Libretto: Les pêcheurs de perles

von Georges Bizet


Die Perlenfischer


Vorspiel

ERSTER AKT

Ein wilder Sandstrand auf der Insel Ceylon.

Man sieht einige Bambushütten und Palmen; in der Ferne auf einem Felsen über dem Meer die Ruinen einer alten indischen Pagode; die Sonne glüht im Meer. Fischer schlagen ihre Zelte auf, andere trinken und tanzen zum Klang indischer Instrumente.


Chor

DIE FISCHER
Wo im Sonnenbrand
Glüht der weisse Strand,
Lasst das Zelt uns fügen!
Braune Mägdelein
Schwinget euch in Reih'n,
Dass die Haare fliegen!
Die bösen Geister scheucht fort
Mit frohen Liedern von diesem Ort!
würdevoll
Zum Werk im Schoss der Welle
Voller Todesgefahr
Wählten wir diese Stelle
Schon manches, manches Jahr!
Hier im wogenden Schlunde
Die Perle verbogen ruht;
Herauf vom Meeresgrunde
Holt sie des Tauchers Mut!
Herauf vom Meeresgrunde!
Herauf, herauf, herauf! usw.


Szene und Chor

Zurga nähert sich.

ZURGA
Ihr Freunde! Lasst des bunten Tanzes Freuden run
Wählt zum Zuge nunmehr den Mann, der uns gebiete,
Der klug uns führe, der uns behüte;
Den Wächter unsres Rechts, den ihr ehrt, wählet nun!

DIE FISCHER
Der unsrem Zuge soll gebieten
Und unser Herr und König sein,
Bist Zurga du, bist Zurga du allein!

ZURGA
Wer? Ich?

FISCHER
Ja! Du erprobter Freund!
Wir wählen einzig dich!
Ja! Ja, wir wählen einzig dich!
Erprobter Freund, wir wählen einzig dich!

ZURGA
Wollt hr Gehorsam mir beschwören?

DIE FISCHER
Gebiete uns!

ZURGA
Wollt ihr als Herrscher mich verehren?

DIE FISCHER
Wir schwören Treu!

ZURGA
Wohlan, es sei, es sei!

DIE FISCHER
Du bist der Herrscher,
Dem wir treu Gehorsam schwören!
Dir nur allein! Nur dir allein!

ZURGA
Wohlan, es sei!

Nadir steigt die Felsen herab.

DIE FISCHER
Doch wer kommt da?

ZURGA
geht Nadir entgegen
O Freund, dich seh' ich wieder!
Was führte dich zu diesem Strand?

DIE FISCHER
Ist's Nadir, den wir einst gekannt?

NADIR
Ja, Nadir, der so lange verschwand,
Kehrt zurück als Genosse zum Kreise der Brüder!
Durch die Heide, durch den tiefen Wald,
Wo des Jägers Tritt im feuchten Moor verhallt,
Durch die Heide, durch den tiefen Wald
Trieb mein Wesen mich nach Wohlgefallen.
Fest den Dolch in den Zähnen nur
Folgt' ich im Schilfe des Tigers Spur
Und trotzte kühn des Panthers Krallen!
würdevoll
Was ich gestern tat, fürwahr,
Das tätet morgen ihr, ja fürwahr! Das tätet morgen ihr!
Drum zum Bund reicht die Hände mir!

DIE FISCHER
Zum Bund reichen wir die Hände dir!

NADIR und ZURGA
Hier die Hand, die Hand!


Rezitativ und Reprise

ZURGA
So willst du jetzt bei uns, Nadir, aufs neue weilen?

NADIR
Ja! Lasst Freude und Leid mich fortan mit euch teilen!

ZURGA
Nun wohl! Der Unsre sei ganz!
Nimm teil an unsrer Lust, an Gesang und am Tanz!
zu den anderen
Aber jetzt, eh zum Werke wir gehen,
Lasst uns Sonne und Luft und Meer um Segen flehen!

Der Tanz beginnt wieder.

DIE FISCHER
Wo im Sonnenbrand, usw.


Rezitativ und Duett

ZURGA
Nadir, du stehst wirklich vor mir!
Nach langer Monde Frist seh' ich dich endlich hier!
Ach, lang hat Brahmas Ratschluss geschieden uns beide!
Vereint sind wir aufs neue! O Freude, welch grosse Freude!
Doch sage, bewahrtest du die Treu' dem heil'gen Eid?
Dass du als Freund mir wiederkehrst, ist dir's gelungen?

NADIR
Schwer war der Liebe Leid, doch ich hab' es bezwungen!

ZURGA
Wohlan, so gibt die Hand, auch ich bezwang mein Leid,
Und mein Herz ist verstummet und hat wie du vergessen
Den Dämon, der es einst besessen!

NADIR
Nein! Nein! Du lägst!
Die Ruh' fand vielleicht dein Schmerz,
Doch vergisst nimmermehr das Herz!

ZURGA
Was ist das?

NADIR
O Freund! Wenn wir einst in jenen Jahren stehen,
Wo die Träume der Jugendzeit
Nur als Träume, nicht mehr als Leid
In der Erinnerung uns durch die Seele gehen,
Dann denke jenes Tags an Kandys Tor.

ZURGA
Es sank der Tag,
Es stieg der Gebetruf empor
Der Brahminen, die festlich in weissen Gewanden
Vor dem knieenden Volk im heil'gen Tempel.

NADIR
Und in des Tempels Grund
Voll Gold und Blumenzier
Tritt ein Weib jetzt hinein,
Noch steht ihr Bild vor mir!

ZURGA
Tritt ein Weib jetzt hinein,
Noch steht ihr Bild vor mir'

NADIR
Da schweigen die Gesänge
Und die staunende Menge
Flüstert heimlich und leis:
O schaut ! Es steiget wieder
Unsre Göttin hernieder
In der Sterblichen Kreis!

ZURGA
Den Schleier seht sie heben!
Ha! Ist's ein Traum? Ist's Leben?
Die Menge gestürzt auf die Knie!

BEIDE
Ja, sie ist's, die Hehre, die Eine!
Glanzumstrahlt steht die Reine;
Ja, sie ist's, die Hehre, die Reine!
Tausend Gnaden bringet sie!
Den Schleier seht sie heben!
Und das Volk stürzt aut die Knie!

NADIR
Sie aber schreitet langsam
Durch die knieende Menge.

ZURGA
Und ihr Schleier fällt;
Sie schwindet im Gedränge

NADIR
Und umsonst, umsonst sucht sie mein Blick!

ZURGA
Sie entflieht!

NADIR
Sie entflieht!
Da! Welch unselig Geschick!
Fühl' mein Herz ich wild erbeben!

ZURGA
In meinen Adern welch Leben!

NADIR
Ein Blick, er stösst mich zurück!

ZURGA
Dein Blick, er stösst mich zurück!

NADIR
Und dies Weib lieben wir beide!
Und der Freund, wird er zum Feind?

ZURGA
Nein, dass nichts die Freundschaft scheide!

NADIR
Nein, nichts!

ZURGA
Ein Schwur uns aufs neue vereint!

NADIR
Ein Schwur uns aufs neue vereint!

BEIDE
Ein Schwur, ein Schwur uns aufs neue vereint!
Ja, sie ist's, die Hehre, die Reine,
Die uns an diesem Tag vereint.
Um getreu dem Schwur alleine
Will ich dich wie ein Bruder lieben!
Sie ist's, die Hehre, die Reine,
Die uns an diesem Tag vereint!
So tragen wir denn unser Schicksal
Als Brüder bis zur Todesqual!


Rezitativ, Chor und Szene

ZURGA
Was seh' ich ?
Ein schlankes Schiff legt an nicht weit von hier.
Ich harrte sein, Dank, mächt'ger Brahma!

NADIR
Und was erwartest du ?

ZURGA
Eine Jungfrau erwart' ich, so schön, so hold und weise,
Die, altem Brauch getreu, die besten unsrer Greise
Zu der Unsrigen Heil aus fernem Land gebracht!
Tief in Schleier gehüllt, so sehn wir sie erscheinen,
Und keiner darf sie schaun noch sich nahen dieser Reinen.
Dort auf ragendem Felsen verweilt sie Tag und Nacht
Im Gebete ! Und ihr Sang erklingt mit Zauberstärke
Und scheucht die bösen Geister fort von unsrem Werke!
Dort erscheint sie ! O Freund, schon ist dem Lagersie nah!

Leila, das Gesicht verschleiert, erscheint, gefolgt von Nourabad.
Nadir, alleinzurückgeblieben und tief in Gedanken versunken, erkennt Leila nicht.


DIE FISCHER
Sie ist es! Unser Heil!
Unser guter Geist! Er ist da!

Chor

DER CHOR
Man umringt Leila und begrüsst sie mit Blumen
Willkommen aufs neue,
Du Teure, du Treue,
Von keinem von uns gekannt.
Nimm, was wir dir bieten,
Und wolle uns behüten
Die See und den weiten Strand
Dein Sang, er beschwöre
Die Geister im Meere,
In Erde und Luft,
Dein Sang, er beschwöre
Die Geister im Meere,
In Feuer und Kluft!
Du Teure, du Treue,
Von keinem von uns gekannt,
Willkommen aufs neue!
Beschütze uns!
Beschirme du uns!


Szene und Chor

ZURGA
Jungfrau, die du rein und hold zwischen uns dich begeben,
Schwörst du, dass du nie wirst den Schleier heben?

LEILA
Ich gelobe!

ZURGA
Schwörst du, Tag und Nacht für unser Heil zu beten?
Dass die Geister entfliehn, die uns beim Werke töten?

LEILA
Ich gelobe!

ZURGA
Deine Stunden allein dem heil'gen Dienst zu weih'n?
Zu leben ohne Freund noch Geliebten, ganz allein?

LEILA
Ich gelobe!

ZURGA
Bleibst du treu uns ergeben, folgsam meinem Geheiss,
Dann wollen wir als Preis die schönste Perle geben.
Sie macht die Arme gleich wie eine Fürstin reich!
Doch wenn Verrat du übst, unserm Werk zum Verderben,
Der Liebe nicht kannst widerstehn, Fluch über dich!

DER CHOR
Fluch über dich!

ZURGA
Ist's um dich geschehen!

DER CHOR
Fluch über dich!

ZURGA
Dein harrt der Tod!

DER CHOR
Fluch über dich!

ZURGA
Dein harrt der Tod!

DER CHOR
Fluch!

NADIR
erhebt sich und geht auf Leila zu.
Ha! Grausam Geschick!

LEILA
beiseite, erkennt Nadir
Ha! Er ist's!

ZURGA
ergreift Leilas Hand
Du erbebst? Deine Hand glüht im Fieber!
Welch drohendes Geschick bewegt dir das Gemüt?
Bedenk, was du beginnest; kehre heimwärts lieber,
Die Freiheit nimm zurück!

DER CHOR
Rede! So sprich!

LEILA
betrachtet Nadir
Ich bleibe!
mit Nachdruck
Ich bleibe bei euch, und brächt' es den Tod!
Mag mein Schicksal sich wenden zu Leben oder Tod!
Ich bleibe! So fordert es des Schicksals Gebot!

ZURGA
Es sei! Jeglichem Blick bleibt dein Gesicht verschleiert;
Du singst für uns bei Nacht, bis das Licht sich erneuert!
Du hast's gelobt!

LEILA
Ich hab's gelobt!

ZURGA
Du hast's gelobt!

LEILA
Ich hab's gelobt!

ZURGA und NOURABAD
Du hast's gelobt!

DER CHOR
Brahma, allmächtiger Gott! Sei du bei uns in Gnaden!
Lass böser Geister List unsrem Werk nicht schaden!
Banne der Wogen Wut! Gib uns Kraft! Gib uns Mut!
O Gott Brahma usw.

Auf Zurgas Weisung geht Leila auf dem schmalen Weg hinauf zum Tempel, Nourabad folgt ihr; sie sind bald im Innern des Tempels verschwunden; die Männer gehen wieder hinunter zum Strand. Zurga nähert sich Nadir, der Leila mit den Blicken gefolgt ist. Diese hat sich, einen Augenblick unbeobachtet, zu ihm umgedreht. Zurga gibt Nadir die Hand und entfernt sich mit den letzten Fischern.
Allmählich wird es dunkel.



Rezitativ und Romanze

NADIR
Wie dieser Stimme Klang mir die Seele befangen!
Es kann nicht sein! Wie sollte sie hierher gelangen?
Nein, nein, es ist derselbe Trug, der meinen Geist
Im Wachen und im Traum schon so lange umkreist!
Es brennt wie Fieberglut, es drängt mich das Gewissen:
Dem Freund will ich's gestehn! Zurga soll alles wissen!
Den Schwur hab' ich verletzt! Sie wollt' ich wiedersehn!
Ich folgte ihren Spuren, bis ich die Holde fand;
Und zu nächtiger Zeit lauscht' ich in Dunkelheit
Ihrem süssen Gesang in den schweigenden Fluren!

Ich hörte wie im Traume
Die Stimme wundersam,
Die unterm Palmenbaume
Ich verborgen vernahm.
Die Nacht so warm und linde,
Die Quelle rauschte kaum
Und leise flüsterte im Winde
Von Liebe der Palmenbaum!
Und in die nächtige Feier
Fiel jetzt des Mondes Licht
Und sie hub ihren Schleier,
Und ich sah ihr Angesicht!

Ich hörte wie im Traume usw.

Er legt sich auf eine Matte und schläft ein.


Finale

DER CHOR
in der Ferne
Blau ist die Luft!
Das Meer, es strahlet wie ein Spiegel!
Blau ist die Luft! Blau ist die Luft!

Leila erscheint, geführt von Nourabad, auf dem Felsen über dem Meer.

NOURABAD
Hier ist dein Platz, verweil auf dem ragenden Hügel!

Priester zünden ein grosses Feuer an. Nourabad beschreibt mit seinem Zauberstab einen Kreis in der Luft und facht die Flamme an.

Bei der Glut, die sich flammend erhebt,
Bei dem duftenden Rauch.
Der auf zu Brahma schwebt,
Singe! Singe! Uns zum Gewinn!

NADIR
im Halbschlaf
Du schönes Traumbild, fahr hin!

LEILA
aufrecht auf dem Felsen
O mächt'ger Brahma!
Herrscher über Himmel und Erde!

DER CHOR
in der Ferne
Mächtiger Brahma! Mächtiger Brahma!

LEILA
Gütige Siwa!
Die du wachest am häuslichen Herde!

DER CHOR
ebenso
Gütige Siwa! Gütige Siwa!

LEILA
Geister des Lichts, Geister der Wellen,
Und ihr Geister des Sturmes, ihr schnellen!

NADIR
erwacht
Ha!
Ich kenne den!

LEILA
Vernehmt meinen Sang! Vernehmt meinen Sang!

DER CHOR
Geister des Lichts, Geister der Wellen,
Geister des Sturms!

LEILA
Geister in der Ferne,
Strahlend goldne Sterne,
Geister tief im Meer
Wallend hin und her!
Wie im Traume sehe
Ich in Fern' und Nähe
Eure Macht, ja eure Macht
Am Werke bei dunkler Nacht!
Gnade wollt gewähren!
Bitten wollt erhören!
Leicht und leise
Trägt sie in die Lüfte
Diese Weise,
Leicht und leise.

DER CHOR
in der Ferne
O singe, Holde, singe;
Und durch die Nacht erklinge
Dein Lied, so süss, so leicht,
Dass der Dämonen Schar entweicht!

LEILA
Ah!

Nadir huscht unbemerkt zum Fuss des Felsens.

NADIR
Ha! Sie ist es!
Leila! Leila!

Leila beugt sich zu ihm und hebt einen Augenblick ihren Schleier zur Seite.

Du geliebtes Weib
Ich bin da! Ich bin da!
Und bringe meinen Arm, mein Blut,
Um dich zu schützen!

DER CHOR
O, singe, Holde, singe usw.

LEILE
Er ist da! Er kennt mich!
Nur dir, nur dir will ich singen!
Ein Lied so süss, so leicht,
Dass der Dämonen Schar entweicht!
Er ist da! Er kennt mich!
O!

NADIR
O singe, Teure, singe,
Du, der ich Hilfe bringe,
Wenn dir Gefahr und Tod
Um unsrer Liebe willen droht!
Fürchte nichts! Ich bin da!
Leila! Fürchte nichts!
Leila! Ich bin da!

DER CHOR
O singe, Holde, singe
Und durch die Nacht erklinge
Dein Lied so süss und leicht,
Dass der Dämonen Schar entweicht.
O!

ZWEITER AKT

Die Ruinen eines indischen Tempels.
Hinten eine erhöhte Terrasse über dem Meer. Sternenhimmel und Vollmondschein.
Leila, Nourabad und die Fakire halten sich im Hintergrund.

Zwischenspiel, Chor und Szene

DER CHOR
in der Ferne
La, la, la, la, la!
Längst ging der Tag zur Ruh!
Nacht breitet ihre Flügel,
Decket Täler und Hügel
Mit stillem, träumereichem Dunkel
Friedlich zu.
Längst ging der Tag zur Ruh,
Nacht breitet ihre Flügel usw.

NOURABAD
nähert sich Leila
Es ruhn der Fischer fleiss'ge Hände
Für diese Nacht, Leila, ist die Arbeit zu Ende!
Nun schlaf in diesem Raum!

LEILA
Und soll ich ganz allein hier verweilen?

NOURABAD
Ja, doch fürchte dich nicht,
Hier ist's sicher!
Denn dort gähnt des Abgrundes Rachen,
Und unten braust das tiefe Meer;
Das Lager schützt dich hier; und da, als sichre Wachen
In dem Gürtel das Messer, und im Arm das Gewehr
Stehn die Freunde bereit!

LEILA
Brahma wird mich beschirmen!

NOURABAD
Bleibst du treu deinem Schwur,
bleibt dein Herz ohne Fehl,
Magst im Frieden du schlafen
trotz Gefahren und Stürmen!

LEILA
Nicht ist's zum ersten Mal,
Dass Trotz dem Tod ich biete,
Um zu halten den Eid, den ich schwur.

NOURABAD
So erzähl!

LEILA
Als Kind war ich einmal allein in unserer Hütte,
Da plötzlich erscheint ein Mann, der den Feinden entfiohn,
Und erbat eine Zuflucht, um dem Tod zu entgehen.
Und ich versprach, das Herz gerührt von seinem Flehen,
Zu hehlen seine Spur vor seiner Feinde Drohn!
Und bald, mit Geschrei und Gedränge,
Erscheint eine wütende Menge;
Man umringt mich, und zum Stoss ist der Dolch schon bereit!
Doch ich schweige;
Und sie gehn; und er, er ist befreit
Da spricht zu mir der Mann, den gerettet ich habe;
Nimm diese Kette hier, mein Kind, nimm die Dankesgabe!
Und trägst du sie zum Schmuck,
Dann denk dabei an mich! Ich denke ewig dein!
So ward ein Mensch gerettet, und ich hielt mein Versprechen!

NOURABAD
So ist's ! Erinnre dich,
Dass auch an uns ein Schwur dein Geschick hat gekettet!
Gute Nacht Lebe wohl!

Nourabad geht mit den Fakiren ab.

DER CHOR
in der Ferne
La, la, la, la, usw.


Rezitative und Kavatine

LEILA
Nun steh' ich einsam in der Nacht!
Einsam, aller Welt entrückt, auf steiler Felsenhöhe!

Sieht hin zur Terrasse.

Doch er ist da l Mein Herz, es ahnet seine Nähe!
Wie einst bei nächt'ger Sterne Funkeln,
Verborgen im schweigenden Hain,
So wacht er auch heute im Dunkeln,
Und ich kann ruhn und sicher sein.
Und ich kann ruhn und sicher sein.
Er wacht auch heut' im Dunkeln,
Wie dazumal, wie dazumal.
Er ist's, und mein Herz hat den Frieden
Welch ein Glück hat er mir beschieden!
Er ist mir nah, er ist mir nah!
Wie einst bei nächt'ger Sterne Funkeln usw.

Sie legt sich hin, um zu schlafen.


Lied

Man hört eine Harfe in der Ferne und Nadir.

NADIR
Im Windeswehen fern muss ich stehen,
Kein Lichtlein meine Schritte lenkt;
Durchs Dunkel nächtig zieht es mich mächtig
Zu ihr, der ich mein Herz geschenkt, die meiner denkt.

Die Stimme kommt näher.

Da seh' ich holder Augen Schein;
Die Pfade schnelle macht er helle,
Nun werde ich, Geliebte mein,
Bald bei dir sein,
Bald bei dir sein!

LEILA
Gott! Die Stimme kommt näher!
Welche Wonne durchbebt mich!
Ja! Ja, er ist's!


Duett
Nadir erscheint auf der Terrasse, kommt zwischen den Ruinen herab.

NADIR
Leila! Leila!

LEILA
Ja, er ist's, er ist hier!

NADIR
O Glück, ich bin bei ihr!

LEILA
Vom grausen Abgrund her
Erstiegst du diesen Hügel ?
Den Tod hast du gewagt ?

NADIR
Ein Gott hat mich geführt,
Die Liebe gab mir Flügel;
So, ja so tat ich's unverzagt!

LEILA
Du spielst verwegnes Spiel;
Flieh! Es droht dir Verderben!

NADIR
Nicht zürnen darfst du mir, Geliebte!

LEILA
Doch ich schwur! Ich darf dich nicht erhören;
Hinweg, wende von mir den Blick!

NADIR
Heiss mich nicht gehen!

LEILA
Das Unheil lauert hier!

NADIR
Verstoss mich nicht von dir!

LEILA
Geh! Entflieh!

NADIR
Die Nacht ist noch so lange,
hier kann uns niemand stören
Lass mir mein Glück! O du Geliebte!

LEILA
Nein ! Wir müssen scheiden!
Noch ist es Zeit zu fliehen!
O! Entflieh! Ach, Verderben lauert dir!
O rette dich, entflieh von hier!

NADIR
Und du lasst ohne Lohn
Meiner Liebe Bemühen!
Leila, Leila! Weh mir!
Dein Herz fühlt nicht des meinen Glut!
Wie hab' ich geliebt und gelitten
Und mit dem Herzen um dich gestritten,
Doch dein Herz hört nicht mein Bitten,
Dein Herz fühlt nicht des meinen Glut.

LEILA
Ich fühle deines Herzens Glut
Und habe geliebt und gelitten.
Ich hab' um dich mit dem Herzen gestritten.
Ach wie gern hört' ich deine Bitten!
Wohl fühl' auch ich deines Herzens Glut

NADIR
Ich tat den Schwur, dich auf ewig zu fliehen
Und zu vergessen dein liebes Bild;
Doch, eitler Wahn Umsonst, ach, war all mein Mühen!
Es wuchs die Glut, bis sie mich ganz erfüllt!

LEILA
Wie lange ist's, dass ich zuletzt dich schaute,
Und doch auf dich hab' ich hoffend vertraut;
Da durch die Nacht klang so süss deine Laute!
Da kam das Glück, das ich ahnend geschaut!

NADIR
Wär' es wahr ! O so sprich!
Einmal noch sag es mir! Ja!
Es fühlt dein Herz des meinen Glut,
Ich habe geliebt und gelitten,
Ach, und es hat mein Herz gestritten.
Aber du gabst Gehör den Bitten.
Ich weiss, dein Herz fühlt meines Herzens Glut

LEILA
Ich fühle deines Herzen Glut
Und habe geliebt und gelitten.
Ich hab' um dich mit dem Herzen gestritten.
Ach wie gern hört' ich deine Bitten!
Wohl fühl' auch ich deines Herzens Glut l

BEIDE
O sel'ges Glück

Man hört ein schweres Gewitter.


Finale

LEILA
Horch ! Ein Gewitter bricht herein!
Entflieh! Mir erbeben die Glieder!

NADIR
Aber morgen bei Nacht, Geliebte, kehr' ich wieder!

LEILA
Ja!l Ja! Zur Nacht harre ich dein.

NADIR
Ja! morgen seh ich dich wieder!

Sie trennen sich. Das Gewitter nähert sich. Man hört Schüsse. Leila stösst einen Schrei aus und kniet nieder.
Nourabad erscheint mit Wachen, die sofort Nadir verfolgen.


NOURABAD
Verderben uns! Verderben euch!
O Verrat! O Verrat! Kommt herbei! Kommt sogleich!

Er seinerseits nimmt Nadirs Verfolgung auf.
Die Fischer erscheinen auf der Schwelle desTempels und verschwinden langsam in der Dunkelheit, dem Gewitter lauschend.


DER CHOR
Durch des Sturmes Ergrimmen
Klingen rufende Stimmen.
Welch finstere Botschaft erwartet uns hier ?
Mit rasender Schnelle
Wirft Welle auf Welle
Brausend himmelan das Meer, das wütende Meer!
Bleich stehen wir Armen
Und flehen um Erbarmen.
Oh Brahma, zu dir!
Und Nacht und Tod ringsum
Bedrohn uns Arme.
Uns alle, o Tod und Nacht!

Nourabad kommt zurück in Begleitung der Wachen. Diese tragen Fackeln. Andere halten Nadir.

NOURABAD
In dies geweihte Asyl
Drang bei Nacht ein Verräter!l
Ein Fremdling trotzte dem Tod
An des Abgrundes Wand.
Schlich sich zu ihr,
Wo Lieb' er fand.

DER CHOR
Hör' ich recht?

NOURABAD
Schauet hier die beiden Missetäter!

DER CHOR
Seht hier die Missetäter
Ha! Nadir! Schwarzer Verrat!
Sie bedrohen Nadir mit ihren Dolchen und schreien mit erstickter Stimme.
Nadir, ruchlose Tat!
Für euch kein Erbarmen!
Schleppt sie fort in den Tod!
Für euch kein Erbarmen! usw.

LEILA
Helft, Götter, mir Armen!
Aus Schande und Not!

NADIR
Ich will kein Erbarmen, nein, lieber den Tod!
Ich will kein Erbarmen! Nein! Lieber den Tod!

DER CHOR
Für sie kein Erbarmen, schleppt sie tort in den Tod!
Geister des Verderbens!
Hemmet eure Wut!
Nehmt zum Sühneopfer
Der Schuldigen Blut!

LEILA
Und wandelt in Gnaden
Des Schicksals Gebot!
Mein Herz, es zittert!
Es droht der Tod!

NADIR
Mir wachsen die Kräfte,
Wenn Unheil mir droht!
Fürchte nichts,
Mein Arm wird dich schützen,
Wenn sie drohn in Grimm und Wut!

DER CHOR
Für euch kein Erbarmen usw.

LEILA
Helft in der Not usw.

NADIR
Lieber den Tod!
So kommt! Kommt alle!
Ihr seht, eure Wut schreckt mich nicht. usw.

DER CHOR
Schleppt sie zum Tod!
Fort! Für sie kein Erbarmen!
Für sie kein Erbarmen!

LEILA
Helft, Götter mir Armen
Aus Schande und Not!

NADIR
Es wächst mein Mut in der Not!
Es wächst mir Kraft und Mut!
So kommt! Kommt alle!

Man will sie schlagen. Nadir wirft sich vor Leila, sie zu schützen.
Zurga erscheint plötzlich im Hintergrund.


ZURGA
Haltet ein! Haltet ein!
Hier verurteilt allein mein Gebot!

DER CHOR
Den Tod für sie! Den Tod usw.

ZURGA
tritt dazwischen
Als ihr mich zum Führer erkoren,
Habt ihr Gehorsam mir geschworen,
So gehorcht, lasst los jene zwei!
Sie mögen gehn, sie sind frei!

Die Fischer sind unentschlossen und flüstern untereinander.

DER CHOR
Wohlan, es sei Die Verräter lasst gehen,
Der Führer will's, er soll uns folgsam sehen!

ZURGA
leise zu Leila und Nadir
So geht! So geht!

NOURABAD
entreisst Leila den Schleier.
Doch lass zuvor uns all dein Antlitz sehen!
Zurga erkennt Leila.

ZURGA
mit erstickter Stimme
Ha! Das ist sie! Tod und Hölle ! O Verrat!
Rächet euch, rächet euch! Den Tod, den Tod!
Für ihre Freveltat!

DER CHOR
Für sie kein Erbarmen! usw.

LEILA
Helft, Götter, mir Armen! usw.

NADIR
Ich will kein Erbarmen! usw.

ZURGA
Auf, schleppt sie in den Tod!
Für beide den Tod!
Kein Mitleid, kein Erbarmen usw.

Das Unwetter bricht über sie herein.

NOURABAD
Ha! Der Götter Gericht bricht herein über uns mit Macht.
Brahma!

Alle fallen auf die Knie.

LEILA und NADIR
Brahma, allmächtiger Gott! Bleibe bei uns in Gnaden!
Sieh uns hier im Staube vor dir!

ZURGA, NOURABAD und der CHOR
Brahma, allmächtiger Gott! Bleibe bei uns in Gnaden!
Strafe uns nicht für sie, die mit Schuld sich beladen!
Sieh uns hier im Staube vor dir!

Auf eine befehlende Geste von Zurga schleppt man Nadir herbei. Leila wird von den Priestern geführt.

DRITTER AKT

ERSTES BILD
Ein indisches Zelt, durch Vorhänge verschlossen.
Es ist immer noch Nacht. Das Unwetter legt sich.

Zwischenspiel, Rezitativ und Arie

Zurga erscheint vor dem Zelt.

ZURGA
Das Wetter ist vorbei,
Die Stürme sind verflogen.
Das Meer kräuselt friedlich die Wogen.
Er lässt den Vorhang fallen.
Nur ich wach' ohne Schlaf
Allein noch in der Nacht.
Wie Fieber fühl' ich's brennen,
Und mein Herz hält befangen
Ein rasendes Verlangen.
Nadir, Nadir,
Ha, Nadir verfällt dem Tod,
Wenn die Sonne erwacht!
niedergeschlagen
O Nadir, du mein Freund seit Jugendtagen,
Dich, a dich muss mein Gebot dem Tode weihn!
Schweig, mein Herz, das einst für ihn geschlagen,
Schweig, mein Herz,
Das einst so heiss für ihn geschlagen!
erhebt sich, bestürzt
Nein, nein, ich kann's nicht fassen!
Ein Traum will mich nicht lassen!
Nein! Du verletztest nicht den Schwur,
Und ich bin einzig der Schuldige nur!
Welche Reu'! Welche Qual!
Ah, welche Pein!
O Nadir, du mein Freund seit Jugendtagen,
O Leila, deren Bild mich beglückt!
O Nadir, O Leila, grollet nicht,
Wenn die Hand geschlagen den Freund,
Dem ein Wahn Herz und Geist, ach, mit Trug berückt!
Mich erfüllt die Zweifelsqual und Bangen!
Nadir, Leila! Verzeiht!
Mich täuschte unseliger Trug!
Ach, grollet nicht, wenn die Hand des Freundes euch schlug!
O zürnt mir nicht!

Er sinkt zusammen. Leila erscheint, geführt von zwei Fischern, die sie mit ihren Dolchen bedrohen.


Szene und Duett

ZURGA
Seh' ich recht ? Sie ist's! O Götter!
Wie sich das Blut zu dem Herzen mir dränget!
Sag mir an... was begehrst du ?

LEILA
Ich will reden mit dir.., ganz allein!

ZURGA
zu den Fischern
Nun gut! Ihr könnt gehen!

Die Fischer gehen ab.

LEILA
beiseite
Ich erzittre Ich erbleiche!
Ob ich ihn wohl erweiche ?
Armes Herz! Armes Herz! Wie es zagt und bangt!
Sein Auge scheint das meine zu meiden!
Ob ich ihn wohl erweiche? Wie das Herz mir bangt! usw.

ZURGA
beiseite
Wie sie zittert! Wie die Zähren ihre Schönheit verklären!
Ihre Schönheit, die zum Raube schon der Tod sich verlangt.
Ja, ein Gott hat sie geleitet, hat sie zu mir geführt, mich zu bestrafen!
Ach, wie der Blick, der Zähren Flut,
dies tiefe Weh mich erschüttert
zu Leila
Sei ohne Scheu, komm näher, lass mich hören!

LEILA
wirft sich Zurga zu Füssen
Sieh her. Ich fleh' zu deinen Füssen
Bei der Götter ew'ger Treu, lass die Unschuld nicht büssen!
Die Schuld trag' ich allein, drum nimm mein Leben hin!

ZURGA
Wie, er unschuldig, Nadir unschuldig? Sprich!
Hast im heiligen Tempel du ihn nicht erwartet?

LEILA
Nur der Zufall hat ihn zu mir geführt.

ZURGA
Was hör' ich ?

LEILA
Erbarme, Zurga, dich!
Und schenke mir sein Leben.
Ach, dann wird mir süss der Tod usw.

ZURGA
Ha Nadir! der Verrat, ich könnt' ihn dir verzeihen …
Weil du mein Freund, gäb' ich vielleicht dich frei,
Doch du liebst ihn, du liebst ihn,
Das allein besiegelt sein Geschick!

LEILA
Ihr Götter, steht mir bei! Weh!
Um aller Götter willen,
Erbarme, Zurga, dich,
Und schenke mir sein Leben!
Er gab mir seine Liebe,
Er war mein ganzes Glück!

ZURGA
Ihr ganzes Glück!

LEILA
Ihr schönen Tage, nie kehrt ihr zurück!

ZURGA
Niemals zurück!

LEILA
Rette mir den Freund! Rette ihn, ach!
Er war mir stets ergeben, treu in Not und Gefahr,
O schenke mir sein Leben, ich beschwöre dich,
O schenke mir sein Leben, dann wird mir süss der Tod.

ZURGA
Was höre ich ?

LEILA
Erbarme, Zurga, dich!
Und schenke mir sein Leben, dann wird mir süss der Tod!

ZURGA
Ha! Nadir, den Verrat,
Ihn könnt' ich dir verzeihn!
Weil du mein Freund, gäb' ich vielleicht dich frei,
Doch du liebst ihn, du liebst ihn, du liebst ihn!

LEILA
Ihr Götter, steht mir bei!
Weh!

ZURGA
Das allein besiegelt sein Geschick, dies Wort allein.
Weil Liebe du ihm gabst, stirbt Nadir sicherlich!

LEILA
Um aller Götter willen!

ZURGA
Mein Ohr ist verriegelt!

LEILA
Um aller Götter willen!

ZURGA
Mich treibt der Hass!

LEILA
Ah, der Hass!

ZURGA
Denn vernimm: wie Nadir lieb' auch ich, Zurga, dich!

LEILA
Ah!

ZURGA
Er fand der Liebe Glück,
Ich nicht,… drum hass' ich ihn!
Weil du ihm Liebe gabst,
Stirbt Nadir sicherlich!
Du liebst ihn, du liebst ihn ?
So stirbt er heut'!
Mich treibt der Hass!
Weil du Liebe ihm gabst,
Stirbt Nadir sicherlich!

LEILA
Wohlan, Zurga, geh hin und räche dich!

ZURGA
Welcher Trotz! Mich verzehrt der Hass!

LEILA
Ich will den Tod nicht scheuen, aber dich wird's gereuen!

ZURGA
Mich verzehrt der Hass! Wehe den beiden! Zittert!

LEILA
Mag dein Wille geschehen, furchtlos wirst du uns sehen.

ZURGA
Ha! Mich fasst die Wut!

LEILA
Ich will den Tod nicht scheuen!

ZURGA
Ihr fallt meiner Rache!

LEILA
Mag dein Wille geschehen!

ZURGA
Fort, hinweg, mag es geschehen!

LEILA
Mag dein Wille geschehen,
Furchtlos wirst du uns sehen,
Wenn zusammen wir gehen dort hinauf,
Wo niemand uns trennt.
Geh! Nimm mein Leben;
Gern will ich's geben, ja!
Nimm mein Blut!
Weil dein grimmer Hass entbrennt!
Nimm mein Leben, nimm mein Blut!
Doch die Tat, sie wird dich gereun usw.

ZURGA
Ha! Mich fasst die Wut!
Ihr fallt meiner Rache! Fort, hinweg,
Mag es geschehen! Mich ergreift nicht dein Flehen!
Keine Gnade! Tod sei ihr Los!
Beide zugleich trifft der Tod!
Euch vereint bald der Tod!
Keine Gnade! Tod sei ihr Los!
Ja, der Tod sei ihr Los!

LEILA
Barbar!

ZURGA
Ja, der Tod sei ihr Los

LEILA
Dir meinen Fluch!
Aber ihm meine Liebe immerdar!

ZURGA
Ja, der Tod sei ihr Los!

Nourabad erscheint im Hintergrund, gefolgt von einigen Fischern.
Freudenrufe in der Ferne.



Szene

NOURABAD
Vernimm von fern des Festes Klänge!
Es naht die Stunde!

LEILA
Ihr Opfer will die Menge!

ZURGA
So geht!

LEILA
Es sei! Ich bin bereit!
zu einem jungen Fischer
Mein Freund, dies Halsband nimm,
Und wenn mein Leid zu Ende,
Gib es in meiner Mutter Hände.
Geh, gib's als Gruss aus schöner Zeit!

Man bringt Leila fort. Zurga packt die Kette, stösst einen Schrei aus und eilt Leila hinterher.


ZWEITES BILD

Ein Wald.
Nadir stitzt am Fusse eines Brahmabildes auf einem Scheiterhaufen in der Mitte der Bühne. Er wird von zwei bewaffneten Fischern bewacht. Die Inder, schon trunkenvom Wein, vollführen wilde Tänze. Palmenwein wird in grossen Bechern herumgereicht. Mehrere Feuer tauchen die Bühne in ein düsteres Licht.



Chor und Tanz

DER CHOR
Männer
Bald wird aus der Flut
Mit strahlender Glut
Die Sonne entsteigen!
Dann fliesse ihr Blut,
Den zürnenden Mut
Der Götter zu beugen!

DER CHOR
Frauen
Dann soll der Tod
Die Verruchten erreichen!
Bald wird aus der Flut
Die Sonne ersteigen!

ALLE
Feuer giesst der Wein
Ins Herz hinein
Aus schäumendem Borne,
Heil'ger Rausch erfüllt
Die Adern uns wild
Mit brennendem Zorne!
Vernimm den Ruf!

DER CHOR
Männer
Bald wird aus der Flut usw.

DER CHOR
Frauen
Vernimm den Ruf usw.

Der Tanz bricht ab.

NADIR
Weh! Was wird aus Laila?
Sie zu retten, geb' ich mein Leben.
Soll ihre Wut nur auf mich sich entladen.
Ich liefere mich ihrem Zorn,
Ich bin bereit, nun kommt!
Weh! Was wird aus Laila?
Weh! Weh! Leila!

DER CHOR
Bald fliesset ihr Blut!
Bald fliesset der Verräter Blut!
Brahma, erhöre uns!
Brahma! Brahma!
Feuer giesst der Wein usw.


Szene und Duett

Leila wird von Nourabad und den Fakiren herbeigeführt.

NOURABAD
Götter im Todesreich,
Wir bringen dies Paar zum Opfer euch!

DER CHOR
Götter im Todesreich!
Wir bringen dies Paar zum Opfer euch!

NADIR
Ach Leila!

LEILA
wirft sich Nadir in die Arme
Nadir, mit dir will ich sterben!

NADIR
Komm!

BEIDE
Alle Not entfliehet!
Neues Leben blühet!
Die Not entflieht!
Die Hoffnung glüht!
Und die Seele fühlt sich endlich befreit!
Gelöst sind die Bande,
In schönerm Lande
Finden Glück wir allezeit!
Mein Blut geb' ich gerne!
Bin ohne Klage zum Tode bereit!
In schönerem Lande
Finden Glück und Liebe wir allezeit!

NOURABAD und DIE MÄNNER
Hört ihr, sie lästern!

NADIR
Aus des Äthers Höhen
Endlich kam der Tag,
Im Lichte nun gehen
Wir dem Herzen nach!

LEILA
Goldene Wolken ziehen
In die Lande tort!
Und die Seele fliehet
Zu der Liebe eherm Port!

DER CHOR
Noch schützt sie Dunkelheit!
Der Tag erscheint noch nicht!

NADIR und LEILA
Noch schützt uns Dunkelheit!
Der Tag erscheint noch nicht usw.

DER CHOR
Bald ist die Nacht vorbei, von fern dämmert das Licht usw.

NADIR
Leb wohl, Leila, leb wohl!

LEILA
Leb wohl, Nadir, leb wohl!


Finale

Ein heller Schein erleuchtet plötzlich die Bühne.

NOURABAD und BÄSSE
Der junge Tag erhellt die Runde;
Nun ist sie da, die Opferstunde!
Zur Tat! Auf!

FRAUEN und TENÖRE
Ja! Auf zur Tat! Auf!

ZURGA
eilt herbei mit einer Axt in der Hand
Nein! Nein! Nicht der Morgen glüht!
O schauet, das ist Brand!
Es fiel auf euch der Flammenstrahl aus Götterhand!
Schon nahet dem Lager des Feuers grimme Wut!
Eilet hin und errettet die Habe
Und Weib und Kind aus der Gluten Bereich!
Hinweg!l Hinweg! Und Brahma schütze euch!

Die Inder eilen fort, und Zurga wendet sich zu Nadir und Leila.

Durch mich ward entfacht jener Brand, der dort lohet,
Der die Meinen bedrohet, doch euch beide erlöset!
Eurer Ketten seid frei!

NADIR
Gott!

Mit einem Axthieb löst Zurga die Ketten, mit denen Nadir und Leila gefesselt waren, und zeigt Leila die Perlenkette.

ZURGA
Eurer Ketten seid frei! Einst rettetest du mich!

LEILA
O Gott!

ZURGA
Drum rett' ich heute euch!

LEILA und NADIR
Gott!

ZURGA
Alle Not entfliehet, neues Leben blühet!

NADIR
Und du, Zurga?

ZURGA
Das weiss nur Gott allein, eilt, eilt!

ALLE
Leb wohl!

Nadir und Leila ab.
In diesem Augenblick sieht man die indischen Frauen mit ihren Kindern auf der Flucht, die Männer und Nourabad folgen ihnen.


LEILA und NADIR
in der Ferne
Alle Not entfliehet,
Und neues Leben blühet!
Die Not entflieht,
Die Hoffnung glüht,
Und die Seele fühlt sich endlich befreit.
Gelöst sind die Bande,
In schönerem Lande
Finden Glück wir allezeit!

ZURGA
O Leila, mein Glück und mein Leben,
Leb wohl! Leb wohl!
Brahmas weiser Rat bestraft meine Tat
Mit Tod und Verderben!

Das Licht des Brandes erhellt die Bühne.
Zurga steht in der Mitte, gelehnt an das Götterbild, die Axt in der Hand.