen Elenden seh ich, biet ihm die Hand,
Zu retten wünsch ich ihn. Ein trauriges Verhängnis
Zwingt meinen Arm, die Brust ihm zu durchstossen!
CHOR DER PRIESTERINNEN
Grausame Nacht voll Schreckensszenen!
O Ahnung, wie wird's uns ergehn?
Dein Zürnen, ist's nicht zu versöhnen?
Durch Tränen nicht, o Himmel, nicht durch Flehn?
Rezitativ und Arie
IPHIGENIE
O Pelops Geschlecht! Von der Götter Grimm geschlagen!
Denn an den spätsten Enkel noch
Straft ihre Rächerhand des Tantalus' Verbrechen!
Der Helden Held, der Götter Sohn,
Mein edler Vater steigt zum Erebus hinunter.
Mein Bruder, er bleibt meiner Hoffnung Ziel.
Er, sagt' ich tröstend mir, wird meine Qualen enden.
O mein Orestes' O mein Bruder!
Du trocknest nimmermehr der Schwester Tränen ab.
ZWEITE PRIESTERIN
Gib doch der Hoffnung Raum in deiner bangen Seele;
Die Götter werden dir den edlen Jüngling schützen.
Nur hoffe noch!
IPHIGENIE
Nein, nun hoff ich nicht mehr.
Solang ich leb, o nur um ihren Zorn zu fühlen,
War Schmach in meine Tag' und Unglück stets verweht.
Nun füllen sie das Mass und rauben mir Orestes.
Arie
O du, die mir das Leben gab,
Nimm dies Geschenk, o nimm es wieder!
Diana, dir fleh ich, lass sinken mich ins Grab.
Gib jenseits dieses Grabs mich meinem Bruder wieder.
Der Tod nur rettet mich,
Sonst hoff ich keinen andern Retter;
Denn wider mich empörten sich
Mein Volk, mein Vater und die Götter.
O du, die mir das Leben gab, usw
CHOR DER PRlESTERlNNjN
Macht denn der Himmel nimmermehr
Versiegen unsre Tränenquelle
Ach, jeden Tag bezeichnet er
Durch seinen Zorn und neuen Unglücks Welle.
ZWEITE SZENE
Thoas und Wachen treten auf
Rezitativ und Arie
THOAS
für sich
Auf jeden Schritt folgt mir nur Unheil nach.
Von der Verzweiflung Ruf erhallet dies Gewölbe.
zu Iphigenie
Zerstreue, Priesterin, des Thoas bange Furcht.
Du kennst der Götter Wink, dein Flehn wird sie versöhnen.
IPHIGENIE
Der Himmel ist, weh mir, bei meinem Flehen taub.
THOAS
Ha, Tränen sind es nicht; Blut ist es, was er fordert.
IPHIGENIE
Welch schaudervolles Opfer!
versöhnt man Göttergrimm durch Blutbegier und Mord?
THOAS
Der Himmel hat durch Wunderwerke
Anscheinend dir sich kundgetan.
Mein Leben ist bedroht, so sagt es das Orakel,
Wenn jedes Fremden Blut, den her sein Schicksal führt,
Nicht ihrem Grimm geopfert wird.
Arie
Wie bittre Ahnung mir das Innerste durchwühlet,
Welch unbekannter Schmerz die ganze Seele füllet.
Verhasst ist mir das Licht, und dunkler wird's um mich.
Es nagt an mir wie Schlangenbisse,
Der Boden unter mir stürzt ein und tut sich auf,
Und schon verschlingt der Hölle Rachen mich
In seine tiefen Finsternisse.
Ich weiss nicht, welche Stimm' in meiner Seele hallt:
»Zittre, schon nahet sich der Rächer!«
Die Ungewissheit selbst, die quält mich desto mehr.
Schon rauschet voller Grimm der Rache Donner her,
Schon überschwebt er mich Verbrecher!
DRITTE SZENE
Die Skythen stürzen herein
CHOR DER SKYTHEN
Besänftigt ist der Götter Wut,
Da sie uns selbst das Opfer senden,
Verspritzt mit heil'gen Händen
Sei beider Fremden Blut.
IPHIGENIE
für sich
Ich zittre schon!
THOAS
Empfang, o Himmel, unser Opfer!
Wie gross ist nicht das Glück und wie so unerwartet!
EIN SKYTHE
Zwei Jünglinge, zwei Griechen strandeten.
Sie stritten wider uns mit löwengleicher Stärke.
Nun endlich streckten sie die Waffen
Nach einem mühevollen Kampf. Von ihnen einer
Schien voll düsterer Verzweiflung.
Und immer waren ihm im Mund
Die Worte »Reue« und »Verbrechen,
Das Leben hasset er und wünschet sich den Tod.
CHOR DER SKYTHEN
Besänftigt ist der Götter Wut, usw.
IPHIGENIE
Ihr Götter, o erstickt in mir des Mitleids Stimme!
Geheiligt Ist das Amt, doch, weh mir, grausam auch!
THOAS
zu Iphigenie
Nun eil, bald folgen dir die Opfer zum Altar.
Denn ich, den sein betrübt Verhängnis bedrohet
Mit der Götter Zorn, könnt eure Feier
Leicht durch meinen Anblick stören.
Iphigenie und Priesterinnen ab
VIERTE SZENE
THOAS
zum Volk
Ihr, singt den Göttern, die uns schützen,
Einen kriegerischen Gesang.
Euer Flehn dränge sich zu ihrem Sitz empor!
CHOR DER SKYTHEN
Blut allein nur kann den göttlichen Zorn wenden.
Sehet, gefesselt sind sie, sehen bereits den Altar.
Der Himmel liess sich herab, uns selbst das Opfer zu senden.
Gross sei und festlich der Dank, gross, wie die Wohltat es war.
Von dem geheiligten Stahl triefe der Fremdlinge Leben.
Unser Gestade soll nun nimmer ihr Anblick entweihn.
Ihr Blut, den Göttern sei's gegeben,
Und von der Schuld mach es uns rein!
Ballett
FÜNFTE SZENE
Orestes und PyIades werden in Ketten hereingeführt
THOAS
Elende, welch Geschick hat euch zu eurem Unglück
In meine Lande hergeführt?
PYLADES
Geheimnisvoll ist unser Plan.
Die Götter wollen's so, und du erfährst ihn nie!
THOAS
Für deine tolle Kühnheit
soll lohnen dich der Tod! He, Wache, fort mit ihnen!
ORESTES
Zu Pylades
Und ich, mein Freund, ich führe dich zum Tod!
Die Wachen führen Orestes und Py/ades ab
SECHSTE SZENE
CHOR DER SKYTHEN
Blut allein nur kann usw.
ZWEITER AKT
Ein für die Opfer bestimmter Raum im Tempel; Pylades und Orestes in Ketten.
Auf der einen Seite ein Altar
ERSTE SZENE
PYLADES
Welch Schweigen schaudervoll! Und welche düstre Schmerzen.
Wie, antwortest du mir durch tiefes Seufzen nur?
Vermag der Tod so viel aufs Heldenherz?
Bin ich nicht Pylades, und bist du nicht Orestes?
ORESTES
Ihr Götter, diesem Greuel habt ihr mich aufbewahrt?
Vom blinden Ungefähr ein mitleidwertes Opfer,
Irr ich umher, verstossen überall,
Und bin zur Blutschuld nur geboren.
PYLADES
Was sagst du? Welch Reue,
Welch neue Blutschuld? Sprich!
ORESTES
Ich führte dich zum Tod.
So war es nicht genug, dass diese Mörderhände
In meiner Mutter Brust den Dolch gestossen haben?
ihr Götter spartet mich zu neuer Trübsal auf.
Nur einen Freund hatt' ich und bin sein Henker nun.
Arie
Ihr, die ihr mich verfolgt, ihr zwanget mich zur Sünde.
Lasst die Hülle unter mir öffnen all ihre Schlünde.
Zu gelinde für mich ist alles, was sie droht.
Freundschaft, dich gab ich preis, hab, Natur, dich verraten.
Wie Berge häuft' ich auf die grössten Freveltaten,
Schlägt mich, ihr Götter, rächt euch durch meinen Tod!
PYLADES
O wie beleidigend für den, der dich so liebet!
Freund, sei gefasst, als Helden sterben wir.
Entehr in deinem blinden Eifer nicht deinen Pylades,
Die Götter und dich selber!
Warum erfüllt mein Tod, wär' er auch unvermeidlich,
Warum erfüllt er dich mit eitlem Schrecken?
Ich bin nicht so beklagenswürdig;
An deiner Seite sterb ich ja.
Arie
Befreundet waren wir schon lange
Und wünschen nur das eine;
So ist mein Herz nicht bange,
Wenn uns das Los vereine.
Mag das Schicksal uns bekriegen,
Folg gelassen, wenn es ruft;
Denn es wird in einer Gruft
Unser Staub zusammenliegen.
ZWEITE SZENE
Ein Aufseher des Heiligtums und die Tempelwache treten auf
AUFSEHER
Elende Fremdlinge, getrennt müsst ihr sein!
zu Pylades
Du, folg mir!
PYLADES UND ORESTES
Ach Götter, was wagst du zu gebieten?
ORESTES
zu Pylades
Nein, verlass mich nicht, Freund von so seltener Treue!
PYLADES UND ORESTES
zur Wache
Grausame, muss man flehn zu euch?
Eilt mit dem Tod, den man uns droht,
Nur lasst zugleich empfangen uns den Streich.
Schreckbarer als das Schwert, als Scheiterhaufens Gluten
Ist dieser Augenblick der Trennung!
AUFSEHER
So will es das Gesetz, die Götter wollen's so.
zur Wache
Ihr, führt ihn fort
ORESTES
Halt ein!
PYLADES
Weh mir!
ORESTES
Ihr Ungeheuer!
Pylades wird von der Wache und dem Aufseher abgeführt
Man reisst ihn fort, o Qual! Mein Freund, er stirbt für mich!
DRITTE SZENE
ORESTES
Ihr, die ihr schützt dies schreckliche Gestade,
Ihr, voller Durst nach Blut, vertilgt, o Götter, mich!
er fällt zu Boden
Wo bin ich? Den Stürmen folgt
eine nie gehoffte Stille.
Arie
Der Frieden kehret in mein Herz!
Der Götter Grimm ist nun, mich zu verfolgen, müde!
Ich bin an meiner Qualen Ziel.
Ihr Rächer im Olymp,
So schenkt ihr endlich Ruh' mir!
Der Frieden kehret in mein Herz!
Er schläft vor Erschöpfung ein
VIERTE SZENE
Die Eumeniden erscheinen und umringen Orestes. Während die einen mit drohenden
Gebärden um ihn herum tanzen, sprechen die andern zu ihm. Orestes wacht während der
ganzen Szene nicht auf
EUMENIDEN
Lasst die Natur uns rächen und die Gottheit, welche zürnt,
Erfinden neue Qual! Er ist ein Muttermörder!
ORESTES
Ach! Ach! Ach!
EUMENIDEN
Keine Gnade, er ist ein Muttermörder!
Lasst die Natur uns rächen und die Gottheit, welche zürnt!
ORESTES
Ach, welche Qual! Ach, welche Qual!
EUMENIDEN
Für ihn noch zu gelind;
Lasst die Natur uns rächen, und die Gottheit, welche zürnt!
Er ist ein Muttermörder!
Der Schatten Klylämnestras erscheint unter den Furien und verschwindet sofort wieder
ORESTES
Ein Geist! Ach, schonet mich!
EUMENIDEN
Keine Gnade! Er ist ein Muttermörder!
ORESTES
Ach, welche Qual! Ach, schonet mich!
EUMENIDEN
Ihn schonen? Das Ungeheuer? Er ist ein Muttermörder!
Lasst die Natur uns rächen und die Gottheit, welche zürnt!
ORESTES
Ach schonet mich!
Ach, welche Qual! Ach, schonet mich!
EUMENIDEN
Lasst gleichen unsre Wut
Der Wut von diesem Mörder
Der Greul, o nie versöhnt er sich!
ORESTES
Ach, schonet mich!
Ach, Grausame!
Er bemerkt Iphigenie
Meine Mutter! Gott!
FÜNFTE SZENE
Die Türen zum Opferraum werden geöffnet. Die Priesterinnen treten auf, während die Eumeniden verschwinden.
IPHIGENIE
zu Orestes
Ich seh es, Schrecken
Muss dir meine Gegenwart erwecken.
Doch konnte jemals doch dein Aug',
Du armer Fremdling, hier in meinem Herzen lesen.
So sehr ich dich beklag, auch du beklagtest mich.
ORESTES
für sich
O, welche Züge, welche Ähnlichkeit'
IPHIGENIE
zu den Priesterinnen
Macht ihm die Fesseln los.
zu Orestes
Welches Land hat dich geboren?
Was brachte dich hier an diesen Schreckensort?
ORESTES
Was Forschest du, mich Elenden zu kennen?
IPHIGENIE
O sprich!
ORESTES
für sich
Was, Götter, sag ich ihr?
IPHIGENIE
Ein Seufzer dringt aus deinem Herzen.
Wer bist du?
ORESTES
Elend genug! Mehr brauch ich nicht zu sagen.
IPHIGENIE
Ich fleh um Antwort dich! O sprich, wo kommst du her?
Und wer gab dir das Leben?
ORESTES
Du willst? Geboren ward ich in Mykene.
IPHIGENIE
Was hör ich, Götter, wie? Fahr fort, gib Kundschaft uns,
Was Agamemnon ward, was aus den Griechen wurde?
ORESTES
Agamemnon?
IPHIGENIE
Woher der Schmerz, der dich ergreift?
ORESTES
Agamemnon!
IPHIGENIE
In Tränen seh ich dich!
ORESTES
Ein Meuchelmord stürzt' ihn ins Grab.
IPHIGENIE
für sich
Weh mir!
ORESTES
für sich
Ha, wer ist diese Frau?
IPHIGENIE
Welch grässlich Ungeheuer
erhob wider diesen Held den frevelhaften Arm?
ORESTES
O frage nicht, bei allen Göttern, schweig!
IPHIGENIE
Bei allen Göttern, sprich!
ORESTES
O dieses Ungeheuer ist...
IPHIGENIE
Fahr doch fort, ich fühle Todesangst!
ORESTES
...sein Weib!
IPHIGENIE
O Götter, sie, Klytämnestra!
ORESTES
Sie selber!
PRIESTERINNEN
Entsetzlich!
IPHIGENIE
Und sahen die Rächer im Olympos
Dem Greul schweigend zu?
ORESTES
Sie sahen und straften ihn.
Sein Sohn....
IPHIGENIE
O Gott!
ORESTES
... Er rächte seinen Vater!
IPHIGENIE UND PRIESTERINNEN
Wie ein Verbrechen hier noch ein viel grösseres zeugt!
ORESTES
Wie schrecklich quält
der Reue Stachel mich!
IPHIGENIE
Und dieser Sohn, des sich der Götter Zorn bediente,
Der ihrer Rächerhand ein traurig Werkzeug war?
ORESTES
Der fand zuletzt den Tod, den er so heiss verlangte.
Elektra blieb allein von allen in Mykene.
IPHIGENIE
für sich
Geschehn ist's. Hin sind sie, die meinen, alle hin!
Betrübte Ahnungen, so täuschtet ihr mich nicht!
zu Orestes
Entferne dich, genug bin ich unterrichtet.
Orestes ab
SECHSTE SZENE
IPHIGENIE
O Himmel! Meiner Qualen Ursach' du und Zeuge!
Geniess des Jammers Mass, in das du mich geworfen;
Vergrössert werden kann es nicht.
CHOR DER PRIESTERINNEN
O du, voll Todeswunden,
An die ein süsses Band
Stets unser Herz gebunden,
Bist hin für uns, o Vaterland!
Arie mil Chor
IPHIGENIE
O lasst mich Tiefgebeugte weinen'
Dahin, dahin sind all die meinen.
Ihr habt nicht Herrscher mehr, und ich bin elternlos.
Auch euer Jammer ist so wie der meine gross.
Ihr habt nicht Herrscher mehr, usw.
O lasst mich Tiefgebeugte weinen'
Dahin sind all die meinen, usw.
CHOR DER PRIESTERINNEN
Auch unser Jammer ist so wie der deine gross.
IPHIGENIE
Ihr habt nicht Herrscher mehr, und ich bin elternlos.
CHOR DER PRIESTERINNEN
All unsre Hoffnung, war, weh uns, nur auf Oresten.
Auch diese Hoffnung trog, nichts kann uns weiter trösten.
IPHIGENIE
Diesen toten Helden ehrt mit mir.
Ehrt die Manen meines Bruders.
Die heilige Pflicht muss erfüllt werden.
Bringt mir die Totenurne!
Gewähren wir diesem uns so teuren Schatten
Die Totenehren, die ihm gebühren'
Man bringt die Urne. Die Begräbnisfeier beginnt
CHOR DER PRIESTERINNEN
O heilige Manen, du klagender Schatten,
Werft ein Aug' auf unser Leid.
Die letzten Tränen, die wir hatten,
Benetzten unser Trauerkleid.
Arie
IPHIGENIE
O mein Bruder, spür
Meinen heftigen Schmerz,
Damit deiner Schwester leidendes Herz
Hinabsteigen kann zu dir.
CHOR DER PRIESTERINNEN
O heilige Manen, du klagender Schatten, usw.
DRITTER AKT
In Iphigenies Gemach. Iphigenie und Priesterinnen
ERSTE SZENE
Rezitativ und Arie
IPHIGENIE
Es sei so, wie ihr wollt.
Von unserm Jammerstande
Lasst uns Elekira unterrichten.
Dem kalten Arm des Todes entreiss ich doch ein Opfer,
Befriedig auf einmal ein Herz und die Natur.
Für einen dieser Elenden,
Verdammt zum Tod durch unser Mordgesetz,
Fühl ich ein zärtlich Mitleid sprechen.
Es ketten mich an ihn verborgne Ahnungen....
Orestes war in seinen Jahren..
Hier der Unglückliche ruft mir sein Bild zuruck.
Ich seh Orestes' Züge in seinem edlen Stolz.
Arie
O sein Bild, zu fest gebunden
Ist es noch an dieses Herz.
Noch lindert Hoffnung meinen Schmerz,
Ob die Hoffnung alle gleich verschwunden.
Unnütz zwar, doch süss Gefühl,
O vergeh, du schöner Traum, vergehe!
Ach, es si im Orkus nur,
Dass ich dich, mein Orest, wiedersehe.
ZWEITE SZENE
Orestes und Pylades werden hereingeführt
EINE PRIESTERIN
Hier siehst du sie, die Fremdlinge.
IPHIGENIE
Geh, einen Augenblick lass mich allein mit ihnen
Die Priesterin ab
DRITTE SZENE
ORESTES
Pylades entgegeneilend
O unverhoffte Freude!
So kann ich dich umarmen noch zum letztenmal!
PYLADES
Mein Los ist minder hart, weil ich dich wiedersehe!
IPHIGENIE
Wie dieser Anblick doch mein fühlend Herz verwirret!
Mich weinen sahst du, ich konnt' es nicht ersticken,
O Schmerz, und könnt es jemand wohl
Bei deiner kläglichen Erzählung?
Denn lenkte gleich hierher der Himmel unsern Schritt,
So lebten wir doch einst in sanften Gegenden,
Und Griechenland war vormals unsre Heimat.
PYLADES
Wie? Einer Griechin Hand soll uns das Leben rauben?
IPHIGENIE
O, dies zu retten gäb ich meines willig hin.
Doch Thoas fordert Blut.
Sein grausam frommer Eifer verdoppelt die angedrohten Übel,
Macht' ich euch beide von Fesseln frei!
Terzett
IPHIGENIE
Jedoch des Wütrichs Wut kann ich zum Teile täuschen,
Dass einer unter euch dem Tod entrissen sei.
PYLADES UND ORESTES
Ha, du musst leben, du musst gerettet sein!
IPHIGENIE
Kann ich von dem, der mir das Leben danket,
Wohl einen Gegendienst erwarten?
PYLADES UND ORESTES
O vollend!
Ich hafte für seine Dankbegierde!
IPHIGENIE
Auch meine Vaterstadt ist Argos, wie die eure.
Noch hab ich liebe Freunde dort. Drum schwöre(,
Dass ein Brief getreu sei überbracht.
PYLADES UND ORESTES
Bei den Unsterblichen! Dir soll Gehorsam werden!
IPHIGENIE
So muss eh unier euch ein Opfer mir erwahlen.
O Schmerz, dass durch mein Bemühen
Ich beiden Freunden nicht das Leben retten kann!
Ach, einer unter euch muss sterben!
für sich
Zerrissen ist mein Herz!
Doch zssingt mich harte Pflicht zur schaudervollen Wahl!
zu Oresi es
Reis du denn nach Mykene!
ORESTES
Ich reisen? Er soll sterben?
O Gott
IPHIGENIE
Erfülle meinen Wunsch, schick dich zur Reise an.
Ich eile, sie zu fördern.
ab
VIERTE SZENE
PYLADES
O unverhoffies Glück! So kann denn meinem Freund mein Tod das Leben reiten?
ORESTES
Und dich? Ich willigt' ein, dass man es dir entrissen?
Liebst du mich? Sprich!
PYLADES
Und du, du kannst noch fragen?
ORESTES
Liebst du mich?
PYLADES
Welche Wut, Orest, hat dich ergriffen?
ORESTES
Entsag der Wahl der Priesterin!
PYLADES
Nein, nie entsag ich ihr, sie ist mir allzu teuer!
Duett
ORESTES
Und du behauptest noch, dass du mich liebtest?
Du, der den Göttern trotzt, sein Leben kühn verschwend't?
PYLADES
Die Götter schützen deins, verlängern dessen Lauf;
Ich folg nur ihrem Winke nach.
OR ESTES
O, so verschwörst auch du mit diesen Göttern dich.
Um meine Qual noch bitterer zu machen?
PYLADES
Was forderst du von mir?
OR ESTES
Dass du mich sterben lassest!
PYLADES
Nein, hoff es nicht von mir!
ORESTES
O Freund, lass dich erbitten!
PYLADES
Barbar!
PYLADES UND ORESTES
Erweich, o Gott, sein Herz,
Schütz mir nur meinen Freund, mach, dass er mich erhöre.
Mein Blut sei ganz dir aufgeopfert,
In diesem kühle deinen Zorn.
ORESTES
Wie! Diese Grausamkeit, kann ich sie nicht besiegen?
Wie? Weigert sich dein Herz bei meinen Wünschen stets?
Weisst du denn nicht, dass für Orestes
Das Leben nichts als Jammer hat?
Weisst du denn nicht, an diesen Môrderhänden
Klebt noch das Blut, das ich verspritzt!
Weisst du denn nicht, dass stets der Holle Zorn
Versammelt um mich her die schwarzen Eumeniden?
Sie folgen mir auf jedem Schritt.
Hier sind sie! Ihre Hand mit Schlangen noch bewaffnet!
Wo fliehn? Und wie? Auch du fliehst und verabscheust mich?
Du gibst mich ihnen preis? Genug, ihr grossen Götter!
PYLADES
Und wie? Verkennst du Pylades, der dich bittet?
ORESTES
Nun, Pylades' Bist du's, der sterben soll?
PYLADES
Ihr Götter, wird sich denn nie lindern euer Zorn?
ORESTES
Der Tod nur kann allein den tiefen Jammer enden.
Schon hofft ich ihn, und du kannst mir ihn rauben?
Arie
PYLADES
O mein Orest, hab Mitleid mit dem Freund!
Auch du, o Schmerz, auch du kannst ihn verkennen?
Es rühre dich die Freundschaft, welche weint!
Dein Herz wird doch von mir sich einmal trennen.
Dein Freund, der einst dir teuer war,
Dein Freund, er kniet zu lehn, dich zu beschworen;
Erlaub, dass ich dich deiner Wut entzieh!
Befolg doch nur der Priesterin Begehren,
O mein Orest usw.
ORESTES
Pylades!
Grosse Götter
FÜNFTE SZENE
ORESTES
Trotz deiner Grausamkeit entreiss ich dich dem Tod!
Iphigenie und die Priesierinnen treten auf
IPHIGENIE
Zu Pylades
O, wie beklag ich dich!
zu den Priesterinnen
Ihr leitet seinen Schritt!
ORESTES
Nein, Priesterin, halt ein! Dein Mitleid führt dich irre.
IPHIGENIE
Was sagtest du?
ORESTES
Ich bin's, der sterben muss!
Mein Freund kann nützlich dir noch sein.
Einziv nur er allein ist würdig deines Mitleids.
PYLADES
0 achte nicht aul seine Raserei!
IPHIGENIE
zu Qresies
O leb und denk auch mein!
ORESTES
Die Schuld zerstori mein Leben!
PYLADES
Barbar, welch eine Wut befällt dich!
IPHIGENIE
Ach, selbst die Götter, sie bestimmen meine Wahl!
ORESTES
zu Pylades
Wohlan denn, diesen Augenblick erklär ich...
PYLADES
Halt ein'
ORESTES
zu Iphigenie
Wisse, Priesterin...
PYLADES
Halt ein! Gerechte Götter!
IPHIGENIE
zu Pylades
Welch eine Raserei ergreifet dich so jählings?
ORESTES
zu Iphigenie
So sprich denn, dass mein Tod...
IPHIGENIE
Nein, hoff es nimmermehr!
Mir hielte eine Macht, fremd, doch unwiderstehlich,
Bei dem Altar selbst den aufgehobnen Arm.
ORESTES
Wie' Immer bist du taub bei meinen heissen Wünschen7
Jedoch umsonst, ich schwor es bei den Göttern.
Entfliehet nicht mein Freund dem Tod,
So will auch ich vor euren Augen hier vergiessen dieses Blut,
Das stets der Himmel sparte.
IPHIGENIE
Grosse Götter! Nun denn, Grausamer, erfüllt deinen Wunsch!
ORESTES
zu Pylades
Leb wohl, o mein Freund! Tu, wie sie dir befohlen.
Und kehrst du nach Mykene, tröste meine teure Schwester!
Bring meinen letzten Seufzer ihr!
Leb wohl!
Die Priesterinnen führen Orestes hinaus
SECHSTE SZENE
IPHIGENIE
Weil denn für dich so sehr der Himmel wachet,
So leist, o Fremdling, mir den Dienst, den du versprochen.
Nach Griechenland bring dieses Schreiben
Und überreich es selbst Elektra.
PYLADES
Was hör ich? Welch Geschick vereint euch miteinander?
IPHIGENIE
Ich ehre dein Geheimnis, du forsche nun nicht mehr!
PYLADES
Wohl, ich will dir gehorchen, erfüllen deinen Wunsch,
Wenn es der Himmel will.
Iphigenie ab
SIEBTE SZENE
Arie
PYLADES
O Gottheit! Du, den Edlen teuer,
O Freundschaft, komm und stärk den Arm, der droht!
Erfüll mein Herz mit deinem heil'gen Feuer,
Ich rette den Orest, sonst eil' ich in den Tod!
VIERTER AKT
Das Innere des Diana-Tempels. Auf einer Erhöhung eine Bildsaule der Göttin. Im
Vordergrund der Opferaltar
ERSTE SZENE
Iphigenie allein am Fusse der Säule
IPHIGENIE
Nein, die barbar'sche Pflicht,
Ich kann sie nicht erfüllen! Gewiss, es sprach ein Gott
Fur diesen Jungen Griechen. O, warum willigt ich,
Da doch mein Herz erbebt, in dieses Opfer?
Arie
Ich fleh dich an und beb, o Göttin voll von Grimme,
Erfülle meine Brust mit düstrer Grausamkeit.
Sie höre, deinem Dienst geweiht,
Nicht mehr der Menschheit sanfte Stimme.
Weh mir, wie bitter mich der Hass des Schicksals plagt!
Den Unglucksel'gen morden
Ist mir zur Pflicht geworden;
Ich folge ihr, doch ist mein Herz von jeder Qual zernagt.
ZWEITE SZENE
Die Priesterinnen erscheinen mit Orestes
CHOR DER PRIESTERINNEN
O siehe, Göttin, unsre Tränen.
Das Opfer ist geschmückt; Bald fliesset dir sein Blut.
O möchte dieses Opferblut,
Möcht unser Flehen deinen Zorn versöhnen!
IPHIGENIE
Mir schwindet alle Kraft! O Augenblick soll Schmerz!
ORESTES
So enden endlich hier sich meine langen Leiden?
Möcht eure Rachgier auch, ihr Götter, hier sich enden.
IPHIGENIE
O Himmel!
ORESTES
zu Iphigenie
Trockne doch die Tränen, die du weinst.
Beklag mein Schicksal nicht; Der Tod war mein Begehr.
Stoss zu!
IPHIGENIE
O, zeig mir diese strenge Tugend nicht!
Die Götter hüteten dein Leben;
Und doch stirbst du. Du hast es selbst gewollt!
ORESTES
Die Götter zwangen mich, mein Leben zu verschwenden.
Verlängerst du dessen Lauf,
So machtest du dich strafbar wider Willen.
IPHIGENIE
Mich strafbar? O, ich bin's, wenn ich dich töten muss!
ORESTES
Ein zärtlich Mitgefühl, wie macht's der Menschheit Ehre,
Wie linderi's mir den Todesstreich!
Seit jenem Schreckenstag, weh mir, seit langer Zeit
Gab meinem Jammerstand noch niemand eine Träne!
IPHIGENIE
O Schmerz!
Hymne
DIE PRIESTERINNEN
umringen Orestes und führen ihn in das Heiligtum, wo sie ihnmit Bändern und Blumengewändern schmücken
Keusche Tochter der Latone,
Merk auf unsren Huldgesang!
Unser Weihrauch, unser Wunsch
Dring hinauf zu deinem Throne!
Dir ist alles untertänig
In dem Himmel, auf der Erd',
Und die Halle selber zittert,
Wenn sie deinen Namen hört.
Alles ziehet dich zu Rate
Bei dem Frieden, vor dem Streit,
Und es wird in unsrem Staate
Opfer dir allein geweiht!
Keusche Tochter der Latone, usw.
Noch während des Chores führt man den mit Blumengewinden geschmückten Orestes hinter den Altar, zündet Weihrauch um ihn an und giesst Weihwasser über sein Haupt
IPHIGENIE
Welch ein Augenblick! Schützt mich, ihr Götter!
VIER PRIESTERINNEN
führen Iphigenie zum Opferaltar
So komm denn, Oberpriesterin,
Erfülle die erhabne Pflicht!
IPHIGENIE
mühsam zum Altar schreitend
Grausame, haltet ein. Bedenkt meine Schwachheit!
Eine Priesterin reich! ihr das heilige Messer
Gott, all mein Blut, es stocket, und mein Herz.. . ich beb'.....
Und dieser Arm... zu furchtsam!
PRIESTERINNEN
So triff!
ORESTES
O Iphigenie, O teure Schwester,
So wardst auch du in Aulis einst geopfert!
IPHIGENIE
Mein Bruder! Ich sterbe!
PRIESTERINNEN
Orestes! Unser König.'
ORESTES
Was sch ich?
IPHIGENIE
Und hätt' ich geopfert ihn?
ORESTES
Wo bin ich?
IPHIGENIE
Orestes...
ORESTES
Welch gross Geheimnis.
IPHIGENIE
O mein teurer Bruder!
ORESTES
Iphigenie, o Himmel! Du bist es, die sich sehe?
PRIESTERINNEN
Ja, sie ist es, die Diana vor der Wut des Vaters
Und vor dem Zorn der Griechen gerettet hat!
Ja, Herr, sie ist es selbst!
IPHIGENIE
Mein Bruder!
ORESTES
Meine Schwester!
Ja, du bist's! Mein Herz bezeugt es!
IPHIGENIE
O du, mein Bruder! Mein Orest!
ORESTES
Wie, lieben kannst du mich, und du verabscheust nicht?
IPHIGENIE
Lass uns nicht mehr der grausen Tat gedenken!
Nur fühlen lass mich jetzt die Grösse meines Glucks!
Eh ich dich noch gekannt, trug ich im Herzen dich:
Vom Himmel, von der Welt begehrt' ich meinen Bruder.
Ich hab ihn jetzt, er ist in meinem Arm!
Doch was seh ich?
DRITTE SZENE
Eine Griechin stürzt herein
GRIECHIN
Bebt! Erbebet! Bebt!
Schon kennt man das Geheimnis!
Schon eilet der Tyrann hierher;
Er weiss es, dass ein Griech', bestimmt zum Sühneopfer,
Durch dich befreit von hier entronnen ist.
Voll Unmut, voller Grimm kommt eilig er,
Den Tod des anderen zu fordern.
PRIESTERINNEN
Ihr Götter, steht uns bei!
IPHIGENIE
Nein, es sei nicht vollendet,
Das schändliche, verfluchenswerte Opfer!
Ihr schützt den König jetzt vor Thoas Wut.
Er ist der Götter Blut, Sie werden für ihn wachen!
VIERTE SZENE
Thoas und Wachen treten auf
THOAS
zu Iphigenie
Ha, deine List nun ist sie klar enthüllet,
Du schändest den Altar, verschwörst dich wider mich.
Nun ist es endlich Zeit, die Götter zu versöhnen,
Nun ist es endlich Zeit, Verräterin, dich zu strafen!
Vergiess des Fremden Blut, das Blut lösch deine List
Und deine tolle Kühnheit aus!
IPHIGENIE
Was forderst du von mir, Barbar?
PRIESTERINNEN
Ihr Götter, schützet uns!
Zerstreuet diesen Sturm, der unser Haupt bedrohet!
THOAS
zu Iphigenie
Gehorch der Götter Wink!
Der Himmel spricht! Genug!
zur Wache
Auf, unterstützet mich!
Ergreift ihn!
IPHIGENIE
O Himmel! Wie, du wagest?
THOAS
Man schlepp ihn zum Altar!
IPHIGENIE
Barbar, er ist mein Bruder!
THOAS
Ihr Bruder?
ORESTES
Ja, ich bin's.
IPHIGENIE
Mein Bruder und mein König,
Des Agamemnon Sohn!
THOAS
Gemordet, wer's auch sei!
IPHIGENIE
Zur Wache
Ihr - nahet nicht!
zu den Priesterinnen
Und ihr, verteidigt euren Herrscher!
THOAS
zur Wache
Ihr bebt, ihr Feigen, scheu zurück?
Wohlan, ich schlachte selbst hier vor der Göttin Auge
Das Opfer und die Priesterin!
ORESTES
Du wagst es? Sie, meine Schwester?
Lärm hinter der Bühne
THOAS
Ja, strafen muss ich sie
und all ihr Blut!
FÜNFTE SZENE
Pylades tritt schnell mit einigen Griechen ein
PYLADES
streckt Thoas nieder
Nein, Tyrann, du musst sterben!
CHOR DER KÖNIGLICHEN WACHEN
Auf, rächen wir des Königs Tod mit Blut!
Stosst zu!
IPHIGENIE UND PRIESTERINNEN
Schützt, Götter, meinen (ihren) Bruder!
PYLADES
zu den Griechen
Ihr Freunde, Mut! Auf, folget mir!
ORESTES
O Pylades, du mein Schutzgott!
PYLADES
Mein Freund, mein einziger!
IPHIGENIE UND PRIESTERINNEN
Schützt, Götter, uns!
Schützt, Götter, meinen (ihren Bruder!
CHOR DER GRIECHEN
Lasst tilgen uns der Skythen Brut,
Vernichten sie und ihren letzten Samen
Und gleich sein rächerisches Flammen
Und reinigen den Ort durch Blut
In Pylades' und Oresies' Namen!
CHOR DER KÖNIGLICHEN WACHEN
Verlasst die Stadt, o Freunde, o reitet euch!
Entflieht des Todes Streich.
Der Himmel streitet selbst für unsre Feinde!
SECHSTE SZENE
Die Göttin Diana steigt aus einer Wolke zu den Kämpfenden herab
DIANA
Nicht weiter! Horei mich und folget meinem Wink!
Ihr Skythen, in die Hand der Griechen gebt mein Bildnis.
Ihr habt nur allzu lang mit diesen wilden Opfern
Entwürdigt meinen Dienst, beflecket den Altar.
zu Orestes
Orest, ich nehme teil an deinem Schicksal,
Dein Laster tilgte deiner Tränen Flut.
Orest, ich nehme teil an deinem Schicksal
Mykene wartet dein; regier in Frieden dort
Und Iphigenie gib ihrem Volke wieder!
Sie steig! wieder gen Himmel
SIEBTE SZENE
PYLADES
Sie, deine Schwester, Freund?
ORESTES
Komm, teil mein Glück mit mir!
Arie
Und in der Edlen hier, der ich das Leben danke,
Zu der ein süsser Hang längst meine Seele zog,
Sieh meine teure Schwester wieder!
PRIESTERINNEN, GRIECHEN und SKYTHEN
Versagt war lang uns das Glück,
Nun sind die Götter versöhnet,
Und unsre Hoffnung gekrönet,
Die Fröhlichkeit kehrt zurück!
Alles ist um uns nun helle,
Ruhig ist und sanft die Welle,
Himmel, Erd' und Meer
Stört diese Ruh' nicht mehr!